November 2022 |
Gegen Ende des letzten Monats waren wir in die Schweiz gereist. Zuvor
hatten wir die Mizar gründlich für den kommnden Winter vorbereitet und konnten
sie darum mit gutem Gewissen im Hafen der Jachtwerf Nerushoek
zurücklassen. Weil während der kalten Jahreszeit die Sportschifffahrt in
den meisten Ländern eingestellt wird, haben wir in den letzten Jahren
diese Zeit jeweils dazu genutzt, ohne Zeitdruck längere Reisen zu
unternehmen. Unter dem Link 'Reisetagebuch' auf der Titelseite findet
man eine klare Übersicht dazu. Weil diese Reisen uns jeweils weit von
der Mizar wegführten und die Monatsbeiträge daher nicht wirklich unser
Leben auf dem Schiff schildern, wie wir das mit unserer Website
versprechen, laufen sie unter dem besonderen Titel 'Bericht'.
Während der letzten drei Jahre waren die Reisemöglichkeiten wegen der
Corona-Epidemie allerdings stark eingeschränkt. Die Nichtbeachtung der je nach Land
recht unterschiedlichen Massnahmen hätte ein grosses Risiko bedeutet
und die denkbaren Konsequenzen wären entsprechend schwerwiegend gewesen.
Auch wenn für diesen Winter die Prognosen in Bezug auf die Pandemie recht günstig waren,
gestatteten sie keine seriöse Planung für ausgedehntere Reisen. Nachdem selbst unser Sommerprogramm,
aus anderen Gründen zwar, kaum unseren Plänen entsprochen hatte, blieben unsere
Vorstellungen für den kommenden Winter eher nebulös.
Die zwei Wochen, jeweils im Frühling und Herbst in der Schweiz, brauchen wir für
Besuche, bei denen wir gerne Kontakte auffrischen, die wegen
unseres Lebens als Wassernomaden, das nun schon einige Zeit andauert, leider oft zu kurz kommen.
Der erste dieser Besuche galt in diesem Jahr der Stadt Solothurn,
wo Hansruedi seine Jugendzeit verbracht hatte. Anfangs November fand
dort das 59. Treffen seiner Maturaklasse statt (siehe dazu auch den
Beitrag vom November 2021). Mit dem begehrten Reifezeugnis im Sack,
begannen wir damals zuversichtlich eine vielversprechende akademische
Laufbahn. An diesen erhebenden Moment mit dem amtlich bestätigten Gefühl, dass
uns nun die
ganze Welt offen stand, erinnerten wir uns seither jeweils bei unserer
jährlichen Zusammenkunft im November. Nicht alle unsere Vorstellungen von
damals wurden später auch
wirklich wahr und hochfliegende Pläne erwiesen sich gelegentlich als nicht
realisierbar. Leider musste unsere im Laufe der Zeit ohnehin schon kräftig
reduzierte Gruppe auch in diesem
Jahr wieder neue, schmerzhafte Lücken hinnehmen. Ein Umstand, der auch mit
noch so zuverlässiger Organisation nicht zu ändern ist. Der Blick zurück
in der Zeit, über so viele Jahre, lässt so manches aus der Vergangenheit in
anderem Licht erscheinen. Auch wenn wir persönlich meinen, immer die selben
geblieben zu sein, müssen wir uns der Tatsache beugen, dass wir immer älter
werden, während die Welt ihren Weg unbeirrt weitergeht. Am
Klassentreffen vor 20 Jahren hatte Hansruedi diese Sicht in einem
Gedicht zusammengefasst und der Runde seiner Kameraden vorgestellt. In diesem Jahr
erschien sein damaliger Beitrag aktueller denn je. Darum soll er
hier auch
vorgestellt werden.
Trotzdem weckt jeder Besuch in Solothurn immer wieder ganz persönliche Erinnerungen, die
sich mit den entsprechenden Bildern lediglich andeuten lassen.
St.Ursen Kathedrale, Hauptgasse, Landhaus
Wochenmarkt am Samstag
Selbstverständlich besuchten wir auch in diesem Herbst Monika und Hans mit ihrem Chico in Luzern. Obschon wir sie bereits im August (siehe August 2022) auf ihrer Baba Jaga in Zwartsluis besucht hatten, bringt ein Erfahrungsaustausch nach der Saison für alle Vorteile. Trotzdem hat es in diesem Jahr für ein Foto der Stadt nicht gereicht. Offensichtlich war das Mittagessen zu gut und die Zeit verstrich zu schnell. Auf jeden Fall vielen Dank für die Gastfreundschaft!
Weitere Treffen mit Freunden aus längst vergangenen Zeiten, aus Jahren, die vor allem durch Studium und Militärdienst geprägt wurden, schlossen sich kurz danach in Zürich an. Für Matz hingegen ist Zürich die Heimatstadt und daher für sie voll von Erfahrungen, die zu Herzen gehen.
Matz traf sich daher wenige Tage später mit Freundinnen aus ihrer Studienzeit. Diesmal in Winterthur. Beinahe bei jedem Besuch in der Schweiz tauschen sie zu viert oder fünft bei einem ausgedehnten Treffen ihre Erfahrungen mit dem Leben als Lehrerinnen und ihren Mitmenschen aus.
In der zweiten Monatshälfte sind wir dann mit dem Flixbus nach München gefahren. Wir konnten dort den Besuch eines Konzertes der À-capella Gruppe MAYBEBOP vom letzten Jahr nachholen, der wegen der Corona-Massnahmen ausgefallen war, obschon er damals ganz in unserer Nähe (Strassburg) stattgefunden hätte. Die Busreise von Zürich nach München und zurück war äusserst komfortabel und in beiden Richtungen fast auf die Minute pünktlich. Und dazu erst noch erstaunlich günstig.
Auch München ist eine ausgesprochen gemütvolle Stadt und hätte eigentlich einen längeren Besuch verdient. Trotzdem möchten wir einige Impressionen hier anfügen, die vielleicht saisonbedingt in einem etwas speziellen Licht dastehen, aber durchaus das Leben darstellen, das die bayrische Hauptstadt besonders auszeichnet.
So war die Zeit, die uns in der Heimat verblieb sehr schnell vergangen und der Start ins Winterhalbjahr rückte rasch näher. Wenn wir hier darauf verzichten, für die nächsten Monate genauere Prognosen zu machen, tun wir das nicht aus werbetechnischen Gründen, sondern ganz einfach, weil wir selber kaum mehr wissen.
Da wir aber sicher den grössten Teil der Zeit im Süden Frankreichs und in Spanien verbringen werden, starteten wir unsere Reise mit dem Auto in Richtung Westen.
Für einen Besuch bei einem Kameraden aus der Zeit der Militärfliegerei
(siehe Oktober 2016) machten wir einen ersten Halt in der kleinen Zähringerstadt Murten.
Wir hatten sie schon erwähnt bei der Schilderung der
Untaten des Burgundischen Herzogs Karls dem Kühnen in
Dinant (siehe Juni 2022). Sein Untergang zeichnete sich
kurz danach bei
seiner zweiten Schlacht gegen die Eidgenossen ab. Im Jahre
1476 liess er während der Burgunderkriege sprichwörtlich seinen Mut in Murten liegen
(in Grandson das Gut, in Murten den Mut und in Nancy das Blut!). Nur
ein Jahr später bezahlte er dann in Nancy seine Untaten mit dem Leben.
Murten wurde in seiner heutigen Form im 12. Jh, genau so wie die
schweizerische Hauptstadt Bern, durch die Zähringer
gegründet. Kaum hundert Jahre später, nach dem
Aussterben der Gründerfamilie, wurden beide Städte reichsfrei. Um als kleine Stadt den Wirren der damaligen Zeit widerstehen
zu können,
wurde eine fast geschlossene Ringmauer mit markantem Wehrgang um
die Stadt herum gebaut. Diese spielte ohne Zweifel bei der
Verteidigung von Murten gegen den burgundischen Herzog eine
entscheidende Rolle.
Über Genf führte dann unser Weg weiter ins Zentralmassiv
und ins Departement Haute-Loire. Von hier an sollen einige markannte
Fixpunkte genügen, denen wir, oft auch eher zufällig, unterwegs
begegnet sind.
Ein Besuch bei Marie-Odile und Michel
durfte nicht fehlen, wenn wir schon wieder einmal in ihrer Gegend
unterwegs waren. Im Oktober 2018 (siehe dort!) hatte unser Besuch in
Saint-Martin-en-Haut mit
einer ganz besonderen Überraschung geendet: über Nacht waren ganz
unerwartet etwa 25 cm Schnee gefallen, was unsere Abfahrt mit dem kleinen Smart
am Morgen zu einem echten Abenteuer machte. Zu unserem Glück hatte dann
ein freundlicher Nachbar mit seinem Schneepflug eingegriffen. Dass die beiden in der
Zwischenzeit ihr Schiff verkauft und auf Reisen mit dem Campervan
umgestellt haben, tat unseren Gesprächen überhaupt keinen
Abbruch. Wir konnten die beiden Lebensweisen vergleichen und fanden
immer noch viele Gemeinsamkeiten, weil der Drang, die Welt zu sehen,
weiterlebt.
Der erste Fixpunkt, der uns erwähnenswert scheint, lag mit der Gemeinde Le Puy en Velay ganz unerwartet vor uns. Das Bild der Stadt wird geprägt durch verschiedenen alten Vulkankegeln, von denen einige alte Basaltpfropfen (puys) übrig geblieben sind. Ihr hartes Basaltgestein, das in den Schloten der Vulkane als Magma aufgestiegen war, widerstand der Erosion viel besser als der weichere Kalk der Umgebung. Auf einem der auffälligen Propfen steht heute eine Kapelle zu Ehren des St.Michel. Erstaunlich und unübersehbar. Allerdings hatten bereits die Römer die Herausforderung angenommen und auf der exponierten Spitze einen Tempel zu errichtet.
Unser Weg führte nur wenig später durch die Schlucht der Tarn, deren Wasser hier offensichtlich auch keine Mühe hatte, sich tief in den Boden einzugraben. Entstanden ist dabei eine Schlucht mit mächtigen Kalkfelsen zu beiden Seiten, die sich heute als Bühne für verschiedene Extremsportarten anbietet. Kletterenthusiasten, Anhänger des Canyonings und Bungee-Jumper finden hier genauso ihr Betätigungsfeld wie Kanufahrer oder ganz normale Naturfreunde und Camper. Mehrere Zeltplätze entlang des Flusses bieten ihnen ein echtes Eldorado. Sehr zur Freude der Anbieter, die während des Sommers offensichtlich so viel verdienen, dass die ganze Gegend es sich leisten kann, im Winter verlassen und friedlich da zu liegen.
Nur wenige Kilometer weiter und kurz nach Millau steht ein Autobahnviadukt buchstäblich quer in der Landschaft. Trotz seiner umwerfenden Eleganz hat der Viadukt von Millau einige technische Rekorde zu bieten. Mit knapp 2500 m Länge überquert er, die längste Schrägseilbrücke der Welt, die Tarn und das auf einer Höhe von bis zu 270 m!
Der längste Pfeiler ragt über 340 m in die Höhe und ist wohl an an schlichter Schönheit kaum zu überbieten.
Unser nächstes Ziel war Castelnaudary, wo wir, leicht südlich der Stadt, im Winter 2019/2020 (siehe dort!) während mehr als vier Monaten eine ehemalige Windmühle gehütet hatten. Diesmal hatte uns allerdings die Tatsache hierhergeführt, dass Helen und Dave, mit denen zusammen wir die letzten beiden Winter in Strassburg verbracht hatten, jetzt ihre Brontë für den Winter hier festgemacht hatten und auf ihr den Winter verbringen werden. Wir genossen zusammen einen gemütlichen Tag und besuchten unter anderem die Töpferei NOT, welche in reinster Handarbeit wohl den grössten Teil der originalen Cassoulet Gefässe herstellt, die in der Gegend fleissig verwendet werden. Ein Handwerk, wie es wohl kaum in ursprünglicherer Art in Europa betrieben wird.
Wenn Binnenschiffer zusammenstehen, kann der Kanal nicht weit sein.
Bei der Weiterfahrt am nächsten Tag kamen wir in der Nähe von Rennes-le-Château vorbei, wo Matz beinahe aus dem Auto gefallen wäre, so sehr hat der Eindruck, der ihr nach der Lektüre der Languedoc Trilogie von Kate Mosse geblieben ist, an ihr gezerrt. Da konnten wir nicht anders, als den kleinen Umweg in Kauf zu nehmen und zum Schloss hochzufahren.
Der Erfolg der Bücher hat offensichtlich eine ganze Anzahl englischer
Expats und Mosse-Verehrer angezogen und wohl darum hat der kleine Ort heute
etwas von einem Souvenierladen.
Trotzdem hat uns die Aussicht für den Umweg reichlich entschädigt.
Über eine kleine, oft stark gewundene Strasse fuhren wir weiter
gegen Süden und stiessen, erneut unvermittelt, auf einen touristischen
Leckerbissen. Tief hat sich hier der Fluss Agly in den
Kalkstein eingefressen und dabei die
Schluchten von Galamus (Gorges de Galamus) geschaffen.
Mit grossem Arbeitsaufwand ist hier eine beeindruckende Strasse in den
Fels gehauen worden, die auch für geübte Fahrer nicht immer
ganz einfach zu befahren ist. Die schroffen Abgründe könnten einen das
Fürchten lehren!
Etwas verloren in der Felswand befindet sich eine Einsiedelei, deren erste Spuren auf das 7. Jh zurückgehen.
Bei Perpignan hatten wir die Stadt zunächst umfahren und daraufhin in einem Autobahnhotel übernachtet. Der Küste entlang fuhren wir am nächsten Tag weiter Richtung Spanien. Bei der ersten richtigen Begegnung mit dem Meer in der letzten Französischen Stadt vor der Grenze machten wir in Banyuls-sur-Mer einen gemütlichen Kaffeehalt an der Promenade und fühlten uns dabei wie richtige Touristen. Dabei waren wir in der Masse recht gut aufgehoben.
Auf der eher kleinen Küstenstrasse fuhren wir dann über die Grenze in
Richtung der spanischen Stadt Cadaqués. Nach dem Grenzübergang, der
unspektakulär in der Vorbeifahrt an zwei verfallenden Zollgebäuden
bestand, machten wir auf der ersten Geländerippe Halt und schauten
zurück nach Frankreich, das Land, das uns in den letzten Jahren zu so
etwas wie Heimat geworden ist.
In der Ferne sahen wir noch die Randgebiete von Banyuls-sur-Mer, während
unsere Aufmerksamkeit sich nun nach vorne richtete, der untergehenden
Sonne entgegen.
Nach wenigen Kilometern zweigte ein kleine, gewundene Strasse nach links ab und führte hinaus auf eine kleine Halbinsel, an deren äusserstem Ende die Stadt Cadaqués liegt. Rechtzeitig fanden wir - Google sei Dank - noch ein Hotel, da diese zur vorgerückten Stunde eigentlich nicht mehr mit uns gerechnet hatten. Wir mischten uns erneut unter die vielen Gäste und genossen ein erstes Bier. Weil wir vom langen Tag recht müde waren, mochten wir nicht warten, bis die Restaurants nach spanischer Sitte nur wenig vor Halbzehn öffneten und genemigten uns nur eine Kleinigkeit in einer Bar.
Am nächsten Morgen fuhren wir von der Küste weg nach Figueres, der Geburtsstadt von Salvador Dali. Die Stadt ist offensichtlich stolz auf ihren Sohn und ehrt ihn noch heute mit einem auffälligen Museum und Souvenirs, wohin das Auge reicht.
Eigentlich hatten wir ursprünglich beabsichtigt, anlässlich unserer
Fahrt in den Süden auch zwei, drei Tage in Barcelona zu verbringen. Wir
waren beide, vor langer Zeit allerdings, schon ein paar Mal da und
wussten um den Charme dieser Stadt und ihre bedeutenden
Sehenswürdigkeiten. Aber beim Versuch, in der Stadt eine vernünftige
Unterkunft zu finden und dabei noch irgendwo das Auto zu parkieren,
mussten wir einsehen, dass dies nur mit unvernünftigem Aufwand zu
bewerkstelligen wäre. Darum haben wir kurzfristig beschlosen, eine
kleinere Inlandroute zu wählen.
Den Tag beendeten wir darum in Tarragona, erneut an der
Küste. Die Stadt strotzt vor Katalanischem Stolz und der Drang nach
Unabhängigkeit ist allüberall spürbar. Selber ist sie aber ganz
besonders stolz auf ihr römisches Erbe, von dem viel übrig geblieben
ist, seit die Römer um 200 v.CH die Gegend erobert und die Stadt Tarraco gegründet
hatten. Ihre Mauern gelten als die ältesten Römischen Bauwerke
ausserhalb Italiens. Am augenfälligsten ist allerdings das Amphitheater
aus dem 2. Jh, das 14'000 Zuschauern Platz bot.
Zu sehen gab es offenbar viel, wurden hier doch Gladiatoren- und Raubtierkämpfe aufgeführt, aber auch öffentliche Hinrichtungen gefeiert. Ebenfalls wurde mindestens ein Bischof mit seinem Gefolge bei lebendigem Leib verbrannt.
Erstmals haben wir wirklich gespürt, dass wir nun im Süden Europas waren. Wir wurden von reifen Orangen begrüsst.
Seit seinen ersten Tagen hat Tarragona vom Handel mit der ganzen, damals bekannten Welt gelebt. Auch heute noch macht der Hafen diese Weltoffenheit deutlich.
Wir fuhren weiter über kleinere Nebenstrassen, was etwas mehr Zeit braucht, aber einen mehr von der Landschaft sehen lässt.
Eine Tafel am Strassenrand machte uns darauf aufmerksam, dass wir bald den Null-Meridian kreuzen würden. Bei Valdealgorfa (Bajo Aragón) fanden wir einen Platz, der uns dies vor Augen führte. Natürlich mussten wir dem Beachtung schenken.
Vor vielen, vielen Jahren waren wir beide einmal beim Greenwich-Observatorium, das den Ursprungspunkt für den Meridian festlegt, der von dort über den Nordpol, auf der anderen Seite der Erde hinunter zum Südpol führt, bis er auf unserer Seite wieder nach Greenwich zurückfindet. Er teilt damit die Erde in eine westiche und eine östliche Hälfte, genau wie der Äquator, der das selbe für die nördliche und die südliche macht.
Hier zur Anschauung eine kleine Karte, die das veranschaulicht.
Weiter führte uns der Weg nach Alcañiz. Dort erwartete
uns wiederum ein Feuerwerk an maurischer Architektur.
Place de Espania, Rathaus
Beeindruckend war auch die Kathedrale, die mit reichhaltigen Strukturelementen aufwartete, die gelegentlich fast ornamental wirkten
Durch weite Ebenen, die allerdings zumeist auf einer Höhe um die 1000 m ü. M. lagen, fuhren wir danach gute anderthalb Stunden weiter Richtung Süden. Die Gegend war karg bewachsen, zumeist steinig und trocken. Schlussendlich kamen wir nach Teruel, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz.
Nach der Rückeroberung des Landes von den Mauren, der sogenannten Reconquista, die sich über einen Zeitraum von über 700 Jahren erstreckte, blieben viele Handwerker maurischer Herkunft zurück, die gut integriert waren und zusammen mit der reichen christlichen Oberschicht eine enge Zusammenarbeit anstrebten. Im Auftrag ihrer Arbeitgeber gaben die Mauren aus ihrem Kulturgut das Beste. Daraus enstand eine eigene Mischung der Stile, die unter dem Begriff Mudéjar-Architektur bekannt wurde und 1986 ins Inventar der UNESCO Kulturerben aufgenommen wurde.
Bekannt sind vor allem die drei Türme, die von wichtigen Familien im Wettstreit erbaut wurden, einzig um ihre Grösse zu betonen. Der berühmteste ist der El Salvador. In Wirklichkeit sind es zwei Türme, einer im anderen drin. Erbaut nach dem Vorbild eines Minarets der Almohaden (nordafrikanische Berber), das sich durch eine eigenartige, doppelwandige Struktur auszeichnet. Trotz ihrer Mächtigkeit lassen sie den Verkehr und damit das Leben untendurch ungehindert passieren.
Ebenso imposant ist die Kathedrale von Teruel.
Während ihre Aussenseite der Mudéjar Kunstrichtung entspricht, genauso wie die imposante und berühmte Holzdecke im Inneren, wirkt die christliche Gestaltung der Kirche so opulent wie nur irgendwie möglich.
Daneben kontrastieren einzelne Jugendstilbauten zum maurischen Einfluss.
Weil wir nicht immer die sehr späten Essenszeiten der Spanier am
Abend abwarten wollten, begnügten wir uns gelegentlich auch mit einem Glas Wein,
das zusammen mit etwas Pata Negra,
Käse und Brot, sowie ein paar Oliven ein köstliches Essen
ergab.
Am Sonntagabend wurde uns der Appetit allerdings abrupt verdorben.
Auf drei Grossbildschirmen wurde die gerade laufende
Corrida übertragen. Wir wissen, dass der
Stierkampf in Spanien als Kulturgut betrachtet wird. Aber
zuschauen zu müssen, wie der Stier auf hinterhältigste Weise malträtiert
und systematisch geschwächt wird, bevor sich der gefeierte Matador an
seine 'Heldenarbeit' getraut, ist für einen normal denkenden Menschen
unerträglich. Dabei folgt der hochbezahlte Schauspieler in äusserst
lächerlicher Macho-Manier, mit gestellten Posen und Grimassen einem
Ritual, das derart aus der Zeit gefallen ist, wie kaum etwas anderes.
Ein äusserst klägliches Mannsbild, das hier auf widerliche Art
gefeiert wird. Höchste Zeit, damit gemäss den international geltenden
Regeln zum Tierschutz aufzuhören!
Der glühendste Verfechter dieses Schauspiels - Ernest Hemingway,
Tod am Nachmittag - ist übrigens selber an seinem kranken Männlichkeitswahn
zerbrochen.
Damit ging unser erster Monat weg von unserem Schiff zu Ende. Wir
spürten die höhere Anforderung, welche das schnelle Reisen mit sich
bringt, ganz im Gegensatz zum Leben auf dem Schiff, das sich eben
gerade nur so schnell bewegt, dass auch das Gemüt mitreisen kann.
Wir sind gespannt, was der Rest des Winters für uns bereithalten wird.