April 2022 

Der neue Monat empfing uns seinem notorischen Ruf entsprechend. Im April macht das Wetter bekanntlich was es will. Pünktlich zum 1. April lag darum eine dünne Schneeschicht auf dem Schiff und es war entsprechend kalt.
Das dauerte aber nicht lang und mit dem schöneren Wetter begann auch für uns eine weitere Runde mit kratzen und schleifen, pinseln und rollen. Damit unsere Mizar danach wieder frisch und glänzend aussehen möge.

Bald wurde auch wieder das monatliche Treffen der aktuellen Hafenbewohner fällig. Diesmal im Restaurant Indiana, im ausgeprägt neuzeitlichen Quartier Danube. Zu dieser Umgebung passend, bestand unser Menue aus - zugegebenermassen vorzüglichen - Burgern! Die gesellige Runde war etwas eingeschränkt, weil so kurz vor der neuen Reisesaison einige unserer Freunde wegen Familienbesuchen abwesend waren.

Unsere unfreiwillig verspätete Abreise und die stetig wachsende Frühlingsstimmung veranlassten offensichtlich ein Blässhuhn-Pärchen, ausgerechnet auf unserem Ruder mit dem Bau seines Nestes anzufangen. Unablässig schleppten die Beiden Zweige herbei, die sie als Baumaterial als geeignet erachteten. Weniger geeignet war allerdings der Ort, denn jede kleine Welle spülte die geleistete Arbeit jeweils gleich wieder weg. Doch während Wochen liessen sich die zwei nicht entmutigen.

Auch andere Vögel waren mit der gleichen Absicht unterwegs. Eine Stockentendame hatte, unseren Abwehrmassnahmen zum Trotz, eine unserer Blumenkisten eingehend auf ihre Eignung geprüft. Mit den Spuren ihrer schmutzigen Füsse hat sie sich allerdings verraten. Schon zwei Mal (siehe März/Mai 2013 und April 2014) hatte unser 'Garten' als Aufzuchtstation gedient. Jedes Mal brachte das an sich erfreuliche Ereignis auf längere Sicht allerdings ein enttäuschendes Resultat. Darum versuchen wir seither, wegen der ungünstigen Aussichten, ähnlich gelagerte Versuche mit sanften Mitteln abzuwehren.

  

Einen Tag vor ihrer Abreise mit der Wavuvi hatten uns Christine und Hartwig zu einer Bayerischen Brotzeit eingeladen. Zur Mittagszeit gab es dabei Münchner Weisswürste mit Brezeln und Bier. Eine zumeist fröhliche Runde, wobei die Stimmung in der Tiefe doch spürbar getrübt war durch das Wissen, dass Hartwig nur Tage zuvor einen sehr schlechten Bericht von seinem Arzt bekommen hatte. Dass wir unter diesen Umständen trotzdem offen und in echter Freundschaft miteinander umgehen konnten, das zeigt doch, dass sich unter uns Flussnomaden in oft recht kurzer Zeit Freundschaften entwickeln können, die besser tragen, als manche, die mehr Zeit gehabt hätten, verlässliche Wurzeln zu schlagen. Schliesslich erleben wir alle, jeden Tag erneut, dass alles fliesst. Unser ur-eigenes Panta rhei.

  

Am Tag darauf, es war Karfreitag, verabschiedeten wir gemeinsam die Wavuvi und ihre Bewohner für ihre Reise. Sie hatten sich ein fernes Ziel gesteckt und machten sich mutig auf den Weg nach Marseille.
Und Hartwig hatte das Steuer fest in der Hand.

  

Von Herzen wünschten wir alle ihnen eine gute Fahrt.

  

 Die schöne Abendstimmung machte wohl manche etwas nachdenklicher als sonst.

Am nächsten Tag verbrachten wir viel Zeit mit dem Färben der Ostereier. Eine der jährlich wiederkehrenden Traditionen auf unserem Schiff.

  

Eine gute Woche später versammelten wir uns erneut bei schönstem Wetter, diesmal auf der l'Éscapade, und plauderten über unsere Reisepläne. Neu zu uns gestossen waren Amanda und Peter aus Australien mit ihrer Le Piglet.

Peter, ein gewiefter Zeichner, ist es gewohnt, seine spontanen Eindrücke blitzschnell auf jedem Zettel festzuhalten, der gerade zur Verfügung steht.

Weil am 25. April im Canal Marne au Rhin die zuvor geschlossene Schleuse 51 ihren Betrieb wieder aufnehmen sollte, rückte auch für uns der Tag der Abreise näher. Darum haben wir uns entschlossen, unser Auto rechtzeitig in die Schweiz zu verschieben. Eine Schiffsreise mit einem Auto im Schlepptau ist kompliziert. Es wäre denn, man könnte es direkt auf dem Schiff mitführen.

Für Matz war ein erneuter Aufenthalt in Zürich natürlich ein erfreuliches Erlebnis und sie wurde entsprechend empfangen.

  

Auch diesmal zeigte sich die Stadt von ihrer schönsten Seite. Für Eingeweihte nicht verwunderlich, stand doch am folgenden Wochenende das Sechseläuten auf dem Programm. Ein Fest der Zünfte, das jeden Zürcher verzaubert, aber für Aussenstehende manchmal nicht einfach zu verstehen ist.

Wie schon fast üblich, besuchten wir bei unserer Reise in die Schweiz auch unsere Schifferfreunde Monika und Hans, die normalerweise mit ihrer Baba Jaga unterwegs sind (siehe auch November 2021), um diese Jahreszeit jedoch häufig in ihrem Haus in Luzern wohnen.

Natürlich konnten wir bei diesem schönen Wetter der Versuchung nicht widerstehen und fuhren mit einem Kursschiff von Luzern quer über den Vierwaldstättersee an den Fuss des Bürgenstocks, wo ein etwas verfrühtes, aber ausgezeichnetes Nachtesssen auf uns wartete.
(Vielen Dank unseren Gastgebern für die Organisation und die tolle Einladung!)

Mit Blick auf Pilatus und Rigi ...

  

... sowie zurück auf Luzern.
Warum sollte man bei solchen Aussichten auch in die Ferne schweifen wollen?

Zwei Mal besuchten wir auch Tochter und Schwiegersohn mit ihrer Familie.

Unsere Rückreise erfolgte mit dem Flixbus, der uns auf entspannte Art von Zürich direkt nach Strassburg brachte.

Dort war bereits alles im Aufbruch. Die Constanta war schon weg, die l'Éscapade und die Brontë waren am Abfahren und wir würden wohl die nächsten sein.

  

Ein gewisser Abstand zwischen den grösseren Schiffen schien angezeigt, wollten wir uns nicht ständig an den geeigneten Liegeplätzen in die Quere kommen.
Doch dann kam auch für uns der grosse Moment des Abschieds. Ein kurzes Adieu auf dem Ponton und dann noch ein Gruss bei der Vorbeifahrt.

  

Und so verabschiedete uns Ernie von seiner Come what may aus.
(vielen Dank für das Bild)

Ein Blick auf die russisch orthodoxe Kirche, die wohl auch schon freundlichere Gesichter gesehen hat als gerade in diesen Tagen. Und ein ebensolcher bei der Vorbeifahrt am Sitz des Europäischen Parlaments, dessen Mitglieder ganz bestimmt auch schon ruhigere Zeiten erlebt haben.

  

Und trotzdem soll es ein erfreulicher und erfolgreicher Start in die neue Saison sein.
Mit gutem Ergebnis!

Wir waren nicht die einzigen auf dem Wasser und darum es hat uns weh getan, das friedliche Beisammensein dieser Youngster stören zu müssen. Dabei war es interessant zu sehen, dass nur die Jungvögel, jene mit noch leicht braunem Gefieder, die Flucht ergriffen, während die Alten das Schiff ohne Furcht an sich vorbeiziehen liessen.

  

Bei der Schleuse 41 trafen wir auf alte Bekannte: Maria und Mende mit ihrer Constanta.

Unsere Fahrt in diesem Monat beschränkte sich auf das Teilstück des Canal de la Marne au Rhin von Strassburg bis nach Saverne.
Das war nun wirklich nichts neues, hatten wir diese Strecke doch bereits im Mai des letzten Jahres (siehe Mai 2021) in der selben Richtung und im September/Oktober (siehe diese Monate 2021) in der Gegenrichtung befahren. Erneut übernachteten wir zunächst in Brumath, danach in Dettwiller und erreichten Saverne (siehe auch Mai 2021) gegen Mittag des dritten Tages.

     

Trotzdem genossen wir die Fahrt in den Frühling und liessen uns Zeit. Wir bewunderten die weite Landschaft und die frischen Grüntöne, hörten vielfach die Nachtigall singen und den Zilpzalp rufen, während die Störche zumeist hinter den Traktoren auf den Äckern einherschritten und nach Futter suchten. Wie schön die Welt doch sein kann!

 

Gelegentlich empfanden wir aber so etwas wie ein schlechtes Gewissen, weil es uns so gut ging, während andere, ohne selber etwas dagegen tun zu können, in grösster Not und Lebensgefahr ihren Weg durchs Leben suchen mussten. Es war eine verrückte Zeit in der wir gerade lebten und die Not auf dieser Welt schien schon lange nicht mehr so gross gewesen zu sein. Es waren verrückte Leute, die einen neuen Krieg angezettelt hatten, der alle anderen Kriege, die zwar auch kaum weniger verrückt waren, in den Hintergrund hat treten lassen. Unvorstellbar waren die Folgen an menschlichem Leid und an materiellem Schaden. Kaum abschätzbar, was dies alles für die bereits notleidenden Leute in der weiten Welt bedeuten würde. Gediehen sind nur Angst, Hass und Misstrauen.

Es waren bestimmt keine einfachen Probleme, mit denen sich die Politiker in aller Welt auseinander zu setzen hatten. Während die einen, zumeist auf der traditionell linken Seite des politischen Spektrums, die sich seit Jahren abzeichnende Gefahr nicht hatten sehen wollen, sich jetzt aus reinem Parteikalkül aus der Schusslinie zu nehmen versuchten, taten jene auf der anderen Seite genau das selbe auf Grund ihrer politischen Weltanschauung aus längst vergangenen Zeiten. Und das in sämtlichen westlichen Ländern. Wegen einer hirnverbrannten und plumpen Drohung mit dem atomaren Weltkrieg, erstarrten sie vor Angst, suchten Ausreden und billige Wege, um ja den eigenen Wohlstand nicht zu gefährden. In der selben Zeit wuchsen andere aus einer aussichtslos scheinenden Lage unter schwierigsten Bedingungen zur Höchstform auf und erreichten mit Mut und Entschlusskraft Erfolge, die ihnen zuvor niemand zugetraut hätte.
Nach zwei Monaten schienen die ersten allmählich zu lernen, dass weiteres Nichtstun eine klare Niederlage zur Folge hätte, weil die verantwortungslose Drohung ständig wuchs, die plumpen Lügen immer unverschämter und die Brutalitäten immer gröber wurden. Nach anfänglicher Weigerung wuchs darum fast in allen Ländern allmählich die Überzeugung, dass substanzielle Hilfe für die Ukraine not tat. Und diese zeigte auch bald Wirkung.
Immerhin fand der angereiste UNO-Generalsekretär, der sonst nur unverbindliche Worthülsen von sich gibt, gegenüber dem Aggressor so deutliche Worte, wie man sie noch nie zuvor von ihm gehört hatte.

Es bleibt uns nur zu hoffen, dass die einen noch rechtzeitig von den anderen lernen werden.
Etwas Hoffnung bleibt also doch noch.

Monat April 2022:
11 h 35'
- 20 Schleusen
- 47 km

- 1 Drehbrücke


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