September 2024 |
Mit dem Monatswechsel ging auch die Ferienzeit in Deutschland zu Ende. Die vielen
Tische, die fast alle Gaststätten während des Sommers für ihre Gäste im Freien
bereitgestellt hatten, blieben auffallend oft leer. Die
Passagierschiffe, die drei bis vier Mal pro Tag für eine Rundfahrt
ablegten, taten dies immer öfter mit nur sehr wenig Passagieren an Bord.
Selbst Petrus hatte offenbar genug vom langen Ferienbetrieb und
versuchte, die Stadt sauber zu waschen. Immer wieder schickte er zu
diesem Zweck
heftige Regengüsse über die Stadt Waren. Und als
ob er sie danach hätte trocknen wollen, wehte während Tagen
ein heftiger Wind, der je nach Wetterlage, abwechselnd aus verschiedenen
Richtungen kam. Weil die Luft aber immer noch feucht war und die Temperatur
ungewohnt kühl, resultierte daraus
eine ungemütliche Stimmung. So blieben wir vermehrt zu Hause
und verspürten zunehmend Aufbruchsstimmung.
Bei solchem Wetter haben wir auch einmal bei den Mecklenburger Backstuben im Laden unser Brötchen gegessen, statt wie üblich an der Sonne auf dem Neuen Markt. Bei dieser Gelegenheit sind wir ganz unerwartet im hinteren Teil des Geschäftes fündig geworden, als wir an der Wand auf ein grosses Foto stiessen, das uns doch recht bekannt vorkam. War doch darauf, zwar nur klein und im Hintergrund am Rand, unser Schiff abgebildet. Das war ein Foto, das offenbar vor sieben Jahren geschossen worden war. Sein kleineres Brüderchen hatten wir jedenfalls bei unserem letzten Besuch vom Turm der Marienkirche aus geschossen und in unserem Bericht veröffentlicht (siehe Juli 2017). Darum hat das Bild von der Bäckerei einen Ehrenplatz als Titelbild dieses Monats verdient!
Matz benutzte die Zeit, ihre Garderobe für die kommenden Steampunk-Anlässe neu zu gestalten und so ratterte während Stunden die Nähmaschine in unserer kleinen Stube. Dabei wuchs ein anfänglich wohlgeordneter Stoffballen zusehends zu einem beeindruckenden Gebilde heran, das später einmal als Unterrock ein bescheidenes Leben - fern der Öffentlichkeit - fristen wird.
Wenn zwischendurch mal die Sonne schien, machten wir uns meist zu Fuss auf den Weg. Einmal assen wir ein Fischbrötchen beim lokalen Fischer und ein anderes Mal wanderten dem Wasser entlang weiter nach Ecktannen, von wo sich uns eine schöne Aussicht auf die Stadt bot.
Zum Ausklang der Insektenausstellung im Müritzeum, von der wir schon im letzten Monat berichtet hatten, war ein Abend mit Dr. Volker Lohrmann ausgeschrieben, der sich als Spezialist für Hautflügler (Wespen, Bienen usw) einen Namen gemacht hat. Seit Jahren arbeitet er am Übersee-Museum Bremen als Kurator, wo er als leidenschaftlicher Forscher unser Wissen über die Evolution der Insekten bereichert. Er berichtete in einem interessanten Vortrag von seiner Forschung an Insekteneinschlüssen in Bernstein, in deren Verlauf er unter anderem eine neue Wespenart entdeckt hat. Von dieser zeigte er uns ein Exemplar, das vor 100 Millionen Jahren (!) als Zeitgenosse der Dinosaurier gelebt hat, dann aber das Pech hatte, zufällig von ausfliessendem Baumharz konserviert zu werden. Dank der jahrelangen Forschungsarbeit des Wissenschaftlers, der zusätzlich durch seine äusserst gekonnte Vortragsweise zu begeistern wusste, erwachte das Tier vor unseren Augen sozusagen zu neuem 'Leben'. In einer Art Zeitkapsel gesichert, hat es die fast unvorstellbar lange Zeit überdauert und uns hier in unserer Gegenwart einen Besuch abgestattet. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Versteinerungen waren im Harz selbst feinste Details der Wespe erhalten geblieben. Offenbar handelte es sich um eine solitäre Art, die ihre Eier auf zuvor betäubte Grillen ablegte. Nach dem Schlüpfen ernährten sich die jungen Wespenlarven von ihrem noch immer lebenden Wirt, wobei sie die lebensnotwendigen Teile des Opfers systematisch verschonten und es so, nach und nach, bei lebendigem Leibe auffrassen (Parasitose).
Mehrfach haben wir unsere geplante Abreise verschieben müssen, weil die Müritz bei starkem Wind alles andere als harmlos ist und wir es in unserem Alter vorziehen, unangenehmen Situationen eher aus dem Weg zu gehen.
Schlussendlich kam aber doch der Tag, wo sich das Wetter soweit beruhigt hatte, dass wir die Leinen losmachen konnten und nach einem Aufenthalt von zwei Monaten aus dem Hafen von Waren ausliefen. Am Tag zuvor hatten wir uns selbstverständlich bei der zuständigen Behörde abgemeldet und uns für diesen aussergewöhnlichen Aufenthalt bedankt.
Am Abend vor der Abreise zeigte sich der Himmel freundlich und die Wetterprognose versprühte Zuversicht. Der Morgen war dann zunächst noch etwas neblig, klarte aber rasch auf und bot uns beste Bedingungen für unsere Reise.
Ein letzter Blick vom Schiff zurück auf die Stadt, die uns so lange Gastrecht geboten hatte und ein Blick voraus, der uns klar machte, dass wir auf unserer Reise nicht allein sein würden. Zufälligerweise wohnten wir dem Start einer Regatte von Olympiajollen bei, welche im Rahmen der Deutschen Meisterschaften vom Röbeler Segler-Verein Müritz ausgetragen wurde. Kurz vor dem Startschuss fuhren wir an den Schiffen vorbei, die sich ungeduldig vor der Startlinie drängten.
Nach einiger Zeit verabschiedeten wir uns auch von der Boje 'Mitte Müritz', die uns vor zwei Monaten (siehe Juli 2024), damals bei trübem Wetter, sicher nach Waren eingewiesen hatte.
Von hier aus ging es zunächst auf dem selben Weg zurück, auf dem wir
vor gut zwei Monaten nach Waren gefahren sind. Also zunächst durch die
Kleine Müritz, dann an Rechlin vorbei, auf der Müritz-Havel-Wasserstrasse (MHW)
durch die Schleuse Mirow und von dort in den Zotzensee. Weiter fuhren
wir
durch den Vilzsee zur Schleuse Diemitz. Von dort durch den Labussee, an
dessen anderem Ende wir vor der Schleuse Canow die zweite Nacht
verbrachten. Während der ganzen Zeit war das Wetter wechselhaft,
mit häufigen Regenschauern und starkem Wind. Darum verzichteten wir
diesmal auf
Übernachtungen vor Anker. Trotzdem war es eine schöne Fahrt
durch eine noch schönere Landschaft, die man ohne weiteres mehrfach
besuchen könnte. Auenlandschaften, die zwischen unterschiedlich grossen,
wild geformten Seen
eingebettet sind, dazwischen eindrückliche Wälder und stets gut gepflegte
Wasserstrassen. Hier könnte man immer wieder Ferien machen. Mit oder ohne
Schiff.
Genau darum hat es hier in der Ferienzeit so viele Leute. Mit oder
ohne Schiff!
Nach der Schleuse ging es in gleicher Art weiter durch den Canower-See
und den kleinen Palitzsee nach Strasen. Am langen
Warteplatz vor der Schleuse
haben wir schon mehrfach gelegen und fühlen uns da schon fast wie zu Hause.
Wir blieben darum zunächst für die
Nacht.
Weil das Wetter am nächsten Tag richtig schön war, nutzten wir
die
Gelegenheit, die Reling auf Steuerbordseite neu zu streichen. Etwas, was wir
längst geplant, aber immer wieder verschoben hatten. Nach der
Malerarbeit machten wir einen kleinen Spaziergang und genehmigten uns im
Restaurant 'Zum Löwen', das unmittelbar bei der Schleuse liegt, einen
wohlverdienten Kaffee. Die Freude währte allerdings nur kurz, denn eine
Leuchtschrift vor dem Schleuseneingang warnte rotblinkend vor einer eingeschränkten Tauchtiefe
in der
Schleuse, die für unser Schiff ungenügend gewesen wäre. Wir tranken
etwas schneller als geplant unsere Tassen leer und suchten sogleich den
Schleusenwärter auf. Der reagierte zunächst etwas ungehalten über unseren Besuch, aber
lieferte schlussendlich eine vernünftige Erklärung über diese
Einschränkung, die offenbar schon seit Jahren andauert. Es stellte sich
heraus, dass wegen zu grossem Wasserverlust in der Schleuse an deren
unterem
Rand beidseits ein Betondrempel von etwa 50 cm Höhe eingebaut wurde. Dieser ist zwar nur 30 cm breit, hat aber die unangenehme
Eigenschaft, insbesondere für Schiffe mit einer Rumpfform wie die der Mizar, die Tauchtiefe am Rand unter Umständen ungebührlich
einzuschränken.
Wer jetzt den Eindruck hat, dass wir etwas übervorsichtig reagierten, der
möge in unserem Bericht vom Oktober 2015
nachlesen, was genau eine solche Einrichtung, damals in der letzten Schleuse vor
Haren, angerichtet hat.
Wir sind halt gebrannte Kinder!
Am andern Tag, kurz vor der Schleuseneinfahrt, machte auf der anderen Seite des Kanals eine Tafel auf das Problem aufmerksam und stellte es auch bildlich dar.
Dank der rechtzeitigen Information und entsprechender Vorsichtsmassnahmen
während der Schleusung verlief diese absolut unauffällig.
Die Schleuse Strasen führt direkt nach Priepert, wo
die MHW in die Obere-Havel-Wasserstrasse (OHW) mündet,
auf der wir dann weiter durch den Ellenbogensee und den Ziernsee zur
Schleuse Steinhavel fuhren. Diese Schleuse zeichnet sich, wie auch die
Schleuse Fürstenberg, dadurch aus, dass in der Kammer zwei
Reihen
Schiffe nebeneinander liegen können. Dabei erfolgt hier die Einfahrt in Fahrtrichtung
links, die Ausfahrt aber rechts, was eine geordnete Durchfahrt der Schiffe erleichtert. Diese Änderung wurde
während dem Neubau der Schleusen vor knapp zwei Jahren eingeführt und wird dem dichten Verkehr
von kleinen Sportschiffen besser gerecht. Die Idee ist allerdings
keinesfalls neu, wurden doch schon 1878 alle Schleusen des nahen Finowkanals
auf diese Art gebaut. Wir hatten diesen im Juli 2016 (siehe dort) in beiden
Richtungen durchfahren und uns damals selber ob der speziellen
Konstruktion gewundert.
Ob man wohl vor beinahe 150 Jahren schon an Sportboote
im heutigen Ausmass gedacht hatte?
Am langen Wartesteg nach der Schleuse Steinhavel legten wir nochmals für
zwei Nächte an und verschönerten unser Schiff, indem wir diesmal der Reling auf der Backbordseite
ein neues Farbkleid schenkten.
Danach ging es etwa in der gleichen Art weiter. Durch den Röblinsee nach
Fürstenberg, von wo wir durch die Schleuse mit gleichem
Namen in die Havel
gelangten. Diese brachte uns - nur durch eine kurze Fahrt durch den Stolpsee unterbrochen - als
rücksichtsvoll
kanalisierter Fluss nach Bredereiche. Dem Fluss war sein natürliches Aussehen fast
ungestört belassen
worden, indem man seine Ufer entsprechend gestaltet hat. Weiterhin fliesst er durch
viele, zum Teil sehr enge Windungen, die vorausdenkendes Steuern
erfordern.
Was hier vielleicht wie eine Litanei tönt und monoton wirken könnte,
gleicht in
Wahrheit eher einer Perlenkette, die den Besucher auf seiner Reise von einem
Naturidyll zum nächsten bringt. Ein Erlebnis, das bezeichnend ist für die
Gegend, die wir mit Genuss während Tagen durchfuhren. Ein Gebiet, wo jeder, der sich an
gewachsener Landschaft, an Pflanzen, Tieren und vor allem an Vögeln zu erfreuen vermag, voll auf seine Rechnung kommt.
Von Monotonie keine Spur!
Für dieses Jahr war
die Ferienzeit um und darum waren wir beinahe allein unterwegs, was das
beeindruckende Erlebnis natürlich noch verstärkte. Kein Wunder, bewegten wir
uns doch zwischen der Himmelpforter Heide und dem Naturschutzgebiet Kleine Schorfheide. Beide
gehören zum Land Brandenburg und sind Teil des Naturparks
Uckermärkische Seen. Sie verbindet eine wechselvolle
Geschichte. Waren doch hier während langer Zeit Truppenübungsplätze der sowjetischen
Besatzungstruppen. Zum Glück hat die Gegend seit jener Zeit zu einer sinnvolleren und
weit fruchbareren Bestimmung zurückgefunden. Sie könnte damit als
leuchtendes Beispiel für so manche anderen Problemzonen herhalten.
Vor der Schleuse Regow machten wir wiederum Halt und nutzten zwei
weitere schöne
Tage sowie die beglückende Ruhe, unsere beiden Gangways links und rechts neu zu
streichen. Damit hatten wir unser Ziel in Bezug auf Renovationsarbeiten,
die wir uns für dieses Jahr vorgenommen hatten, schon fast
erreicht.
Hätten wir Flügel, würde die Route von der Schleuse Schorfheide aus
in etwa so aussehen. Links schauen wir zurück, rechts nach vorne.
Weiter folgte unsere Reise der Havel, die unverändert durch eine wechselnde
Landschaft führte und uns während drei Tagen bis nach
Zehdenick brachte. Eine Stadt, knapp 50 km nördlich von Berlin,
die inmitten von drei Naturparks liegt und sich darum aufgemacht hat, sich vom
Industrieort zum neuen Tourismuszentrum zu entwickeln.
Für uns war es wichtig, dass wir dort wieder einmal die Gelegenheit hatten,
unsere Vorräte aufzufüllen, die im Laufe der letzten Tage einen bemerkenswerten Tiefstand
erreicht hatten. Gut versorgt fuhren wir dann weiter nach Liebenwalde, wo wir
kurz nach der Schleuse, aber vor dem Einbiegen in die
Havel-Oder-Wasserstrasse (HOW), erneut für die Nacht festmachten.
Den Abend verbrachten wir gemeinsam mit Stefan, der
während dieser Zeit alleine mit seiner Hendrika Johanna
unterwegs war (siehe Juni 2024) und (fast) zufällig am gleichen Ort übernachtete.
Gemeinsam plauderten wir beim Nachtessen über unsere Erfahrungen während diesem Jahr und
zogen für beide Schiffe eine äusserst positive Bilanz.
Am nächsten Morgen starteten wir frühzeitig, kamen aber erst nach fast sieben Stunden Fahrt in Spandau im Westen Berlins an. Alle näher gelegenen Liegeplätze, die wir eigentlich lieber angesteuert hätten, waren bei unserer Ankunft belegt. So sind wir an diesem Tag so weit gefahren, wie schon lange nicht mehr am gleichen Tag.
Für den nächsten Tag hatten wir telefonisch einen Besuch in der Werft Hegemann in Spandau organisiert. Denn während der letzten Zeit hatten wir bemerkt, dass das Schauglas an unserem Tank, wo man die Menge Treibstoff ablesen kann, die aktuell noch im Tank gespeichert ist, nicht mehr dicht war. Dieser Mangel hatte sich, ohne sichtbare direkte Ursache, nach und nach ergeben, bis letztlich ständig, wenn auch nicht in rauhen Mengen, Treibstoff in die vorsorglich untergestellte Alu-Schale tropfte. Weil wir das für die kommende Winterzeit nicht anstehen lassen konnten, mussten wir für rasche Abhilfe sorgen. Zum Glück haben wir diese Werft ganz in der Nähe gefunden, wo wir bei unserem ersten Besuch auch freundlich empfangen wurden. Dabei stellte sich heraus, dass einer der Werftleiter selber ein Faible für historische Schiffe hat und sich darum um unser Anliegen entsprechend sorgsam kümmerte.
Das Problem wurde dann auch umgehend angegangen.
Zunächst mussten wir allerdings den Tank entleeren, was, obschon dieser
nur noch knapp zur Hälfte gefüllt war, doch einigen Aufwand erforderte.
Doch bereits am nächsten Morgen konnte das sauber restaurierte
Anschlussstück wieder eingebaut werden und uns fiel - fast hörbar - ein
Stein vom Herzen.
Danke für die sofortige Hilfe!
Damit wir den Erfolg dieser Arbeiten auch zuverlässig kontrollieren konnten, haben wir auch gleich die Gelegenheit benutzt und blieben für zwei weitere Tage an der Spundwand vor der Werft liegen.
Dabei hatten wir ein für beide erstmaliges Erlebnis:
Mitten in der Nacht stellten wir fest, dass plötzlich die durch Sensoren
gesteuerte Beleuchtung auf dem Weg entlang der Spundwand anging. Die
Sensoren hatten auf zwei Waschbären angesprochen, die auf der sonst kaum
genutzten Fläche auf Futtersuche waren. Noch nie zuvor hatten wir diese
ausgesprochen hübschen und drolligen, aber nicht überall gern gesehenen
Tiere draussen beobachten können. Da wir durch unser Steuerhaus gut
getarnt waren, kamen sie bis auf ein, zwei Meter an uns heran und
liessen sich durch unsere Anwesenheit nicht stören. So hatte die durch
ein technisches Problem ausgelöste Verspätung den unerwarteten Vorteil,
dass wir um ein wertvolles Erlebnis reicher geworden sind.
Vor Arbeitsbeginn am 30. September mussten wir unseren Liegeplatz bei
der Werft räumen und wir fuhren auf der Spree nach Berlin-Charlottenburg.
So kam einmal mehr das Monatsende schneller, als wir das
gefühlsmässig erwartet hatten. Wir begannen darum, konkret die letzten beiden Wochen unserer Schiffersaison 2024 zu planen.
Was dabei heraus kommen wird, darüber werden wir im nächsten Beitrag berichten.
> Monat
September 2024:
- 33h 45'
- 167 km
- 15 Schleusen