Januar 2021  

Das neue Jahr begannen wir mit neuer Energie, mit Plänen für unsere Weiterreise und mit viel Zuversicht.
So oder ähnlich würde ein Bericht zum Jahreswechsel normalerweise lauten. Doch was war in diesem Jahr  überhaupt noch normal?

Mit unseren Nachbarn im Hafen hatten wir für Weihnachten ein gemeinsames Essen vereinbart. Kanadier und Amerikaner sind sich etwas andere Weihnachtsbräuche gewohnt als wir. Ruhe und Besinnlichkeit sind weniger gefragt, umso wichtiger ist für sie die Geselligkeit. Weil die Covid-Zahlen gegen die Feiertage hin wieder zu steigen begannen und darum die Restriktionen strenger wurden, haben wir beschlossen vernünftig zu sein und das Dinner abgesagt. Der Aufenthalt von sechs oder acht Leuten während mehrerer Stunden in einem doch nicht allzu geräumigen Schiff wäre wohl nicht besonders klug gewesen. Am Silversterabend wünschten wir uns auf ruhige Art, mit sicherem Abstand, von Schiff zu Schiff ein besseres Jahr als das vergangene. Einzig etwas weiter weg gab es Leute, die hatten offensichtlich reichlich Feuerwerk eingekauft und wollten auf ihre Freude daran nicht verzichten. So rutschten auch wir mit zahlreichen lauten Knalleffekten ins 2021.

   

Die Knallerei machte klar, dass viele Leute genug hatten von Einschränkungen und Verboten. Sie sehnten sich nach Feude und Geselligkeit, trotz der geltenden Ausgangssperre. Doch das neue Jahr hatte keine Einsicht und so wurde immer eindringlicher vom ungebremsten Verlauf der Pandemie berichtet. Etwas enttäuscht musste man zusehen, dass die ungeliebten Massnahmen zunächst verlängert und teilweise gar verschärft wurden. Angeheizt wurde diese Entwicklung durch die Tatsache, dass in England und in Südafrika eine Mutante des Virus entdeckt worden war, angeblich deutlich ansteckender, als jene Varianten, die uns bis jetzt schon so sehr geplagt hatten. Erneut reagierten die Länder mit einem bunten Strauss von verschiedenen Einschränkungen und lokalisierten die Schwerpunkte für die Infektion an ganz unterschiedlichen Orten. Restaurants und Bars waren schon längst zu und jetzt wurden auch die Läden und teilweise auch die Schulen geschlossen. Über Erfolg oder Misserfolg entschieden allerdings zumeist Faktoren, die sich nicht ohne weiteres aus den Kurven und Säulendiagrammen der Fachleute ablesen liessen. Darum freute sich oft zu früh, wer sich selber lobte, denn die unangenehme Überraschung folgte zumeist auf dem Fuss. Darum zeigten sich in verschiedenen Führungsgremien Spannungen und gelegentlich verabschiedeten sich frustrierte Viro- und Epidemiologen aus Politik und Rampenlicht und zogen sich in ihr Labor zurück.

 Am meisten zu leiden hatten allerdings Gewerbetreibende im Tourismus und Gastronomen. Ihre Betriebe sind mit dem Metermass zerstückelt und mit Plexiglas aufgeteilt worden. Danach wurden die Öffnungszeiten eingeschränkt, die Gäste gezählt und registriert. Kaum hatten die Betriebe mit grossem Aufwand auch diese Bedingungen erfüllt, wunderte man sich, dass die Infektionszahlen trotzdem unbeirrt weiter stiegen. Die Kassen blieben jedoch trotzdem leer. Überraschend kühlten sich frühere Hotspots ab, erhitzten sich aber wenig später unvermittelt erneut. Und keiner wusste warum. Auch die Schweiz erreichte Spitzenwerte bei den Infektionen, schweren Verläufen, sowie bei den Todesfällen.

Darum freuten sich alle auf die Impfungen, die in rekordverdächtig kurzer Zeit auf den Markt gekommen sind. Von ihnen versprach man sich eine Besserung der Lage in absehbarer Zeit. Gentechnik in ihrer schönsten Form. Entgegen der im Voraus abgegebenen Versprechen, hatten sich die reichen Nationen im Vorverkauf rechtzeitig den Löwenanteil der zur Verfügung stehenden Impfdosen gesichert. So blieben viele ärmere Länder im Regen stehen. Daher war es mehr als peinlich, dass beim Eintreffen der Impffläschchen die Impfzentren an vielen Orten nicht bereit waren. Was angeblich von langer Hand vorbereitet worden war, lief in Europa fast überall nur äusserst zögerlich an. Kaum war die Infrastruktur erst einmal operativ, fehlten allüberall die Impfdosen. Irgendwer hatte zu wenig davon bestellt.

Ziemlich rasch wurde klar, dass die neue Mutante sich tatsächlich schneller ausbreitete und dieser Umstand verlangte nach noch strengeren Massnahmen. So verordneten nun fast alle Staaten einen fast vollständigen Lockdown. Die volkswirtschaftlichen Kosten, die sich daraus ergaben, werden sich erst in späteren Zeiten zuverlässig abschätzen lassen.

Wem der Sinn nach makaberem Humor stand, der schaute sich zwischendurch die weiteren Folgen der Wahl-Sitcom-Show in den USA an. Da hinkte allerdings Hollywood der Realität in allen Belangen weit hintennach!

Und wer sich trotz allem die gute Laune nicht verderben lassen wollte, machte es sich an einem der seltenen Sonnentage mal gemütlich.

Aber ziemlich rasch meinte es der Winter dann doch noch ernst: die Nächte wurden kalt und die Sonne vermochte während des kurzen Tages daran nicht viel zu ändern.

   

Trotzdem machten wir, wenn es das Wetter zuliess, unsere Spaziergänge. Hier in die nahe Orangerie, wo sich viele Leute tummelten, der Teich allerdings bereits gefroren war. Zum Schlittschuhlaufen hätte es aber sicher nicht gereicht.

Dann kam er, erst vorsichtig, der erste Schnee ...

... und dann noch ein Bisschen mehr, ...

... bis es für den ersten Schneemann reichte. Rosemary hatte ihn nach dem Vorbild ihres Ehemannes John gebaut, der offenbar ein fleissiger 'Hörbuch-Leser' ist und jetzt wohl lange nach seinem Kopfhörer gesucht hatte.

   

Bevor der Regen kam, bescherte uns der Schnee ein paar besondere An- und Aussichten.

   

Der 18. Januar wurde für John und Rosemary ein schwerer Tag, an dem sie sich von ihrem Kartäuser-Kater Oscar verabschieden mussten. Eine offenbar unheilbare Virusinfektion hatte, nicht ganz unerwartet, über sein junges Leben gesiegt.

   

Dann ging es nicht mehr lange und die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie wurden überall noch strenger. In Frankreich wurde ab sechs Uhr abends eine Ausgangssperre verhängt, welche die Leute zu Hause behalten sollte, bis sie ab sechs Uhr morgens wieder zur Arbeit gehen konnten. Auch an den Grenzen zwischen den Staaten wurde das Reisen komplizierter. Ohne ein Dokument über einen negativen Test ging fast gar nichts mehr und auf der anderen Seite drohte unter Umständen eine Quarantäne von 5 bis 10 Tagen.

So blieb uns nicht viel anderes übrig, als bei vernünftigem Wetter die nähere Umgebung etwas zu erkunden.
Mit dem Auto fuhren wir zum Hôtel Château de Pourtalès. Ein eindrückliches Haus und unter anderen Umständen zweifellos geeigneter Ort für Festivitäten und romantische Anlässe. Jetzt aber, Covidbedingt, verlassen und leer.

Ein kurzer Spaziergang brachte uns zur Réserve naturelle nationale de la Robertsau. Auf Grund eines staatlichen Dekrets (Décret n° 2020-910 du 27 juillet 2020) zum Schutz der Artenvielfalt, ist hier im Juli des letzten Jahres ein neues Naturschutzgebiet ausgesondert worden. Während der nächsten zwei Jahre sollen landesweit rund zwanzig weitere ähnliche Objekte folgen. Hier handelt es sich um rund 700 ha Flusslandschaft, in der künftig das Leben ungestört gedeihen soll. Ein schöner Flecken Land, nur war die Jahreszeit die falsche. Wir haben uns vorgenommen, im Frühling wieder zu kommen.
Beim Eingang allerdings noch etwas Kunst und extensive Landwirtschaft mit Schottischen Hochlandrindern.

  

Aller Anfang ist schwer. Aber es ist leicht vorstellbar, wie sich das Leben hier während der Vegetationsperiode ausbreiten wird.

       

Bis zum heutigen Tag hatte man offensichtlich nicht so viel Rücksicht genommen, aber die Natur bahnt sich immer einen Weg.
Wenn man sie nur lässt.

  

Auch wenn es im Moment nicht danach ausschaut, wir hoffen, dass uns der nächste Monat etwas mehr Freiheit bringen möge. Wie bereits erwähnt, empfanden wir unseren Aufenthalt hier während des Lockdowns als recht angenehm und wir bewältigten die kalten Tage mit weniger Mühe als wir befürchtet hatten. Dass wir derweil etwas mehr Zeit fanden zum lesen (z.B.  Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!) und Musik hören, empfanden wir als angenehm. Matz reduzierte durch fleissiges Stricken ganz beträchtlich die Woll-Reserven, die sich während der letzten Jahre angehäuft hatten und schuf damit ...
... Platz für neue.

 

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