Juli 2023 |
In Haarlem fühlten wir uns schon fast wie zu Hause. Wir
waren schon mehrmals hier und das fast zu allen Jahreszeiten. Wir
empfinden die Stadt
als für Holland besonders typisch.
Obschon man auch hier allen ausgesprochen holländischen Spezialitäten wie
Windmühlen, Fahrrädern und Schiffen jeder Art begegnet, sind es nicht die Touristen, die den Ton
angeben, sondern gewöhnliche Holländer und Holländerinnen. Sie prägen das
Strassenbild.
Wir hatten unseren Liegeplatz am Ufer der Spaarne
gefunden, unmittelbar vor der
Lange Brug. So hatten wir alles was wir brauchten
innerhalb Gehdistanz und das Leben pulsierte um uns herum.
Wir waren jetzt wieder nahe der Heimat von Bruce,
unserem langjährigen Freund, den wir 2014 bei unserem Tauchaufenthalt
auf der Insel Kri in Westpapua kennen gelernt hatten (siehe Februar
2014). Die Erlebnisse von damals waren derart überwältigend, dass wir
uns gerne daran erinnern und den Kontakt mit unserem Tauchpartner immer wieder suchen,
wenn es die Geografie irgendwie zulässt. So hatten wir ihn
im letzten Herbst in Echtenerbrug getroffen (siehe September 2022) und zuvor
schon im Juli 2014 und August 2014, sowie im Mai 2018 (siehe jeweils dort). Auch
diesmal war unser Zusammentreffen ein ganz spezielles Erlebnis und der
Apero auf unserem Schiff verging ebenso rasch, wie das gemeinsame Nachtessen
in der Stadt.
Tot ziens! Bis zum nächsten Mal!
Bei einem späteren Spaziergang durch Haarlem sind wir zufällig auf ein kleines Restaurant gestossen, dessen Erfolgsrezept eine spezielle Erwähnung verdient. Als Gastgeber sind hier sieben Katzen angestellt, die dank strikt vorgegebenen Regeln Tieren und Gästen ein entspanntes Miteinander erlauben.
Obschon die Idee etwas skurril anmuten mag, konnten wir doch feststellen, dass das Geschäft in ruhigem und für alle Beteiligten durchaus lohnenswertem Rahmen abläuft.
Wir blieben unserem Lebensstil 'Eile mit Weile' treu und fanden trotzdem eine Lösung zum Problem, das uns während des letzten Monats auf Trab gehalten hatte. In nicht allzugrosser Entfernung hat Matz dank Google ein Geschäft gefunden, das auch die französischen Varianten für unser WC liefern konnte. Kurzentschlossen mieteten wir für einen Tag ein Auto und holten ein solches Ding auf unser Schiff. Der Einbau war dann eine Angelegenheit von weniger als einer Stunde. Oft finden grosse Probleme eine unerwartet einfache Lösung.
Der folgende Tag wollte uns offensichtlich beweisen, dass es noch
grössere Kräfte gibt, denen wir ab und zu einfach ausgeliefert sind.
Gemäss den Zeitungsberichten der darauf folgenden Tage überraschte uns eine
Sturmfront mit dem Namen POLY, die im Nachhinein als die schwerste seit Messbeginn
bezeichnet wurde.
Der Wetterradar hatte das Unwetter ebenso angekündigt, wie die Behörden,
die alle in Holland verorteten Handies mit einer Warnung anriefen.
Und so sah das dann in Wirklichkeit aus!
Während etwa zwei Stunden wurden wir an unserem Liegeplatz tüchtig durchgeschüttelt und von Laub und kleinen Ästen der Bäume, die dem Quai entlang standen, zugedeckt. Ein grosser Ast, der dem Sturm weichen musste, stürzte ganz in der Nähe zu Boden. Aber Schäden erlitten wir keine. Am nächsten Tag sahen wir bei einem Veloausflug, dass mehrere Stellen der Stadt deutlich härter getroffen worden waren. Ganze Bäume waren entwurzelt worden und unzählige dicke schwere Äste abgebrochen, wobei auf Stadtgebiet sogar eine Frau in ihrem Auto ums Leben gekommen ist.
Am Abend nach diesem Unwetter knipsten wir dann dieses beinahe apokalyptische Bild.
Von unserer Warte aus hatten wir während der ganzen Zeit die beste Aussicht auf all die verschiedenen Schiffe, die diese Stelle während unserem Aufenthalt passierten. Wobei uns einmal mehr der Aufwand beeindruckte, mit dem die holländische Jugend durch die Organisation der Wasserpfadi mit der Schifffahrt vertraut gemacht wird (Corbulo und Energie).
Und daneben noch ein paar Impressionen aus der Stadt.
Nachdem wir unsere wöchige Platzmiete um weitere vier Tage verlängert
hatten, machten wir am 10. des Monats die Taue los und legten gut vier
Stunden später am Quai von Oude Wetering
an. Dort hatten wir uns mit Cathy und Philippe
verabredet, die auch bereits mit ihrer Kava'Uvea auf uns
warteten. Mit ihnen zusammen hatten wir einen Teil des zweiten Corona-Winters in
Strassburg verbracht (siehe Oktober 2021). Wir hatten uns damals
gewundert,
mit der Kava'Uvea ein Schiff wieder zu sehen, dem wir zum ersten Mal
2010 auf der Yonne begegnet waren. Dabei hatten wir Myriam und Werni
kennen gelernt, die damaligen Besitzer (siehe Juli 2010). Das Schiff trug damals noch
- aus nahe liegenden Gründen - den Namen
Roti Zora. Im Frühling 2016 (siehe März 2016) hatten
wir gemeinsam noch einige Zeit an unserem Winterliegeplatz in Leer
(Ostfriesland) verbracht.
Weil das Wetter schön war, verbrachten wir ein paar gemütliche Stunden
auf unserer Terrasse, bevor ...
... am nächsten Morgen die Kava'Uvea ihre Reise fortsetzte.
(https://www.polarsteps.com/PhilippeMarrien/2249668-a-bord-de-kavauvea)
Am nächsten Tag machten wir eine kleine Velotour rund um das Braassemermeer. Nicht weit zwar, aber wegen des strengen Windes auf ziemlich genau der halben Strecke doch recht anstrengend. Da sind uns die Holländer, die das ohne Wimpernzucken auf sich nehmen, halt doch ein ganzes Stück voraus.
Bei der Weiterfahrt, tankten wir, angesichts der etwas schwankenden
Dieselpreise, am Ausgang des Braassermermeers beim Bunkerboot noch etwas
nach. Auf der Weiterfahrt nach Alphen a/d Rijn kamen
wir bei der Einmündung in den Oude Rijn an jener Stelle vorbei, wo wir im Juli 2014 (siehe ebenda) gelegen
hatten, als Hansruedi seine lädierte Hand, die er sich bei einem Unfall
in Gouda geholt hatte, hier im Spital von Alphen a/d Rijn untersuchen lassen wollte.
Dieses Spital war allerdings damals wegen Sommerferien (!) geschlossen und wir mussten deshalb mit dem Taxi nach Leiden fahren, um im dortigen Spital einen Gipsverband machen zu lassen. Dieses Erlebnis dient uns seither immer wieder als ausgesprochene Kuriosität, wenn wir von unseren Reisen durch Holland erzählen.
Dieses Mal legten wir aber in der Stadt, beim Café De Heul (Café Hölle) an und verbrachten, trotz des etwas
beunruhigenden Namens, eine gemütliche
Nacht.
Am nächsten Morgen fuhren wir nur wenig weiter und blieben für vier
Tage an einem schönen Platz in der Nähe des Zegerplas.
So heisst der kleine See, der mit allen Einrichtungen versehen ist, den
wasserliebende Menschen offenbar benötigen. Man kann dort wakeboarden,
in einem Tauchpark
tauchen oder einfach nur baden. Um den See herum gibt es neben
Freilaufzonen für Hunde auch einen extra sandgepolsterten Weg für
Reiter und gleich daneben einen Golfplatz. In zwei grosszügigen
Bistros kann man sich verpflegen oder bis weit in die Nacht hinein Feste
feiern. Für die anstossenden Wohnquartiere muss das alles eine sehr willkommene
Bereicherung sein.
Wir benützten die parkartige Umgebung zum spazieren und machten nach
längerer Pause wieder die ersten Versuche für bescheidene sportliche
Betätigung. Während all der Zeit warteten wir, dass das hartnäckig windige
Wetter sich endlich einmal beruhigen würde.
Noch ein spezielles Erlebnis werden wir von unserem Aufenthalt hier mit
uns nehmen. Seit jeher haben wir im Peak unseres Schiffes einen
kräftigen Generator mit einem altertümlichen
Einzylindermotor. Eigentlich hatten wir ihn während der ganzen
Zeit auf dem Schiff höchstens vier bis fünf Mal in Betrieb genommen. Und
das waren fast immer reine Funktions-Kontrollen, denn der Lärm des
Motors ist von aussen sehr gut hörbar. Weil wir jetzt schon über eine
Woche nur vom Strom unserer Solarpanele gelebt hatten, startete
Hansruedi, eher aus einer Laune heraus, eben diesen Generator. Der Motor
sprang schon beim ersten Versuch anstandslos an, aber aus dem
Stromverteilerkasten stieben Funken, fast wie zum 1.August (Schweizer
Nationalfeiertag). Innert Sekunden war der ganze Vorraum in dichten,
weissen Rauch gehüllt, der, immer dichter werdend, aus dem
Verteilerkasten drang. In der Aufregung war der Schlüssel zu diesem
Kasten gerade nicht auffindbar. Und die Aufregung war beachtlich. Es
reichte noch, den Kopf aus der Luke zu strecken und Matz zu alarmieren.
Das Abstellen des Motors brachte dann zwar rasch Besserung und noch rascher
kam die Einsicht, dass die Reihenfolge der Massnahmen suboptimal war.
Eine spätere Kontrolle des Verteilers zeigte einen gelöschten,
eindrücklichen Kabelbrand, dessen Folgen nur durch einen Elektriker behoben
werden können.
Bis dahin werden wir ohne Generator leben müssen.
Bei fast windstillem Wetter fuhren wir danach auf dem Aarkanaal weiter nordwärts,
bis wir durch die Tolhuissluis in die Amstel
hochgehoben wurden. Das ist der Fluss, der dann etwas weiter unten quer durch
Amsterdam fliesst. Fünf Kilometer später machten wir an einem
verlotterten und wackeligen Holzquai fest, weit weg von jeglicher Siedlung,
aber dafür direkt an einer vielbefahrenen Strasse. Eher zufällig
entdeckten wir später
auf einem im Schilf versteckten Schild, dass hier
eigentlich Liegegeld geschuldet wäre. In Anbetracht des traurigen Zustandes der
Einrichtung empfanden wir das als Zumutung und legten uns schon die
Argumente zurecht, sollte tatsächlich jemand hier Geld kassieren wollen. Wir waren
dann natürlich auch
zufrieden, als im Laufe des Abends sich niemand meldete. Am nächsten
Morgen fuhren wir weiter durch eine grenzenlose Landschaft, wie sie uns
in Holland immer
wieder beeindruckt, obschon sie sich in ihren Grundzügen stets ähnlich
zeigt: weit und leer.
Warum das, hat doch Holland, nach Monaco, die zweithöchste
Bevölkerungsdichte in Europa? Mehr als doppelt so viel wie
die Schweiz! Und dort haben wir keine solchen Landschaften mehr.
Und, als ob das nicht genug wäre, erreichen die Holländer im Mittel die grösste
Körpergrösse im Vergleich zu allen anderen europäischen Ländern.
Immerhin muss Hansruedi, der bislang nicht durch Zwergwuchs aufgefallen
wäre, in Menschenansammlungen immer wieder nach oben schauen. Da hat es
Männer und auch Frauen, die deutlich über zwei Meter gross sind.
Wir kamen vorbei an Nes aan de Amstel mit seiner, für ein derart kleines Dorf, sehr eindrücklichen Kirche. Daneben erfreuten wir uns aber immer wieder an den kleinen Wundern dieser Welt.
In Ouderkerk aan der Amstel legten wir an einem offiziellen Platz direkt vor einer Reihe von Restaurants an, die ihre Tische am Wasser aufgestellt hatten. Ein Schild, das besagte, dass Schiffen, die höher als 1,5 m über den Wasserspiegel reichen, das Anlegen zwischen 12.00 und 22.00 untersagt sei, missachteten wir gefliessentlich. Wir betrachteten dieses Verbot als unsinnig. Man wollte damit verhindern, dass diese Schiffe den Gästen die Aussicht auf das Wasser versperren, verbot ihnen damit das Anlegen aber grundsätzlich. Wir kennen keinen Freizeitschiffer, der nach 22.00 anlegen möchte, um dann vor dem Mittag wieder weiter zu fahren. Das tönt zu sehr nach Arbeit. Ein freundliches Kopfnicken des Restaurantbesitzers reichte uns für unseren Entscheid. Das Bier mit Bitterballen servierte er uns am Nachmittag jedenfalls verzugslos und munter gesprächig. Am Abend besuchten wir hier ein indisches Restaurant und waren einmal mehr überrascht, wie stark gewürzt Indisches Essen in Holland serviert wird. Jedenfalls so 'pittig', wie es in Zürich kaum akzeptiert würde. Wohl ein Relikt der ehemaligen holländischen Kolonien im Osten. Diese waren eine Folge der überaus aktiven Seefahrt. Dagegen sind wir in der Schweiz, mit vielen Bergen und ohne Seeanschluss, Fondue und Älplermakkaronen treu geblieben und gehen höchstens mit einer Pizza fremd.
Die Liegezeit vor den Restaurants war jedoch grundsätzlich auf 24 Stunden beschränkt und darum fuhren wir am nächsten Morgen weiter. Allerdings nur etwa drei Kilometer, wo wir erneut an einem maroden Holzsteg einen ruhigen Tag verbrachten, bevor wir auf der Amstel weiter Richtung Amsterdam fuhren. Auf dem Weg dahin begegneten wir einem 'Blumenschiff', neben dem unsere Mizar wohl äusserst nüchtern daherkommt.
Eigentlich wären wir gerne durch die Stadt Amsterdam gefahren, doch war nach Angaben der holländischen Wasserwege-Information die Hebebrücke Berlagebrug (im Bildzentrum) ausser Betrieb und die Durchfahrtshöhe entsprechend auf knapp drei Meter beschränkt.
Wir bogen
darum in die Weesper-Trekvaart ein und kreuzten nach
einer Reise von fast drei Stunden den riesigen und stark befahrenen Amsterdam-Rijnkanaal.
Von dort waren es dann nur noch wenige Minuten weiter auf der Trekvaart, bis wir in
Weesp ankamen. Es war Freitag gegen Mittag und wir hatten wohl
richtig gepokert, denn wir fanden schon kurz nach der niedrigen Brücke
am Stadtrand einen komfortablen Liegeplatz, für den wir bei der
zufällig anwesenden
Hafenmeisterin die Liegegebühr für gleich drei Tage entrichteten. Wir waren ja
schon im letzten Jahr in Weesp vorbeigekommen (siehe Juli 2022), hatten damals
aber auf der uns jetzt gegenüberliegenden Seite der Stadt festgemacht.
Schon am frühen Nachmittag war die lange Anlegestelle bis auf den letzten Platz besetzt. Erneut hat sich also die schiffaffine Lage von Weesp bestätigt, die wir schon im letzten Jahr bemerkt hatten. Seit Weesp 2022 als Stadtteil (Bezirk) in die Gemeinde Amsterdam eingegliedert worden ist, hat sich diese Entwicklung natürlich nur noch verstärkt. Darum waren wir jetzt eigentlich, trotz der geschlossenen Brücke, schlussendlich dennoch in Amsterdam!
Am Montag machten wir um die Mittagszeit eine kleine Siesta, als wir draussen pötzlich eine ungewöhnliche Aufruhr vernahmen. Ein besonderes Schiff schien sich in die schmale Fahrrinne verirrt zu haben und so mancher machte sich Sorgen um seine edle Jacht. Doch der Mann am Steuer verstand offensichtlich sein Handwerk. Mit einer Länge von 38m und knapp 7m Breite machte die Hydrograaf (Baujahr 1910) allerdings schon Eindruck.
Das riesig wirkende Schiff war
1910 als Dampfschiff auf der Fijenoord Marinewerft in Rotterdam gebaut
worden und hat eine äusserst bewegte Vergangenheit. Zunächst diente es als
Vermessungsschiff für den Hydrographischen Dienst und war damals das letzte kohlebefeuerte
Schiff der Königlich Niederländischen Marine.
In den 1920er und 30er Jahren benutzten es die Königinnen Emma,
Wilhelmina und Juliana für ihre offiziellen Besuche auf den
'holländischen Inseln' und es wurde deshalb 'das Schiff der Königin'
genannt. Heute wird das königlich luxuriös ausgebaute Schiff
eingesetzt bei noblen Empfängen, Jubiläen und anderen festlichen Anlässen.
Jedes Jahr, von Mitte November bis zum 5. Dezember, dient es
ausschliesslich dem Sinterklaas als Gepäckschiff.
Trotzdem bleiben wir in Zukunft auf unserer Mizar!
Am Abend besuchten uns Iris und Stefan, die mit ihrer Levante während des Nachmittags an uns vorbei gefahren waren. Sie sind auch Mitglied bei unserem Schleusenschifferklub SSK und hatten die Fahrt auf dem Rhein im März dieses Jahres (siehe März 2023) mitorganisiert. Dass wir uns jetzt nach recht kurzer Zeit, nun aber so weit weg von der Heimat wieder getroffen haben, das war eine angenehme Überraschung.
Vor unserer Weiterfahrt füllten wir noch unseren Trinkwassertank und fuhren dann unter drei beweglichen Brücken hindurch und vorbei an der Molen 't Haantje (der Hahn, molenhethaantje.nl) hinaus auf die Vecht.
Dort drehten wir gegen Osten ab und fuhren Richtung Muiden. Nur wenig ausserhalb von Weesp fanden wir einen langen Anlegesteg für die Sportschifffahrt, der kurz vor Mittag noch vollkommen leer war. Wir nutzten die Gelegenheit zu einem ruhigen Aufenthalt, weil für den Rest des Tages starke Winde vorhergesagt waren, bei denen wir nicht über das Markermeer fahren wollten. So konnten wir am nächsten Morgen gemütlich Richtung Almere weiterfahren. Die Drohne schaute etwas voraus und sah bereits Muiden und das Markermeer.
Am nächsten Morgen verliessen wir Muiden durch die Doppelschleuse ...
... und fuhren kurz danach am Muiderslot vorbei, einer mittelalterlichen Burg, deren Ursprung umstritten ist, aber auf das 13. Jh datiert wird. Ein quadratisches Wasserschloss mit markanten Türmen an allen vier Ecken, das an eindrucksvoller Lage stehend, die Vechtmündung beherrschen will.
Knapp 2½ Stunden dauerte die Fahrt durchs Markermeer, den südlichen Teil des IJsselmeeres. Dann lagen wir vor der Zuidersluis nach Almere, der flächenmässig riesigen, neuen Stadt am nordwestlichen Ende von Flevoland. Gut fünf Meter wurden wir durch diese Schleuse auf das Niveau von Flevoland abgesenkt. Wir hatten diesen Weg schon einmal in der entgegengesetzten Richtung befahren (siehe Mai 2018), damals waren wir auf dem Rückweg von Deutschland nach Frankreich. Diesmal, beim Zurückschauen auf die nun leere Schleuse, waren wir doch beeindruckt und erlebten hautnah, dass die ganze riesige Fläche von Flevoland im Mittel etwa 6m unter dem Meeresspiegel liegt.
Flevoland ist die jüngste Provinz von Holland und wurde als solche erst 1986 begründet. Sie umfasst rund 2'500 km² Land, die erst im 20. Jh dem IJsselmeer abgerungen worden sind (Holland heisst offenbar: Hol Land, aber schnell!). Einmal mehr bekommt man Respekt vor dem Mut und der Beharrlichkeit der Leute, die ein solches Unterfangen wagten und es bis zum Schluss durchzusetzen vermochten. Erst 1932 war das IJsselmeer durch den Abschlussdamm von der Zuiderzee abgegetrennt worden. Also dem Meer abgetrotzt. Im Laufe der Jahre wandelte es sich zu einem Süsswassersee. Von diesem wurde wiederum der südlichste Teil durch Dämme abgetrennt und das Wasser zurück ins Meer gepumpt. Das so trockengelegte und neu gewonnene Land, das jetzt Flevoland heisst, liegt natürlich tiefer als der ursprüngliche Wasserspiegel. Weil es jedoch nichts gratis gibt, muss das richtige Zusammenspiel der unterschiedlichen Wasserstände fortwährend kontrolliert und durch kräftige Pumpen ständig korrigiert werden. Die erforderlichen Pumpen sind über das ganze Land verteilt.
Kurz nach der Schleuse bogen wir nach rechts ab und kamen durch eine neu
errichtete Einfahrt unter einer Hebebrücke hindurch. Allerdings mussten
wir
diese selber
vom Schiff aus bedienen. Nachdem wir dieses reichlich umständliche Verfahren
durchgespielt hatten, kamen wir in die Noorderplassen,
ein nachträglich künstlich angelegter See,
der an ein Naturschutzgebiet grenzt. Man wird ausdrücklich darauf
hingewiesen, nach der Durchfahrt durch die geöffnete Brücke, noch einmal anzuhalten und
sie mit dem selben Prozedere wieder zu schliessen. Der Dank der Radfahrer auf
der kleinen Strasse ist einem dafür sicher. Dem Naturschutzpark
angegliedert ist auch ein
Zugvogelinformationszentrum, das wir bestimmt das nächste Mal besuchen
werden. Natürlich fand in der Vergangenheit auch ein
Campingplatz hierher und verschiedene Bootsverleiher in Almere vermieten
Schiffe und bieten Apéro-Kreuzfahrten an. Trotzdem fanden wir, einmal mehr,
einen wunderschönen Platz, der sich der wild wuchernden und alleine
gelassenen Natur so
gut angepasst hatte, dass er gar nicht so einfach zu finden war.
Auch vom Schiff aus gesehen war es ein Platz, an dem zu verweilen, es sich
lohnt!
Nach einem angenehmen und sehr ruhigen Tag, vom Wind geschützt durch die Bäume auf der kleinen Insel, fuhren wir am zweiten Morgen auf dem selben Weg zurück in die Hoge Vaart, auf der wir diesmal Flevoland in Richtung Osten durchfahren wollen. (Im Mai 2018 (siehe dort) waren wir von Ost nach West durch Flevoland gefahren, damals allerdings auf der Lage Vaart.) Doch noch waren wir nicht so weit. Wir mussten erneut die Hebebrücke betätigen, damit sie uns die Fahrt freigeben würde. Durch die Erfahrung bei der Anreise gut vorbereitet, gelang uns das an diesem Tag, als wären wir alte Routiniers. Reibungslos passierten wir die Brücke, wunderten uns aber erneut ob der etwas eigenartigen Logik des Ablaufs.
Selbstverständlich haben wir nach der Durchfahrt mit der selben Übung die Brücke wieder pflichtgemäss geschlossen.
Nach etwa 10 km auf der Hoge Vaart legten wir bei der Groone Kathedraal an.
Seinen Namen bekam dieser Ort durch ein Kunstwerk des
Landschaftskünstlers Marinus Boezem, das, basierend auf dem
Grundriss der Kathedrale von Reims (siehe Juni 2010 und August 2018), eine gewachsene, grüne
Skulptur in die weite Landschaft stellt, die heute auch dazu verwendet
wird, z.B. Hochzeiten und Beerdigungen einen würdigen Rahmen geben. Dass
dieses Objekt, die grüne Kathedrale, von der Natur lediglich entlehnt worden ist, wird dadurch
deutlich gemacht, dass in der selben Form und Grösse eine Lichtung im
Waldstück dahinter freigelegt wurde.
Schon bei der Planung von Flevoland wurde eine ganze Reihe von
solchen Kunstobjekten ausgewählt, die von verschiedenen Landschaftskünstlern
gefertigt wurden und die unbedingte Verbundenheit des menschlichen Tuns
mit den Vorgängen in der Natur aufzeigen sollen.
Sicher ein sehr
bedenkenswerter Ansatz, der aber leider viel zu wenig Beachtung findet!
Von all diesen Kunststücken ist aber Flevoland selber wohl das grösste!
Unweit hinter der Grünen Kathedrale (man sieht sie in
1-Uhr Position auf dem ersten Bild) haben wir bei einem Spaziergang eine
riesige Fläche angetroffen, wo, weil so viel Boden brach liegt und benutzt werden will, fast
alles möglich ist. Wir haben, über diese grosse Fläche verstreut, viele
ganz unterschiedliche Bauten gesehen, teilweise originell, andere
einfach aber praktisch und wieder andere so gross, dass sie sogar
luxuriös sind. Etliche sind fertig und bewohnt, andere bewohnt und noch
nicht fertig und wieder andere werden wohl gar nie fertig. Dazwischen
hat es Kleinbauern und Gewerbler, ein gemütliches Restaurant und sehr
viel Brachland. Dort wohnen auch ein paar Chaoten, die scheinbar
noch nicht wissen, was sie wollen.
Nach der Initiative einer holländischen
Architektengruppe werden rurale Flächen in Zusammenarbeit mit den
örtlichen Gemeinden unter dem Namen
Oosterwold als Entwicklungsprojekt ausgeschrieben.
Dort soll
mit viel
Eigeninitiative gebaut und entwickelt werden können, mit einem Minimum von Regeln und
Vorschriften. Entsprechend entstehen neue Lebensformen, wo sich
unterschiedliche Ideen befruchten und so ungeahnte Möglichkeiten
schaffen. Nur wenn man (zu-)viel Land hat (hier etwa 43 km²) und
solches - fast nach Belieben - weiterhin dem Meer abringen
kann, kommt man auf solche Gedanken. Wohl eher
nichts für Ängstliche und Kleinkrämer.
Schon ein kurzer Besuch weckte Interesse und zeigte unzählige Möglichkeiten auf.
Dabei drängten allerdings auch viele
Fragen nach oben, wie Blasen in einem frisch entkorkten
Champagner.
Eine Zukunft, die bunt und spannend ist. Aber zu viel davon wirkt
berauschend und gibt Kopfweh!
Aber Kopfweh muss nicht sein. Eher zufällig sind wir auf die
Bäckerei Tureluur (Bakkerij de Tureluur) gestossen, die zwar
nur am Samstag und am Sonntag ab 09.00 für jeweils fünf Stunden geöffnet
hat. Aber dann herrscht da Freude puur.
Eine reiche Auswahl an
verschiedenen echten Sauerteig-Broten, was sonst in Holland kaum
existiert, zusammen mit tollen Baguettes, die jedem Franzosen
schmeicheln würden, sowie Croissants und Brioches, die keine Wünsche
offen lassen, liessen auch unsere Herzen höher schlagen. Die zwanglose
Umgebung zieht also auch tüchtige Leute an und bringt so echte
Fortschritte mit sich, die für die Zukunft neugierig machen.
Ganz gemäss dem Motto auf dem Strassenschild:
Ein jeder singt sein eigenes Lied!
Weil unser Liegeplatz passte und es die Umstände erlaubten, blieben wir bis
zum Monatsende hier. Wir hatten, über alles gesehen, einen ruhigen Monat erlebt, der
allerdings nicht frei von Überraschungen war.
Wir waren uns einig: so sollten Ferien sein!
> Monat Juli 2023:
-
22h 50'
- 3 Schleusen
- 33 Brücken
- 114 km