Juli 2024      

Als ersten Schritt in diesem Monat passierten wir die Schleuse Liebenwalde, unmittelbar vor dieser liegend, hatten wir ja den letzten Monatsbericht abgeschlossen .

Danach führte uns der Malzer Kanal in die Obere Havel (OH) und die Umwelt änderte sich damit gründlich. Wir hatten nun den grossen Oder-Havel-Kanal endgültig hinter uns gelassen, der hauptsächlich vom Berufsverkehr benutzt wird, welcher in Richtung des Flusses Oder und damit Richtung Ostsee fährt. Ihn benutzen also richtig grosse Schiffe, für welche 'Zeit' verständlicherweise 'Geld' ist.
Wir aber haben Zeit!

Auf der Oberen Havel bestimmten nun die Freizeitboote den Verkehr. Vom Kajak oder Kanu bis hin zur ausgesprochenen Luxusyacht begegneten wir allem. Dabei sind - ähnlich wie bei den Autos im Laufe der letzten Jahre - die früheren kleinen Schiffsmodelle einfach etwas grösser geworden. Die schon damals grösseren sind nun noch viel grösser, aber nicht mehr wirklich schön. Sie sehen meistens kaum mehr aus wie Schiffe, eher als wären sie aus einem Star Trek-Film gefallen. Sie haben auch häufig die Typenbezeichnung Galaxy, Prestige oder Noblesse, denn auch hier ist Nomen bekanntlich Omen und das verkauft sich offenbar gut. In der Zahl sehr stark zugenommen haben auch die Hausboote. Wo bis vor wenigen Jahren eine schlichte Holzhütte auf einem Floss mit einem 15 PS Motor einer ganzen Familie romantische Ferien erlaubte, steht heute oft ein schicker Pavillon auf zwei Schwimmern, angetrieben von einem oder gar zwei 50 PS Motoren, der den Gästen ein Leben wie zu Hause erlaubt.

Bei stetig zunehmendem Verkehr fuhren wir so weiter Richtung Waren (Müritz) und passierten dabei nach und nach die Schleusen Bischofswerder, Zehdenick, Schorfheide, Zaaren, Regow und Bredereiche. Diese sind weitgehend automatisiert und werden von den durchfahrenden Schiffsbesatzungen selber bedient. Das braucht verständlicherweise etwas Zeit, vor allem, bis sich die unterschiedlich grossen Schiffe in der Schleusenkammer vernünftig eingeordnet haben. Manch ein - nach einem kurzen Einführungskurs frisch beförderter - Mietbootskapitän gerät dabei trotz der geschenkten Kapitänsmütze ins Schwitzen. In der Folge stauen sich regelmässig die unterschiedlichsten Schiffe in langen Reihen vor den Schleusen und es resultieren mehrstündige Wartezeiten. Manche haben sich ihre Ferien wohl anders vorgestellt.
Etwa so müssen sich nordeuropäische Touristen im Sommer im Stau vor dem Gotthardtunnel fühlen.

Zwischen den Schleusen glitten wir gemütlich durch wunderschöne Landschaften, die sich über viele Kilometer ausbreiten und kaum je mit Ortschaften oder auch nur einzelnen Höfen überbaut sind. Wir waren erstaunt, dass die Kanäle durchwegs sehr gut und naturgerecht unterhalten werden. Die Ufer gelegentlich frisch verbaut mit Holzgeflecht oder Kiesaufschüttung anstelle der üblichen stählernen Spundwände. Viel zu oft haben wir in den letzten Jahren gesehen, dass wegen dieser schroffen Kanalwände unzählige Tiere - Hasen, Wildschweine oder Rehe - qualvoll ertrunken sind, weil sie keine Chance hatten, rechtzeitig einen Ausstieg aus dem Wasser zu finden, in das sie hineingefallen waren. Ein wenig Sorgfalt ermöglicht es also der Natur, sich fast ungehindert zu entfalten. Immer wieder erfreuten wir uns auch hier an den Flugkünsten der unterschiedlichsten Vögel und lauschten jenen Gesangskünstlern, die zumeist im Gebüsch versteckt, der Welt mit Liedern ihre Anwesenheit kund tun.

   

Da die Ferienzeit näher kam, wurde es für uns mit jedem Tag schwieriger, einen geeigneten Liegeplatz zu finden. Auf den grossen Wasserstrassen war bei den Berufsanlegern an beiden Enden jeweils  etwas Platz für kleinere Schiffe reserviert worden, von dem wir immer gerne Gebrauch gemacht hatten. Hier jedoch ist es offenbar lukrativer, für die vielen Sportboote komfortable Häfen zu bauen, die alles bieten, was man für erholsame Ferien vermeintlich braucht. Davon profitieren nicht nur die Hafenbetreiber, sondern auch das Restaurant beim Hafen und die Läden im Dorf in der Nähe. Allerdings haben diese Häfen lediglich Plätze für Boote bis zu etwa 15 Meter Länge im Angebot. So blieb für uns auf der Havel zuweilen nur ein Platz im Umfeld einer Schleuse, der im Grunde für Boote gedacht ist, die darauf warten, die Schleuse zu benutzen. Da zogen wir gelegentlich - als attraktiven Ausweg - eine Übernachtung vor Anker draussen auf dem See vor. Einkaufen und korrekte Abfallentsorgung wurden dabei allerdings nach etwa einer Woche zur echten Herausforderung.

Nach Fürstenberg öffnete sich vor uns die Mecklenburgische Seenplatte und damit ein Paradies für jeden Naturfreund. Fast hinter jeder Flussbiegung wartet ein neuer Nationalpark, ein Naturreservat oder eine geschützte Seenlandschaft auf möglichst viele Besucher.

Unser Weg verbreitete sich gelegentlich vom engen Kanal zum weiten See und wechselte etwas später wieder zurück. So war es ein echter Genuss, langsam und gemütlich durch diese Gegend zu fahren.

(Zufälligerweise hat die NZZ am 28. Juni 2024 einen informativen Bericht über Hausbootferien in dieser Gegend veröffentlicht. Allerdings ist dieser bezahlt worden vom lokalen Bootsvermieter und stellt daher im Grunde (versteckte) Werbung dar. Er könnte trotzdem jedem, der sich für das Thema interessiert, wertvolle Informationen liefern.)

Bei Priepert zweigt die Müritz-Havel-Wasserstrasse nach Westen ab und brachte uns zur Schleuse Mirow und von dort direkt in die Müritz.
Als sich die Sicht vor uns besonders weit öffnete, zeigte das, dass wir auf dem grössten Binnensee Deutschlands angekommen waren. Vor uns lag die Müritz.

Während der Weiterfahrt begann es plötzlich zu regnen und die Sicht wurde zwischenzeitlich schlechter, sodass wir sorgfältig von Boje zu Boje weiterfuhren.
Von der Boje 'Mitte Müritz' aus konnten wir aber unser Ziel schon beinahe sehen.

Nur wenig später erreichten wir Waren, wo wir erneut an der Nordmole anlegten, wie es die Stadtbehörde in verdankenswerter Weise für uns vorbereitet hatte. Da wir bei weitem nicht die einzigen sind, die das wunderschöne Ferienparadies entdeckt haben, besuchen jedes Jahr während der Sommermonate zigtausende ferienhungrige Leute mit ihren Booten diese Gegend. Schon bei unserem letzten Besuch vor sieben Jahren (siehe Juli und August 2017) hatten wir gelegentlich ein ungutes Gefühl, wenn wir, die wir den ganzen Sommer Zeit haben, den Sommergästen während ihren zwei oder drei Ferienwochen den Platz streitig machten. Darum hatten wir bei der Stadt angefragt, ob wir uns an der Nordmole des Hafens, die sonst kaum gebraucht wird, während der Ferienzeit etwas aus dem Verkehr zurückziehen könnten. Erfreulicherweise sind wir auf viel Verständnis gestossen und die entsprechende Bewilligung wurde uns auch dieses Mal erteilt.
Bei der Einfahrt in den Hafen spürten wir darum etwas, das sich fast wie Heimkommen anfühlte.

Fünf Minuten später hatten wir auf der Innenseite der Nordmole festgemacht.

 

Der Hafen war gut belegt, aber wir lagen an unserem Platz keinem im Weg!

Als ganz persönlichen Gruss des Himmels verbuchten wir den spektakulären Regenbogen, der sich am Abend unseres Ankunftstages um unsere Mizar herum ausbreitete. Das Titelbild zeigt, was wir mit unseren Mitteln für den Bericht festhalten konnten. Der Abend begann mit freundlichem Licht ...



... und dieses steigerte sich etwas später zu beinahe mystischer Stimmung. Besonders beeindruckend war die Erfahrung, dass sich der Regenbogen im Wasser spiegelte und sich damit fast zu einem Vollkreis schloss.
Das untenstehende Bild zeigt, was der Berufsfotograf aus dieser Situation machte.
Erneut hat er unserem Schiff einen Ehrenplatz eingeräumt, was uns natürlich freute (siehe auch Juli 2017).


(Foto Pretzel)

Als ob dieser Empfang nicht schon grossartig genug gewesen wäre, fand am folgenden Wochenende in Waren das Müritzfest statt. Dieses versetzte die Stadt für drei Tage in den Ausnahmezustand. Wir waren in allernächster Nähe mit dabei und selbst für das Feuerwerk am Abend hatten wir einen echten Logenplatz. Alles was Beine hatte, war an diesen Tagen unterwegs und genoss mit Freude und Stolz die engere Heimat.


(Foto Pretzel)
      

Die erste Woche ging vorbei wie im Flug. Wir hatten von unserem letzten Besuch in Waren noch viele Eindrücke im Kopf, die wir seit sieben Jahren mit uns herumgetragen haben. Nach und nach mussten wir diese nun den aktuellen Bedingungen anpassen. Die Zeit bleibt bekanntlich nirgends stehen.
Da unser Schiff an prominenter Stelle lag und nicht aussieht wie all die anderen, zog es viele Blicke auf sich und wir wurden mit Fragen von interessierten Passanten bombardiert. Darum haben wir uns nach kurzer Bedenkzeit entschlossen, eine Art Lebenslauf unserer Mizar am Fenster des Steuerhauses anzuschlagen. Diese Notiz hat dann zwar noch mehr Leute angezogen, aber uns immerhin erspart, die selben Fragen immer wieder neu beantworten zu müssen.
Nein, wir sind nicht mit dem Schiff den Rhein hinauf hierher gefahren !?!

Nach dieser recht anstrengenden Woche sind wir auf die Müritz hinausgetuckert und haben dort während zwei Tagen vor Anker gelegen. Wir genossen dort die absolute Ruhe und schwammen zum ersten Mal in diesem Jahr im See. Natürlich - um nicht aufzufallen - im selben Tenue wie die Einheimischen.
Ferien, die kaum schöner sein könnten.

Die Tage danach waren abwechslungsreich und einmal mehr bewährte sich unsere gute Lage an der Nordmole. Von unserem Liegeplatz aus konnten wir das Open-Air Konzert der Neubrandenburguischen Philharmoniker am Stadthafen verfolgen. Mit bekannten Oper- und Musicalmelodien unterhielten sie die vielen Feriengäste der Stadt. Am Samstag darauf brachte der Müritz Triathlon mit Start und Ziel in Waren zusätzliches Leben in die Stadt. Damit erhielten viele Leute die Gelegenheit, ohne von ihrem Stuhl vor der Gelateria aufstehen zu müssen, mit anzusehen, wieviel Anstrengung ein sportlicheres Leben mit sich bringen würde.

Noch mehr Freude als all das bereitete uns allerdings der Besuch von Ute und Stefan, die mit ihrer Hendrika Johanna für einen Abend in den Hafen kamen. Wir hatten sie schon im letzten Oktober und dann wieder im April dieses Jahres getroffen. Bei einem gemütlichen Nachtessen ergaben sich erneut spannende Gespräche über Alltäglichkeiten sowie über die ganze Welt, die uns die Zeit fast vergessen liessen.
Einfach gute Schifferkameradschaft.

Am letzten Sonntag des Monats besuchten uns - etwas überraschend, weil wir unsere Mails in den letzten Tagen zu wenig kontrolliert hatten - Brunhilde und Uwe. Sie haben einen Kuchen mitgebracht und ihr Besuch machte uns derart Freude, dass wir in der Aufregung ganz vergessen haben, ein Foto zu schiessen. Dumm, aber wir werden auch so ihren Besuch bestimmt nicht vergessen. Genau so wenig, wie wir unseren Besuch bei ihnen im September 2017 (siehe dort) je vergessen werden. Vom ersten Moment an war auch diesmal die Begegnung wieder spannend, persönlich und lebendig. Natürlich war ihr Schiff 'Es grüßt der Lenz' ein wichtiger Teil der Diskussion. Es stammt ja noch aus der Kaiserzeit und ist damit ein einzigartiges historisches Relikt. Deutlich älter als unsere Mizar. Aber auch ihr spezielles Auto, der feuerrote 'Dixi', den sie seit dem Jahr 1959 mit Liebe pflegen, findet offensichtlich immer wieder zahlreiche Bewunderer. Trotzdem lässt sich mit allen Neuigkeiten nur teilweise entschuldigen, dass wir es verpasst haben, diesen Tag für unser Tagebuch fotografisch festzuhalten.

Der selbe Tag war allerdings auch der erste Tag des Besuches von Sandra, einer Freundin von Matz, aus der gemeinsamen Studienzeit in Zürich.


Mit unserem neuen Besuch fuhren wir zwei Tage später über Eldenburg in den Kölpinsee und von dort in den Jabelschen See. Dort liegt das Wisentreservat Damerower Werder.
Unweit des Reservats ankerten wir für zwei Nächte und kramten unser aufblasbares Kajak hervor, das während Jahren eine sehr einsame Existenz hatte ertragen müssen. Aber schon am folgenden Tag brachte es zwei gutgelaunte Besucherinnen zuverlässig zum Eingang des Reservats.

Auf der 3 km² grossen Halbinsel Damerower Werder lebt seit 1976 eine etwa 30 Tiere umfassende Herde Europäischer Wisente in praktisch freier Wildbahn. Während dieser Zeit sind in der Anlage über 300 Jungtiere geboren worden und sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zum internationalen Zuchtprogramm für diese Tierart. An verschiedenen Orten wird mit unterschiedlichem Ansatz versucht, wieder einen stabilen Bestand von Wisenten in möglichst natürlicher Umgebung zu schaffen. Verbreitet ist die irrige Ansicht, dass damit Tiere, die als amerikanische Bisons bekannt sind, hier angesiedelt werden sollten. Aber umgekehrt wird ein Schuh daraus: in grauer Vorzeit sind Eurasische Wisente über die Beringstrasse auf den amerikanischen Kontinent ausgewandert und fanden dort eine ihnen zusagende Umwelt. In den weiten Steppen entstanden dort die grossen Herden, die wir aus Filmen und Erzählungen kennen. Die amerikanischen Bisons sind sogar etwas kleiner als ihre Eurasischen Vorfahren.
Wir waren nicht zum ersten Mal hier und haben den Park schon im im Juni 2017 besucht und damals etwas ausführlicher beschrieben (siehe Juni 2017)

Neben dem Erlebnis der beeindruckenden Tiere genossen unsere beiden Besucherinnen zwischendurch auch das lokale kulinarische Angebot, ...

   

... bevor sie mit dem Kajak wieder zu unserer Mizar zurück ruderten. Dort wurden sie herzlich empfangen und erholten sich von ihren Strapazen bei einem erfrischenden Bad im See.

 

Damit endete ein erholsamer und dennoch erlebnisreicher Monat.
Am nächsten Tag ist der 1. August und jeder, der mit helvetischen Verhältnissen einigermassen vertraut ist, weiss, dass dieses Datum unseren Nationalfeiertag bezeichnet.
Und den wollen wir, in bescheidenem Rahmen, in Waren verbringen.
Doch das gehört eindeutig zum nächsten Monatsbericht.
Bis dann!

 

Monat Juli 2024:
- 32h 55'
- 13 Schleusen
- 1 Brücke
- 165 km

 

zurück zur Reisetagebuchseite