Januar 2023   

Wie am Schluss des letzten Monatsberichts erwähnt, waren wir vor Sylvester und für die drei darauf folgenden Wochen nach Gibraltar gefahren.
In der Vergangenheit hatten wir schon ein paar Mal durch die Website 'trustedhousesitters.com' die Gelegenheit erhalten, an einem spannenden Ort zu leben, indem wir ein fremdes Zuhause hüteten, während seine Besitzer in den Ferien weilten. Bei Bedarf betreuten wir auch die Haustiere, die zu Hause bleiben mussten (siehe März 2018, November 2018 und Winter 2019/20). So konnten die Bewohner dieser Liegenschaften sorglos ihre Ferien geniessen und dabei sicher sein, dass zu Hause alles seine Ordnung hat. Entsprechender Bedarf ist offenbar vielfältig und über die ganze Welt verteilt.

In Gibraltar schauten wir zu zwei Katzen und einem kleinen Hund, während wir in einer Wohnung lebten, die in einem kürzlich erbauten Gebäude am oberen Stadtrand war, unmittelbar angrenzend an eine geschützte Zone (Nature Reserve), die den ganzen oberen Teil des berühmten Felsens von Gibraltar einnimmt.

     

Während es die beiden Katzen gewohnt waren, zu Hause zu bleiben, begleitete uns Kizzy auf unseren Spaziergängen. Wenigstens überall dahin, wo es die sehr restriktive Gesetzgebung und die gelebte Akzeptanz der Bevölkerung erlaubten. Auf Gibraltar gibt es neben einem etwa 50m langen Kiesweg lediglich einen kleinen Strandabschnitt, wo, wenigstens während der drei Wintermonate, Hunde frei herumlaufen können.

     

1704 wurde die Spanische Flotte vor Gibraltar durch einen Englisch-Holländischen Verband vernichtend geschlagen. Weil die Nordländer, entgegen allen militärischen Regeln, sich entschieden hatten, nicht im Morgengrauen anzugreifen, sondern die hier auch von der Flotte gelebte nachmittägliche Siesta abzuwarten, hatten sie leichtes Spiel. Gegen schlafende Seeleute kämpft es sich offensichtlich leichter. Nach diesem Sieg wurde1713 im Vertrag von Utrecht die Landspitze von Gibraltar der Souveränität der Britischen Krone unterstellt, die sie seit 1830 offiziell als Britische Kronkolonie bezeichnet. Alle späteren Versuche Spaniens, die Herrschaft über das Gebiet zurück zu gewinnen, scheiterten ergebnislos. Nachdem selbst General Franco mehrmals erfolglos versucht hatte, Gibraltar zu annektieren, schloss er 1969 die Grenze vollständig. Erst 1985 wurde sie, anlässlich des Beitritts Spaniens zur Europäischen Union, wieder geöffnet. Doch der Argwohn von der spanischen Seite blieb bestehen. Selbst die Brexit-Verhandlungen zwischen der EU und England wurden durch Spanien zunächst blockiert, weil das Land um seine Gebietsansprüche gegenüber den Briten bangte. Gleichzeitig beharrt die Krone weiterhin auf ihrem Recht, wobei sie sich auf die Unterstützung der ansässigen Bevölkerung beruft, die sich in zwei Abstimmungen in den Jahren 1967 und 2002 mit einer in der westlichen Welt bisher nie gesehenen Mehrheit von über 95% einem allfälligen Anschluss an Spanien widersetzte.

Unsere ersten Begegnungen mit Gibraltar waren entsprechend vielfältig. Während der Stadt in ihren nahe der Küste gelegenen Teilen ein gewisser Charme nicht abzusprechen ist und entlang der Mainstreet Kreuzfahrtpassagiere und die luxusverwöhnte Bevölkerung permanente Ferienstimmung verbreiten, wird das Leben an den zuweilen steil ansteigenden Strassen und engen Treppen, die sich den Hang hinauf kämpfen, zunehmend mühsam und sichtbar bescheidener. Die Hausfassaden sind da deutlich weniger gepflegt, die Strassen und Treppen oft baufällig. In den Hinterhöfen lebt es sich bescheidener. Die Neubauten, zumeist entlang dem oberen Rand der Stadt, zeigen den Luxus jener Einwohner, die sich die sonnige Lage und die prächtige Ausicht leisten können.

           

Vom Stadtzentrum gelangten wir auf schmalen Strassen und über steile Treppen zu 'unserem' Haus, das uns, wenn wir etwas ausser Atem dort oben angekommen waren, weitere 104 Treppenstufen abforderte, wenn wir zu 'unserer' Wohnung gelangen wollten.
(Die Benutzung des Lifts in Begleitung von Haustieren ist, gemäss Hausordnung, verboten.)

     

Dafür belohnte uns die Dachterrasse nach unserer Ankunft mit einem luxuriösen Swimmingpool und bequemen Liegen, zusätzlich zur oben erwähnten Aussicht. Dafür mussten allerdings weitere 32 Stufen bewältigt werden.

Mit dem Auto nach Gibraltar sollte ohnehin nur jemand fahren, der sich im Voraus einen Parkplatz gesichert hat. Die Suche nach einem solchen käme wegen der schmalen Strassen und engen, oft unerbittlich steilen Kurven einer Tortur gleich. Ganz abgesehen davon, dass es das Gesuchte gar nicht gibt. Aus diesem Grund befahren die meisten Einheimischen die engen Strassen ohnehin mit einem Roller und kommen so viel schneller nach Hause. Zudem sind in der Stadt die Preise, verglichen mit jenen im nahen Spanien, deutlich höher, was wohl auch die Tatsache erklärt, dass jeden Tag bis zu 15'000 Leute von dort hierher pilgern, um von den höheren Salären zu profitieren. Zumeist allerdings im Service oder als Putzkraft. Verdeutlicht wird dies auch durch das Sprachgemisch, das vom reinen Englisch, der einzigen Amtssprache, über die lokale Sprache Llanito (eine merkwürdige Mischsprache, die aber von fast allen gesprochen wird), zum reinen Spanisch der Gastarbeiter reicht.

Nebst den verwirrenden, politisch schwierigen und allzu oft kriegerischen Rivalitäten unter den westeuropäischen Staaten, hatten auch andere Einflüsse in dieser Gegend eine besondere Rolle gespielt. Schon die Griechen hatten Respekt vor der Meerenge, die sie für das Ende der Welt hielten. Sie akzeptierten die Felstürme, die an den Rändern der Kontinente in den Himmel ragen, als Werk ihres kraftvollen Helden Herakles, der dafür auf den Olymp befördert worden war. Sie betrachteten sie als ihre Grenzen und nannten beide die Säulen des Herakles, den Felsen von Gibraltar im Norden und den Jbel Musa im Süden.

Vor fünf Millionen Jahren hatte sich jedoch dort, wo wir heute die Strasse von Gibraltar sehen, aus tektonischen Gründen ein mächtiger Riss geöffnet und in einem 3000m hohen Wasserfall ergoss sich Wasser vom Atlantik in den Raum, wo heute das Mittelmeer liegt. Ein wahrlich mächtiges Spektakel. Nur schade, dass niemand da war, es zu beobachten! Denn erst viel, sehr viel später, vor etwa 30'000 Jahren, hatten sich die letzten Neandertaler (Homo neandertalensis) Europas in die Höhlen beim heutigen Gibraltar zurückgezogen, wo sie sich gegen den immer weiter vorrückenden Homo sapiens zu behaupten suchten. Tatsächlich wurden hier bereits 1848 entsprechende Gebeine gefunden, acht Jahre bevor 1856 im Neandertal bei Düsseldorf ebenfalls Knochen unserer Verwandten entdeckt wurden, die ihnen zu dem Namen verhalfen, unter dem sie heute bekannt sind. Ab dem 8. Jh. n.Ch. wurde die Gegend von muslimischen Mauren eingenommen, die sie dann für die nächsten 700 Jahre beherrschten und auch prägten. Im Gegensatz zu anderen Gegenden der iberischen Halbinsel findet man hier allerdings kaum römische Spuren.

Entscheidend für die heutigen Verhältnisse war aber die Schlacht bei Trafalgar von 1805, wo die Britische Flotte unter Admiral Nelson den vereinigten Französischen und Spanischen Flotten eine vernichtende Niederlage zufügte. Die Schlacht war Teil der vielfältigen Bemühungen Napoleons, den Einfluss Grossbritanniens zurückzubinden, indem er die Kontrolle über den Ärmelkanal zu erlangen suchte. Mit ihrem Kantersieg läuteten die Engländer allerdings die folgenden Niederlagen des französischen Kaisers auf dem Kontinent und damit auch seinen Untergang ein. Gleichzeitig sicherten sie sich die absolute Hoheit auf allen Weltmeeren. Seither steht die Statue Nelsons nicht nur auf dem Trafalgar-Square in London, sondern auch, etwas bescheidener, innerhalb der Mauern von Gibraltar.

Neben unzähligen militärischen Denkmälern, Statuen und Kanonen, die hier an allen Ecken die Besucher empfangen, gibt es noch andere Sehenswürdigkeiten. Wir besuchten zunächst den Botanischen Garten. Auch dieser scheint etwas aus der Zeit gefallen, bietet aber doch eine Vielfalt an mediterraner Vegetation. Aber der Weg dahin ist etwas verwirrend.

Trotzdem hat sich der Besuch gelohnt, denn in Anbetracht der Jahreszeit, war die botanische Vielfalt beeindruckend.

        

Sogar ein paar Exemplare des rätselhaften Monarchfalters hatten sich hierhin verflogen.

Den Tag rundeten wir ab, real british, mit fish and chips.

  

Anlässlich eines Spaziergangs beim Hafen entdeckten wir diese prachtvolle Yacht, die - wen wundert's - einem russischen Oligarchen gehört hatte. Sie wurde als Folge der Europäischen Massnahmen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine Ende März konfisziert, danach aber, nach erstaunlich kurzer Zeit und zu einem erstaunlich günstigen Preis, gleich wieder verkauft. Der Käufer bleibt unbekannt. Ein Schelm wäre, wer vermutet, dass der Verkauf über ein Konglomerrat von Firmen erfolgte und dass am Schluss der Besitzer wieder der gleiche war, wie zuvor. Er hatte lediglich für eine etwas erhöhte Liegegebühr sein Spielzeug an einem sicheren Ort parkiert. Politischer Ablasshandel im Reinformat. Vielleicht sprang trotzdem ein kleiner Beitrag an die britische Unterstützung für die Ukraine dabei heraus.

Ein kurzer Ausflug führte uns an den Europa Point, die südlichste Spitze von Gibraltar. Seit rund 180 Jahren steht hier der Leuchtturm, der wohl vielen Schiffen geholfen hat, sicher ihr Ziel zu erreichen, bevor GPS die exakte Ortsbestimmung zum Kinderspiel hat werden lassen. Natürlich darf auch die obligate Kanone nicht fehlen.

  

 

Als grösseres Unternehmen entpuppte sich die Reise zum höchsten Punkt der Insel. Er liegt mitten in der Nature Reserve und der Zugang ist für Fremde kostenpflichtig. Er schlägt mit rund 35 € pro Person und Tag kräftig zu Buche. Dafür kann man mit der Seilbahn auf 426 m hochfahren und geniesst von dort eine prächtige Rundsicht.

     

Oben wird man allerdings empfangen von den berühmten, frei lebenden Berberaffen. Sollten sie eines Tages nicht mehr hier sein, so die Legende, würde das auch das Ende der britischen Herrschaft über Gibraltar bedeuten. Darum werden sie, genau wie die Krähen im Tower zu London, sorgfältig gefüttert.

  

Weit eindrücklicher ist allerdings die Form und die Dimension des Felsens, der gegen Osten steil ins Meer abfällt. Diese Seite ist darum auch kaum bewohnt.

So verschieden wie die Aussicht, sind die Wege.

     

Den Rückweg gingen wir zu Fuss, zunächst entlang der Krete, dann weiter auf der Westseite des Felsens. Wir hatten Glück mit dem Wetter und genossen die Aussicht ganz besonders. Trotzdem vernachlässigten wir die Kleinode am Wegrand nicht. Oft sind sie unscheinbar, aber trotzdem schön. Die Ketten zeugten von den Mühen, die es zu bewältigen galt, wenn die schweren Kanonen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein mussten. Besondere Freude bereitete uns aber die seltsame Blume rechts. Zunächst meinten wir, eine Kannenpflanze (Nepenthes) vor uns zu haben. Wir mussten genauer hinsehen, um zu merken, dass dem nicht so ist. Zumal solche nur in den Tropen wachsen und ihre 'Kannen' sind Blattanhänge und nicht Blüten wie hier. Google wusste dann, dass es sich um die Andalusische Pfeifenwinde handelt (Aristolochia baetica), ein Osterluzeigewächs. Noch nie zuvor gesehen!

        

Der Weg nach Norden brachte uns dann zu den Upper Galleries (Great Siege Tunnels).
Während dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg hatten Spanien und Frankreich gemeinsam die Gelegenheit genutzt und versuchten erneut, den Felsen von Gibraltar den Engländern zu entreissen. Während vier Jahren (1779-1783) belagerten sie die Kolonie auf der Nordseite (Great Siege). Zur Verteidigung brachen die Engländer innert kürzerster Zeit einen Tunnel in den Felsen, der zu einem Felsvorsprung, genannt 'the Notch' hätte führen sollen, da von diesem aus gleichzeitig die Ost- und die Westseite des Felsens überwacht werden konnte. Vor lauter Staub und Pulverdampf riskierten die Mineure zu ersticken und brachen seitlliche Belüftungsstollen in den Felsen, in denen später Geschütze platziert wurden. Das ganze Werk bot zuletzt Unterkunft für 16'000 Soldaten  und speicherte Proviant für ein ganzes Jahr! Heute ist es, zu einem besuchenswerten Museum ausgebaut, eine Touristenattraktion erster Güte, welche die weitläufigen Räume sowie die installierten Geschütze zeigt.

       

     

Diese bergmännische Meisterleistung wurde allerdings während des zweiten Weltkrieges mit viel modernerer Technik noch mehrfach übertroffen, indem eine ganze Verteidigungsanlage in den Berg gehauen wurde. Der lediglich etwa vier Kilometer lange Fels wurde dabei mit einem Tunnelsystem ausgerüstet, das rund 50 km lang ist!

Bei unseren täglichen Hundespaziergängen kamen wir, auf halböffentlichen Wegen allerdings, an Stellen vorbei, wo sich der Hund freier bewegen konnte. Als Zugabe genossen wir eine gute Aussicht von unten auf die Lüftungsöffnungen, in denen später auch Kanonen eingebaut worden waren. Als kleinen Absatz, links unterhalb der markanten Felsstufe, erkennt man auf dem vierten Bild den Notch, der das eigentliche Ziel des ganzen Unternehmens gewesen war.

  

  

Am 17. Januar ging unser Aufenthalt in Gibraltar mit der Rückkehr der Familie zu Ende. Wir denken, dass zum Schluss beide Parteien mit ihren Erfahrungen zufrieden waren und setzten unsere Reise durch die Winterzeit fort.

Eine erste, kurze Etappe brachte uns nach Tarifa. Die Stadt liegt westlich der Meerenge am Atlantik. Damit ist sie den Winden ausgeliefert, die über das weite Meer gegen Osten ziehen und sich durch den Engpass drängen müssen. Zusätzlich beschleunigt, durch die im Tagesgang deutlich unterschiedlichen Erwärmungen von Meer und Land. Damit sind beste Voraussetzungen gegeben für Wind- und Kitesurfer, die sich hier mit all ihren Hightechgadgets treffen. Natürlich wird im Sommer ein Vielfaches all jener hier sein, die wir jetzt angetroffen haben. Da es eher unkonventionelle, junge und sportliche Leute sind, die diesen Sportarten frönen, gibt sich die Stadt im Zentrum etwas alternativ und hippyhaft, während sich an ihren Rändern Campingplätze und Wohnwagenparks aneinanderreihen. Auffällig viele Geschäfte auch, die Bretter vermieten und Drachen flicken.
Unser Hotel war entsprechend, das Zimmer nur über sechs verwinkelte Treppen erreichbar, dafür eingerichtet wie eine kleine Wohnung. Wir fühlten uns beinahe zuhause.

Diese windexponierte Lage und die dünnbesiedelte Gegend bieten natürlich beste Gelegenheit für unzählige, riesige Windkraftanlagen.

Die Weiterreise verlief zunächst etwas im Landesinneren, dann entlang der Küste, vorbei am Leuchtturm von Trafalgar weiter Richtung Cadiz. Damit sind wir an allen wichtigen Stellen der geschichtemachenden Seeschlacht bei Trafalgar vorbeigekommen, deren Folgen wir während der letzten Wochen hatten bestaunen können. Während Cadiz als Stadt eher wegen des Carnevals bekannt ist, zeigt der grosse Hafen und die wunderschöne Brücke, auf der man den Hafen überquert, deutliche Spuren der weltweiten Schifffahrt.

  

  

Während der letzten Tage hatte es sich herausgestellt, dass unsere Reise uns ganz in der Nähe von Ourique in Portugal vorbeiführen wird. Dorthin hat sich vor einiger Zeit ein anderes schweizerisches Schleusenschifferpaar zurückgezogen. In St.Jean-de-Losne hatten wir sie kennengelernt, wo wir für die Erneuerung des Zertifikats für unser Schiff einige Zeit stecken geblieben waren (siehe April 2019, Grundsätzliches Mai 2019). Wir haben also beschlossen, nach Portugal in die Algarve zu fahren, und später von dort (nach höflicher Anfrage natürlich!) nach Ourique, wo die Zwei nun glücklich leben.

Unser erstes Ziel war Albufeira in Portugal. Wir meinten zunächst, einfach der Küste folgen zu können, was wegen der weiten Aussicht immer abwechslungsreich und schön ist. Aber wir mussten schnell feststellen, dass die nächste Brücke über den Guadalquivir, dem wir schon in Cordoba begegnet sind (siehe Dezember 2022), weit im Landesinneren, nahe bei Sevilla liegt. Das verlängerte unsere Fahrt um fast zwei Stunden, brachte uns aber durch wunderschöne, weite Landschaften, an denen wir uns kaum sattsehen konnten. Die Fahrt über die Autobahn glich über weite Strecken einer Fahrt durch eine dichte Allee weit auskragender Pinienbäume.
Albufeira ist schon dem Namen nach als Badeferien-Destination bekannt und wird diesem Ruf in jeder Hinsicht gerecht. Ein ausgeprägter Touristenort mit allen Einrichtungen und Läden, die von diesem Wirtschaftszweig leben. Dutzende von Restaurants jeder Provenienz und für jede Geschmacksrichtung. Lokal und global. Fühlbar hunderte von Souveniergeschäften, die alles anbieten, was man fast überall auf der Welt kaufen kann. Wir waren natürlich weit ausserhalb der Saison hier und darum waren 90% all dieser Einrichtungen geschlossen. Die Bewohner offenbar selber in den Ferien. Trotzdem hatten wir das Gefühl, dass, wer hier seine Ferien verbringt und weiss was er macht, voll auf seine Rechnung kommt. In guter Art.
An einem gepflegten, sauberen Strand, der den Vergleich mit den berühmtesten Stränden der Welt nicht zu scheuen braucht.

Erst vor dem Frühstücksraum, dessen Türe noch verschlossen war, weil wir zu früh eingetroffen waren, haben wir bemerkt, dass wir beim Grenzübertritt nach Portugal eine Stunde gewonnen hatten. Spanien  folgt bekanntlich mitteleuropäischer Zeit. Hier aber gilt Westeuropäische Zeit! Etwas beschämend, dass dieser Lapsus ausgerechnet uns passieren musste.

  

Danach sind wir weitergefahren nach Ourique. In der Nähe dieser kleinen Stadt wohnen seit zwei Jahren Margarethe und Heiri, die sich entschlossen haben, hier ein neues Leben aufzubauen. Eine geräumige Liegenschaft mit zwei Hektaren Umschwung bildet dazu die Grundlage. Unter fachkundiger Führung eines einheimischen Landschaftsgärtners, der die lokalen Verhältnisse bestens kennt, haben sie angefangen, die riesige Anlage durch konsequente Permakultur mit standortgerechter Bepflanzung aufzuwerten. Das Gelände wurde bereits zum grossen Teil so terrassiert, dass das wenige Wasser, das im Laufe des Jahres vom Himmel fällt, möglichst zurückgehalten und tief im Untergrund eingelagert wird. Vielfältige, besonders tiefwurzelnde Bepflanzung findet es dann dort während der Trockenzeit. Ein neu angelegter Teich dient als zusätzlicher Wasserspeicher für eine Tropfbewässerung von oben. Das ganze Jahr hindurch sorgen Schafmist, Mulch und Kompost für eine gute Bodenqualität. Damit können synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel weitestgehend vermieden werden.
Die Aussicht über die weite Umgebung ist so überwältigend, dass die Arbeit im Garten zur Freude wird. Erster Erfolg dieser Bemühungen ist bereits jetzt sichtbar und verspricht, dass hier ein kleines Paradies geschaffen wird. Im Januar 2020 hatten wir, in etwas grösserem Massstab und professionell betrieben, den Erfolg solchen Bemühens im Weinbau auf Château Duvivier in der Provence bestaunt (siehe Januar 2020).

  

Das Mittagessen am Sonntag im lokalen Restaurant schmeckte ausgezeichnet. Zu Kosten, die in der Schweiz kaum für den Aperitif reichen würden.

Am Montag ging unsere Reise weiter. Wir hatten uns von der Idee verabschiedet, ganz im Nordwesten von Spanien den berühmten Wallfahrtsort Santiago de Compostela zu besuchen. Wir wollten die Reise nicht weiter beschleunigen, sondern wie wir es gewohnt sind, uns überall immer genügend Zeit zu lassen. Dazu kürzten wir unsere Pläne und fuhren zunächst in Portugal nordwärts nach Beja und Richtung Evora. Kurz davor drehten wir gegen Osten ab und überquerten den Stausee von Alqueva und kurz danach die Grenze nach Spanien. Nach Vorarbeiten, die über 30 Jahre in Anspruch genommen hatten, wurden 2002 hier die Tore der Staumauer geschlossen und es entstand einer der grössten Stauseen in Westeuropa. Neben der nicht zu verachtenden elektrischen Energie, die hier gewonnen wird, ist er das Herzstück der Bewässerungsanlagen im südlichen Portugal, gehören doch rund 80% seiner Fläche zu diesem Land. Nach der spanischen Grenze befanden wir uns mitten in der Extramadura und der Landschaftstyp änderte sich gründlich. Weite, fast unendlich weite Felder hatten das hügelige Land abgelöst, durch das wir gekommen waren. Lange Strecken sind wir gefahren, ohne überhaupt ein Haus zu sehen. Durch eine der am dünnsten besiedelten Gegenden Spaniens. Unweit des nördlichen Endes des Sees, in Badajoz, verbrachten wir die erste Nacht. Nordostwärts ging es danach durch die unendlichen Weiten nach Caceres, wo wir die gut ausgebaute Landstrasse verliessen und auf der Autobahn nach Salamanca weiterfuhren. Rasch änderte sich das Landschaftsbild und wurde zunehmend gebirgig. Beeindruckt hat uns dabei der elegante Verlauf der Autobahn im bergigen Gelände und ihr einwandfreier Zustand. Beides würde diskussionslos Bestnoten verdienen.

Noch besser gefallen hat uns aber Salamanca, die Stadt, die 2002 Kulturhauptstadt Europas war. Geprägt wird sie durch ihre Universität, die vor rund 800 Jahren gegründet worden ist und während langer Zeit ein Hort der (katholisch geprägten) Wissenschaft war. Noch heute machen ihre rund 40'000 Studenten einen wesentlichen Teil der 140'000 Einwohner Salamancas aus. Weil hier angeblich das schönste Hochspanisch gesprochen wird, sind viele davon wohl Schüler von Sprachkursen. Das berühmteste Mitglied der Universität ist aber der Frosch, der einen Totenkopf am Eingangstor ziert und damit ein deutliches 'memento mori' spricht und offensichtlich vor einem allzu lockeren studentischen Leben warnt. Wer ihn ohne fremde Hilfe findet, den erwartet angeblich ein gutes Prüfungsresultat. (Wir waren noch nicht einmal vor dem Tor angekommen, als Matz aus der Ferne bereits mit dem Finger auf ihn gezeigt hat!)
Ständig hat es Leute vor dem Eingang, die mit Eifer suchen, was im Leben Glück bringen soll.

      

Im Casa de las Conchas, gleich neben der Universität, ist die erste öffentliche Bibliothek von Salamanca aufgehoben. Die Fassade ist beeindruckend, von Muschlen bedeckt, die das Erkennungszeichen der Pilger nach Santiago de Compostela sind. Eine der wichtigsten Pilgerrouten, von denen es viele Varianten gibt, die von Zentraleuropa alle nach der Kathedrale in Santiago führen, verläuft durch Salamanca. Vom Innenhof der Bibliothek hat man eine etwas ausgefallene Sicht auf die Türme der Kathedrale. Bei der Renovation des Portals der Kirche hat ein Witzbold in den Steinmetzarbeiten zwei ungewöhnliche Figuren eingearbeitet. (Astronaut und Glace schleckender Teufel)

     

Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten gehört sicher die Plaza Mayor, angeblich der schönste Platz in ganz Spanien. Die Sitzgelegenheiten vor den Restaurants auf der Sonnenseite des Platzes waren, wegen der vorherrschenden tiefen Temperaturen, während des Tages sehr gefragt. Jene auf der Schattenseite blieben dagegen auffällig leer. Mag sein, dass sich diese Situation während des Sommers umkehrt.

Natürlich wird dieses Juwel während der Nacht stimmungsvoll beleuchtet.

 Kaum zu verfehlen sind die beiden Kathedralen. Beim Bau der neuen Kathedrale im 16. Jh liess man die kleinere alte aus dem 12. Jh stehen. Zusammen ergeben sie heute ein seltenes Bild vom Einfluss von Religion und Kirche auf das damalige Leben. Kein Heiliger und wohl auch kein Würdenträger der Kirchengeschichte, der hier nicht eine Kapelle oder wenigstens ein Standbild bekommen hat. Überwältigend ist der Reichtum und die Pracht in der neuen Kathedrale, während in der alten die romanischen Elemente eher ruhig und bescheiden wirken. Die detaillierten Darstellungen unzähliger Szenen aus der Bibel durch die verschiedensten Künstler benutzten die Kirchenlehrer wiederum als Grundlage für ihre persönliche Interpretation. Als Spezialität mag gelten, dass sogar die Eltern von Maria abgebildet sind, die sonst eher selten in Erscheinung treten.

Die neue Kathedrale und vor allem das Chorgestühl sind von seltener Pracht, während sich darüber die Kuppel in eindrückliche Höhen erhebt. Unser Respekt gilt den Bauleuten jener Zeiten!

     

Dagegen wirkt der Altbau fast bescheiden.

Zwei Tage hatten wir in Salamanca verbracht, bevor wir aufbrachen und gegen Norden weiterfuhren. Um Zamora herum, geradewegs nach León, wo uns der Stadtpatron, gerade aus einem Wasserschacht kriechend, lautstark willkommen hiess.



Auch hier ist es Matz gelungen, ein Hotel in der verkehrsfreien Fussgängerzone zu buchen. Mit Google-Hilfe haben wir den Weg ins Stadtzentrum gefunden, um von dort auf einer für jeden Hotelgast extra bewilligten Route zum Hotel zu gelangen. Dazu ist vorgängig die Autonummer registriert worden. Von der Reception kam dann eine nette Dame in die nächste Nebenstrasse, von wo sie uns routiniert mit zwei Rückwärtswendungen durch einen schmalen Autolift hindurch in eine Garage dirigierte, wo uns nach einer weiteren Wendung ein Parkplatz zur Verfügung stand. Nach dieser Übung, die genauso kompliziert war, wie sie hier tönt, haben wir, an Stelle der vorbestellen einen, gerade für zwei Nächte gebucht.
Die Stadt León wirkt fast wie eine kleine Schwester von Salamanca. Etwas bescheidener, dafür unbeschwerter und freier. Nach dem Ende der maurischen Besetzung entstand hier das erste Königreich Spaniens, das später, auf Grund seiner Bürgerfreundlichkeit, als Erfinder der parlamentarischen Monarchie gefeiert wurde.

Unser Augenmerk galt vor allem dem Gebäude von Antoni Gaudí, der hier mit der Casa de Botines eines seiner drei Werke ausserhalb Kataloniens gebaut hat. Dabei hat offensichtlich der klimatische Unterschied, besonders die viel kältere Winterszeit, ganz besondere Anforderungen gestellt. Gaudi, der vor allem für sein Hauptwerk, die Kathedrale Sagrada Familia in Barcelona, bekannt ist, fand offensichtlich für jedes Problem eine originelle Lösung. Das Erdgeschoss, das einer bekannten Textil- und Modefirma als Verkaufsraum diente, wurde auf der ganzen Fläche von schlanken, gusseisernen Säulen getragen. Damit wirkte es offen und hell, weil auf Trennmauern weitgehend verzichtet werden konnte. In den drei oberen Geschossen waren 15 Wohnungen untergebracht, die alle durch zwei grosse Licht- und Lüftungsschächte voneinander getrennt waren und dadurch ein angenehmes Wohnklima aufwiesen.

       

Nach 1950 wurden die Wohnräume zum Teil wenig fachgerecht umgebaut und anderen Bedürfnissen angepasst (siehe Zahnarztpraxis). Ab 2017 ermöglichte eine neu gegründete Stiftung die weitgehende Wiederherstellung des Originalzustandes. Heute ist das Haus ein vielbesuchtes Museum.

     

Auch in León steht eine Kathedrale, die alles andere überragt.

Aber die Stadt ist gemütlich und wirkt, durch verschiedene, eigensinnige Baustile aufgelockert, sehr abwechslungsreich.

      

Eine angekündigte Wetterverschlechterung erwies sich bald als heftiger als zunächst gedacht. Die Spitzen der Bergkette, die uns noch von der Küste trennte, wurden zunehmend mit Schnee bedeckt. Die Meldungen über geschlossene oder zumindest schwierig zu befahrende Strassen wurde länger und länger. So haben wir beschlossen, unseren Plan, durch den Nationalpark Picos de Europa zur Nordküste zu fahren, fallen zu lassen. Darum sind wir zunächst Richtung Osten nach Burgos und dann von dort nach Bilbao gefahren.

In Burgos übernachteten wir in einem Dachzimmer mit rekordverdächtiger Aussicht. Es erlaubte uns zusätzlich, mit wenigen Schritten das Stadtzentrum zu erreichen. Wir nutzten diese Offerte und waren erstaunt, dass trotz der unfreundlichen Kälte ausgesprochen viele Leute unterwegs waren. Die Bars und kleinen Beizen waren pumpenvoll mit Gästen, die offensichtlich und lautstark das rege soziale Leben genossen. Die Zeit verkürzten sie sich bei Wein oder Bier und kleinen Happen, bis so gegen neun Uhr abends endlich die Restaurants zum Nachtessen öffneten.

Am nächsten Morgen ging es weiter Richtung Bilbao, der Hauptstadt der autonomen Gemeinschaft Baskenland.

Auf dem Weg, der erneut ein Musterbeispiel einer gepflegten Autobahn abgab, fuhren wir durch zunehmend gebirgiges Land und kamen so den weiss bedeckten Bergen immer näher. Die Strasse verblieb allerdings in massvollen Höhen, sodass der leichte Regen nur gelegentlich versuchte, als Matsch auf der Windschutzscheibe liegen zu bleiben. Zunächst liessen wir die Stadt Bilbao rechts liegen und hielten uns an das linke Ufer des Nervións, der von hier an  Ria de Bilbao genannt wird, um direkt nach Portugalete zu gelangen. Es ist die industriell geprägte Seite, die mit Fabriken und schlichten Wohnblocks zugepflastert ist. Die bessere Hälfte wohnt am anderen Ufer.

Dafür kann Portugalete mit einer anderen Sehenswürdigkeit auftrumpfen, dem Puente Colgante, der 'hängenden Brücke'.
Die Schwebefähre von Biskaya verbindet seit 1893 die beiden Ufer als Brücke, ohne allerdings die Schifffahrt untendurch zu behindern. SIe ist die erste Fähre dieser Art weltweit und steht als Denkmal für die industrielle Revolution. Da in der Gegend seit jeher Eisenerz abgebaut und verhüttet worden ist, wurde als Baumaterial Gusseisen eingesetzt, wie beim Eiffelturm. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass Leute aus dem Büro Eiffel beim Bau der Fähre mitgewirkt haben.
Die Ruderboote, die sich bei unserem Besuch ein Rennen leisteten, hätten allerdings auch eine gewöhnliche Brücke mühelos passiert.

     

Natürlich liessen auch wir uns mit der Fähre ans andere Flussufer bringen und fuhren dann an diesem zurück in die Stadt Bilbao.
Dort hatten wir uns für ein paar Tage eine kleine Wohnung gemietet, die es uns erlauben wird, die geschichtsträchtige Stadt näher kennen zu lernen.

Doch mehr davon dann im nächsten Monatsbericht.

 

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