Februar 2021 |
Hätten wir uns im letzten Monat wirklich ernsthaft mehr Freiheiten
erhofft, wären diese Hoffnungen durch den aktuellen Verlauf der
Pandemiegeschichte schnell enttäuscht worden. Dass Viren mutieren ist
normal und war zu erwarten. Die neuen
Mutanten des Coronavirus schienen aber ansteckender zu sein als ihre Stammform und beunruhigten damit
die Leute, welche über die zu treffenden Massnahmen entscheiden
mussten. In der übrigen Bevölkerung zeigten sich zunehmend
Ermüdungserscheinungen. Zum Teil, weil das Vertrauen in die Richtigkeit der
Schutzprogramme verloren gegangen war und zum andern Teil, weil immer
mehr ernsthafte Probleme sichtbar wurden, die mit Kurzarbeit
und Schliessung von Schulen und Betrieben zusammenhingen. Die schnell
gesprochenen Hilfsgelder trieben zwar zuverlässig die Schulden in die
Höhe, erreichten aber nicht zuverlässig jene, die sie dringend benötigt
hätten. Das blieb
auch den zuständigen Politikern nicht verborgen und verunsicherte sie
zusätzlich. So wurden die angeordneten Massnahmen immer strenger und
gutgemeinte, lockernde Ausnahmen wirkten willkürlich. Das wiederum
sorgte für noch mehr Misstrauen. Die Infektionszahlen, die durch ganz
verschiedene Testmethoden festgestellt und ebenso unterschiedlich
bewertet wurden, gingen während dieser Zeit fast überall zurück. Ihr
Diagnosewert blieb weiterhin umstritten. Der
Fortschritt wurde durch die Furcht vor den neuen Mutanten aufgefressen.
Das machte die Aussichten
auf die kommenden Monate auch nicht besser.
Obschon Wissenschaftler, verteilt über die ganze Welt, in Rekordzeit für wirksame Impfstoffe
gesorgt hatten, liefen die sehnlichst erwarteten Impfkampagnen in der
Schweiz, genau gleich wie in der EU, aus unterschiedlichen Gründen nur sehr schleppend an. Die Behörden wirkten
überfordert.
Für einmal konfrontiert mit einem echten Problem, das in
kürzester Zeit nach einer Lösung verlangt hätte, waren sie in Schwierigkeiten geraten. Was gut angefangen hatte, drohte
jetzt zu scheitern. Wachsende Kritik wurde vorschnell in die
Schmuddelecke der Verschwörungstheorien verwiesen und damit
disqualifiziert. Diskussionen, die der Lösungsfindung hätten dienen
sollen, wurden durch Gereitztheit auf beiden Seiten erwert.
Dieser Frust war noch ansteckender als die Viren selber.
Am Anfang des Monats regnete es während einigen Tagen fast ununterbrochen. Wir trösteten uns in dieser Zeit mit Erinnerungen an den akuten Wassermangel während des letzten Sommers, der die Schifffahrt in Frankreich stark behindert und über weite Strecken gar verunmöglicht hatte. Damit ertrugen wir die trübe Zeit viel leichter und konnten dem schlechten Wetter sogar eine gute Seite abgewinnen. Immerhin wuchs dabei die Hoffnung, es könnte diesmal den ganzen Sommer hindurch in allen Kanälen wieder genügend Wasser haben.
Ein kurzer Spaziergang in die Stadt bestätigte unser Gefühl. An vielen Stellen überstieg das Wasser die üblichen Randsteine. Da wir fürs Wetter nicht verantwortlich sind, konnten wir nur hoffen, dass die Leute ihre Keller wasserdicht gebaut hatten.
Bei halbwegs schönem Wetter besuchten wir auch den Rhein, auf dem wir im
letzten Herbst so gemütlich zu Tal getuckert waren. Der war jetzt, bei hohem
Wasserstand, zum Leben erwacht und beförderte unglaubliche Wassermassen
mit schneller Strömung von den Alpen Richtung Meer. Wie waren wir froh,
unser Schiff im sicheren Hafen fest vertäut zu wissen.
Auf beiden Seiten seines Bettes trat der Fluss mehr als zehn Meter über
die normale Uferlinie und erforderte von den Besuchern einige
Anpassungen.
Die heftige Regenperiode wurde durch eine Phase mit starker Südwestströmung
abgelöst. Während dieser Zeit färbte sich der Himmel gelegentlich
orangerot, weil mit dem Wind offenbar auch sehr viel Saharastaub Richtung Europa
verfrachtet wurde. Das ist an sich nicht unüblich, aber die Menge
rötlicher Staub, der sich überall ablagerte und in Ecken und
Ritzen ansammelte, war schon aussergewöhnlich.
Bei den weissen Schiffen sah das aus wie fortgeschrittener Rostfrass.
Ein Alarmsignal für jeden Besitzer, das äusserst unangenehme Gefühle
auslöst.
Zu allem Überfluss liess sich diese Verschmutzung nur schlecht wegwaschen
und verursachte so ausgiebige Putzarbeiten.
Kurz danach fiel die Temperatur schnell und deutlich. Während des Tages
erreichte sie kaum mehr Werte über dem Gefrierpunkt und sank im Laufe
der Nacht weit darunter. Dazu legte sich eine
beachtliche Schneedecke über unseren Hafen. Bald zeigten sich erste
gefrorene Stellen auf dem Wasser, als ob es sich dieses überlegte, eine schützende Eisdecke überzuziehen.
Das alles verlangsamte das Leben nachhaltig. Wir richteten uns in
unserer kleinen Wohnung gemütlich ein und benutzten das (unbeheizte)
Steuerhaus nur noch als Ausguck.
Wenn immer uns die Zeit etwas gar mager vorkam, erinnerten wir uns
gerne zurück an vergangene Tage, die nicht genügend Stunden hatten, all das
Erlebte auch wirklich zu verarbeiten.
Wir waren dabei bei weitem nicht die einzigen, die es vorzogen, bei diesem
Wetter zu Hause zu bleiben. So stellte sich die von den Covid-Hütern
so nachdrücklich gewünsche
Situation fast von alleine ein:
Restez chez vous!
Zum Trost kauften wir uns in der Stadt einen Gugelhopf, die
berühmte Spezialität der Region, und zur
Feier des Tages ein paar rote Rosen! (Titelbild)
Für uns war es ja der erste Winter, den wir (z.T. auch Corona bedingt) ohne Unterbruch auf unserem Schiff verbrachten. Bisher hatten wir jeweils die Gelegenheit benutzt, das Schiff winterfest gemacht und sind in etwas wärmere Gefilde gefahren. Jetzt waren wir zufrieden, dass wir - abgesehen von ein paar kleinen Anpassungen - unser Leben hier gemütlich weiterführen konnten.
Nach der Mitte des Monats waren die struben Zeiten plötzlich wieder
vorbei und die Temperatur stieg innerhalb von zwei Tagen auf frühlingshafte
Werte.
Trotz aller Unwägbarkeiten begannen wir, unser Programm für den
kommenden Sommer
genauer zu planen.
Am Anfang würde unsere Reise uns auf dem Canal de la
Marne-au-Rhin zunächst nach Saverne
bringen und von dort dann weiter, quer durch die nördlichen Ausläufer
der Vogesen. Also nutzten wir
das schöne Wetter, uns dieses erste Teilstück einmal anzuschauen. Dass die Sonne
nur schüchtern
und etwas unsicher zu scheinen wagte, sieht
man am immer noch gefrorenen Kanal.
Kurz nach Saverne liegt ein beeindruckendes Schiffshebewerk, das sich als
Plan incliné de Saint-Louis-Arzviller einen Namen
gemacht hat. Es hebt Schiffe von bis zu 350 Tonnen über eine Talstufe von 45
Meter in die Höhe. Eingeweiht wurde dieses Bauwerk im Jahr 1969. Damit
teilt es sein
etwas ernüchterndes Schicksal mit anderen gewaltigen Schifffahrts-Einrichtungen, wie dem
Schräglift von Ronquières (siehe September 2013), der 1968
erbaut worden war und dem Schiffslift von Strépy-Thieu
(siehe September 2013), der gar erst 2002 in Betrieb genommen wurde.
Alle drei wurden zu ihrer Zeit erbaut, dem wachsenden Gütertransport auf dem Wasser eine erfolgreiche Zukunft zu
sichern. Für
sie alle hätte aber die Bemerkung von Michail Gorbatschow (Wer zu spät
kommt, den bestraft das Leben) ebenso ihre Richtigkeit gehabt, wie
damals für die Regierung der DDR, deren Schicksal sie so überraschend
wie endgültig besiegelte. Denn ab der Mitte der 70er Jahre ging
es mit dem Schiffsverkehr auf den Kanälen nur noch bergab. Und zwar
rassig! Zu gross war
die Konkurrenz durch die grossen Lastwagen auf den Autobahnen. Schiffe mit
Freycinet-Massen (40m x 5m, 350 T) waren zu klein und unter diesen Umständen nicht mehr wettbewerbsfähig. Die 12 bis 17
Schleusen, die damals mit jedem der Monsterbauten umfahren wurden, würden
heute den
Nostalgieverkehr der Freizeitschiffer nur noch attraktiver machen.
Wenn alles gut läuft, werden wir uns hier im April mit unserer Mizar in die Höhe
hissen lassen.
Auf dem Rückweg besuchten wir den Hafen von Saverne. Vorsorglich, denn er könnte vielleicht für uns einmal als Überwinterungshafen in Frage kommen.
Ganz unvermittelt trafen wir dort auf die Wietske, eine Tjalk, der wir während unserem Leben auf der Mizar schon mehrfach begegnet sind.
Da konnten ja die Besitzer, Madeleine und Joseph, langjährige
Flussnomaden wie wir, nicht weit sein. So
dauerte es auch nicht lange, bis wir uns unvermittelt gegenüberstanden. Ein
zufällige, aber nicht ganz aussergewöhnliche Begegnung in solch
schiffiger Umgebung.
In der Zwischenzeit waren bereits wieder Wolken aufgekommen und so
folgten wir gerne der Einladung zu einem Kaffee auf
der Wietske. Eine wertvolle Erfahrung, die wir besonders in Coronazeiten
zu schätzen wussten, wo man sonst kaum
Gelegenheit fand, mit jemandem für einen gemütlichen Schwatz zusammenzusitzen.
Vielen Dank!
Die letzten Tage des Monats brachten uns einen Vorgeschmack auf den
Frühling. Plötzlich war das Wetter schön und während des Tages angenehm
warm. Die guten Aussichten blieben auf Tage hinaus konstant. Wir begannen mit
den üblichen kleinen Flickarbeiten am Schiff, machten zwischendurch aber einen
kurzen Ausfug nach Colmar.
Mit rund 70'000 Einwohnern ist Colmar die drittgrösste Stadt im Elsass
(hinter Strassburg und Mülhausen), braucht allerdings den Vergleich mit
diesen
nicht zu scheuen. Eine bewegte Geschichte, althergebrachte
Handwerkskultur und mehrfach wechselnde Besitzverhältnisse widerspiegeln
sich in einem bunten und belebten Stadtbild, das von typischen
elsässischen Riegelbauten geprägt wird.
Unser Besuch stand unter dem Einfluss der Coronabedingungen, mit ihren
bekannten Konsequenzen. Trotzdem möchten wir jetzt schon einige, eher zufällige
Eindrücke festhalten.
Wir werden bestimmt noch einmal hierher zurückkommen, wenn die Stadt
wieder ihr normales Leben führen kann.
Rue des Marchands, Stiftskirche St.Martin, Geburtshaus von Auguste Bartholdi, dem Erbauer der Freiheitsstatue in New York, Blick auf das Pfisterhaus
Place de l'ancienne Douane, das 'kleinste Haus' der Stadt
Maison des Têtes, Markthalle mit 'Essen' am Mittag,
Frühling!
Alles in allem, keine herausragenden Erlebnisse in diesem Monat!
Trotzdem hielt er uns immer auf Trab. Wir suchten fleissig in der
fortwährenden Nachrichtenkakophonie nach jenen Meldungen, welche im
Detail über unsere Pläne in den kommenden Wochen entscheiden könnten.
Immerhin hatten wir im Sinn, wieder einmal für ein paar Tage in die
Schweiz zu fahren und dort unsere Familie zu besuchen. Es wäre auch gut,
wenn wir uns bei dieser Gelegenheit gegen die störende Krankheit impfen
lassen könnten. Leicht absehbar, dass wir ohne diesen Schritt künftig
zusätzliche Einschränkungen würden in Kauf nehmen müssen.
Sicher ist nichts, unsicher ist alles!