April 2021 |
Viel Neues gibt es eigentlich nicht zu berichten in diesem Monat.
Ein ständiges Auf und Ab der Corona-Geschichte beherrschte unser Leben
während der ersten Frühlingstage. Aber daran hatten wir uns schon
gewöhnt. Am Anfang war das Wetter vorwiegend schön und die Temperaturen
während des Tages angenehm. Gelegentlich fast rekordverdächtig
warm. Die zweite Monatshälfte zeigte sich dann aber wieder winterlich.
Ab und zu schneite es sogar leicht und am Morgen war jeweils das ganze Schiff mit einer spiegelnden Eisschicht überzogen.
Am 1. April erfolgte unsere Heizöllieferung. Während des Winters hatten
wir sorgfältig die schwindende Reserve im Tank beobachtet und uns Gedanken
gemacht, wie der Nachschub wohl am einfachsten zu
bewerkstelligen sei. Immerhin liegt unser Ponton recht weit vom Ufer weg. Zwischen
uns und diesem liegen knapp 10m Wasser und eine grosse Péniche, die
ganzjährig bewohnt ist. Zusätzlich ist
das Ufer recht steil und wird oben durch einen massiven Zaun begrenzt.
Auf dessen Aussenseite liegt ein Fussweg und - etwas höher - ein
doppelter Radweg. Auf der daran angrenzenden Strasse, die während des Tages starken
Autoverkehr zu bewältigen hat, gilt auf unserem Teilstück ein Anhalteverbot. Wo, um Himmels Willen, sollte
da der Tankwagen anhalten?
Unsere letzte Füllung hatten wir im März 2016 in Leer (siehe dort)
getätigt. Wir waren schon damals erfreut, dass der Umbau der Mizar, den wir im Jahr zuvor
vollendet hatten und die
dabei installierte bessere Isolation uns nun ein angenehmes Wohnen während der kalten
Jahreszeit ermöglichten. Zwei Jahre später hatten wir in Gent (siehe Mai
2018) noch einmal 400 Liter zugekauft. Dass wir jetzt mit 1000 Litern
unseren Tank wieder füllen konnten, zeigt uns, dass wir doch recht
haushälterisch heizen.
Nach etwas Schieben von Hand und sanfter Führung an einer langen Leine ging
unsere Mizar bei der grossen Péniche fast von alleine längsseits. Ganz ohne Motor. Der
Chauffeur des Tankwagens, knifflige Situationen offensichtlich mehr
gewohnt als wir, stellte auf dem Radweg zwei rot-weisse Pylonen auf und
legte effizient, aber ohne jede Hektik, den langen Schlauch durchs Tor,
über einen Steg zur Péniche und quer über diese auf unser Deck. Dort füllte
er unseren Tank, als würde es
solches jeden Tag tun. Tatsächlich war es jedoch, wie er selber
beiläufig bemerkte, das erste Schiff, das
er in seiner Karriere belieferte. Nach zwanzig Minuten war uns eine
beheizte
Stube für mindestens weitere drei Jahre garantiert.
Am ersten Wochenende war Ostern. Treue Leser wissen, dass
uns dieses Fest heilig ist. Heilig ist uns allerdings nur die Tradition. Kindheitserinnerungen sind
damit verbunden und der offenbar unausweichliche Konsum hält sich, im Vergleich zu Weihnachten,
in Grenzen. Dass bis am Schluss in unserer Nachbarschaft trotzdem etwas übertrieben wurde, das haben
wir uns selber zuzuschreiben: wir hatten unseren vier englischsprechenden
Schifferpaaren von unserem Besuch in der Schweiz je einen traditionellen Osterhasen mitgebracht.
Gross und aus bester Schweizer Schokolade.
Danach haben wir uns, wie jedes Jahr, Kräuter gesucht, um Eier zu
färben. Leider konnten wir nirgendwo solche mit weisser Schale finden, was das Färben nicht
gerade erleichterte. Trotzdem waren wir mit dem Ergebnis zufrieden und
einem friedlichen Osterfest stand nichts mehr im Weg.
Natürlich richteten wir für uns auch ein echtes Osternestchen mit unserem Lieblingshasen, dem wir seit Jahren treu bleiben und einigen selber gefärbten Eiern.
Die 'aufgeschreckten' Nachbarn reagierten prompt. Zwei Goldhasen standen
am Morgen vor unserer Türe und wir wunderten uns über die unglaubliche Vermehrung
der Osterhasen
bis zum nächsten Tag.
Sprichwörtlich wie die Karnickel!
Dazwischen machten wir weiterhin unsere Spaziergänge in der Umgebung. Diesmal wieder einmal dem Wasser entlang zum Gebäude des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die zwei Hälften sollen angeblich die zwei Waagschalen darstellen, die seit jeher für die angestrebte Ausgewogenheit des Rechts stehen. Trotzdem hat man als Bürger immer wieder das Gefühl, dass in Rechtsfragen öfters einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Dass hier die beiden Waagschalen etwas ungleich wirken, ist darum vielleicht nicht reiner Zufall. Auf der gegenüberliegenden Seite liegen die monumentalen Bauten des Europaparlaments, die durch eine Passerelle mit jenen des Europarates verbunden sind. Alle wirkten frühlingshaft herausgeputzt und schienen wortwörtlich aufzublühen.
Die Corona-Situation zeigte sich während dieser Zeit vor allem in Frankreich und in Deutschland eher schwierig. Beide Länder verfügten längerfristig strenge Massnahmen, schlossen alle Restaurants und sämtliche Läden, die nicht dem täglichen Bedarf dienten. Ebenso schränkten sie massiv die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit ein. Während die amtlichen Beschlüsse der französischen Behörden zumeist in schwer lesbarer Form und etwas interpretationsbedürftig publiziert wurden, behielten sie immerhin jeweils für einen Monat unverändert ihre Gültigkeit. Deutschland hingegen veröffentlichte detailliert klare Regeln, deren Einzelheiten aber wöchentlich der (politischen) Wetterlage angepasst wurden. So war die Situation kaum mehr überschaubar. Verbreitet herrschte Furcht vor der sogenannten 'Dritten Welle', die vor allem den neuen Virusvarianten angelastet wurde. Hatte man zuerst vor allem die Mutanten aus England und Südafrika im Blick, kamen später solche aus Brasilien und Indien dazu. Die Verwirrung über die gerechte Verteilung der vorhandenen Impfdosen und die tatsächliche Schutzwirkung der Impfung selber, blieb unvermindert bestehen. Auch war offenbar kein Verlass auf die von den Produzenten versprochenen Mengen des wertvollen Substrats. Regierungen, die sich im internationalen Impfwettstreit nicht anders zu helfen wussten, vergassen ihre politische Zurückhaltung und suchten in der Not Hilfe in Russland und China. Diese liessen sich in der aktuellen, kritischen Weltlage nicht zweimal bitten. Kaum Beachtung fand beim ganzen Durcheinander jedoch die Tatsache, dass die meisten der Drittwelt-Länder bisher überhaupt kein Impfmaterial bekommen hatten. Weniger begüterte Staaten hatten also das Nachsehen und den Rest besorgte bereitwillig die Korruption, die überall zu Hause ist.
Daraus ergab sich, dass wir uns (vorläufig) bis
zum 3. Mai lediglich innerhalb eines Kreises mit dem Radius von 10 km um
unseren momentanen Standpunkt bewegen durften.
Ein etwas gar kleiner Raum für eine Schiffsreise! Und nach Deutschland
hätten wir ohnehin nicht einreisen können, ohne dort gleich mit einer
Quarantäne belegt zu werden.
Vielleicht aber würde sich zwischendurch wenigstens eine Möglichkeit ergeben,
dass wir zwei in der Schweiz einen Impftermin bekommen. Aber allein die
Tatsache, dass wir Impfgruppen mit unterschiedlicher Priorität angehörten,
machte diesen Wunsch zur Illusion. Als dann
gegen Ende des Monats - nicht sehr überraschend - mitgeteilt wurde, dass
schon wieder nur ein Bruchteil
der angekündigten Impfungen geliefert würde, musste ein Grossteil der
bereits vergebenen Termine gar wieder zurückgenommen werden.
Wir bereiteten uns darum auf eine längere Wartezeit vor.
Weil die nähere Zukunft für unsere zum Nichtstun verurteilte
Schicksalsgemeinschaft immer noch sehr ungewiss war,
bekämpften wir die
Enttäuschung einfach mit
etwas vermehrtem Aufwand beim wöchentlichen Aperitif.
(natürlich immer mit Schutzmassnahmen!)
Den düsteren Prognosen zum Trotz trafen wir trotzdem nach und nach Vorbereitungen für eine, immerhin denkbare, spätere Abreise. Aufräum- und Putzarbeiten beschäftigten uns zwischendurch, kleinere Malarbeiten erledigten wir während den Tagen mit schönem Wetter. Alles immer schön dosiert, denn grundsätzlich waren Arbeiten mit Schleifpapier und Farbe im Hafen vertraglich verboten.
Andere (hier Dave von der Brontë) waren in dieser Hinsicht sehr viel konsequenter.
Auch fern der Heimat blutete das Herz von Matz natürlich sehr wegen dem
abgesagten Sechseläuten in Zürich und der damit
verbundenen Reise des Böögs ins Exil in die Schöllenenschlucht. Aber
auch dort konnte er seinem Schicksal nicht entfliehen.
Den heiligen Moment des knalligen Untergangs des Schneemannes verfolgte
Matz natürlich zeitgleich am Fernsehen.
Damit war es für überzeugte Zürcher offiziell bestätigt: der Frühling konnte kommen und der Sommer wird schön werden.
Am 23. April wurde durch die französische Regierung mitgeteilt, dass ab dem 3. Mai, wie vor Monatsfrist bereits angekündigt, die Reisebeschränkung von 10 km um den Wohnort aufgehoben würde. Damit werden auch wir uns wieder bewegen können. Aber wir werden sicher nicht die einzigen sein, die auf diesen befreienden Moment warten. Darum gilt es, die Situation betreffend der vorhandenen Liegeplätze auf unserer Reiseroute gründlich zu prüfen, denn es werden viele Schiffe unterwegs sein und der Grenzübertritt Richtung Deutschland wird für uns auch nach dieser Zeit wohl immer noch nicht möglich sein.
So sind wir zuversichtlich, dass die lange Serie der Berichte über unsere unfreiwillige Sesshaftigkeit mit dieser Ausgabe ihr Ende findet und wir ab dem nächsten Monat wieder über unsere Reise mit der Mizar berichten können. Zwar werden wir sicher nicht so unbeschwert unterwegs sein können, wie wir das aus früheren Zeiten kennen, aber immerhin!
Endlich wieder: Leinen los!