Juni 2020 |
Im Laufe des Monats Juni wurden unsere Aussichten zunehmend klarer. Das nicht nur wegen der Fortschritte mit unserem defekten Bullauge, sondern viel mehr wegen der durch die Regierung erlassenen Lockerung der Corona bedingten Einschränkungen. Sachte kehrte damit ein beinhae normales Leben wieder zurück.
Mit dem gereinigten Rahmen unseres antiken Fensters sind wir nach Dijon
gefahren, zur Firma Sodiver. Nicht jeder Glaser hat offenbar die
Möglichkeit, 18 mm dickes Glas zu bearbeiten und diese Firma hat uns
darüber hinaus noch versprochen, die Scheibe auch fachgerecht einzubauen. Wasserdicht sollte
es sein und künftig Spannungen beim Festschrauben widerstehen können.
Wir waren daher zufrieden, als nach unserer Rückkehr sich das
Fenster mit dem Messingbolzen problemlos einhängen und wieder normal
schliessen liess. Die Enttäuschung folgte aber auf dem Fuss,
denn gegen Abend begann es zu regnen und schon nach kurzer Zeit floss
das Wasser
fast ungehindert in unsere Küche.
Wieder einmal hatte also ein Spezialist versagt!
Wir haben daraufhin das kurz zuvor montierte Fenster wieder ausgehängt und auseinander genommen. Dank der Anleitung und der tatkräftigen Mithilfe unseres Freundes Andy haben wir das schwere Glas diesmal korrekt in den Rahmen eingefügt. Andy ist ausgesprochen vielseitig veranlagt und hat jahrzehntelange Erfahrung im Bau und im Umgang mit Schiffen. Seine saubere und planmässige Arbeit dauerte zwar zwei Stunden, zeitigte dann aber ein entsprechendes Resultat und wir sind überzeugt, für viele Jahre Freude an unserm Bullauge zu haben. Dabei werden wir uns gerne immer wieder an diesen bescheidenen Mann mit herausragenden Fähigkeiten erinnern.
Weil auf Anfang Juni die VNF die meisten Kanäle für die Schifffahrt wieder freigegeben hatte, kam nach und nach wieder Leben in den bisher so ruhigen Hafen. Viele Schiffe, die den Winter ausserhalb des Wassers verbracht hatten (was bei kleineren Schiffen, die oft einen Polyester-Rumpf haben, sehr häufig gemacht wird), wurden jetzt wieder zu Wasser gelassen. Das erfordert zuweilen eindrückliche Manöver mit dem Kran, welche dem Kranführer wegen der notorisch engen Verhältnisse einiges abverlangen.
Bei grösseren Schiffen, an denen oft während Jahren ausserhalb des Wassers gearbeitet wird, ist auch der Aufwand entsprechend. Zwei Kranführer arbeiten dabei virtuos zusammen, bis der schwere Koloss wieder friedlich im Wasser schwimmt. Dazu muss er aber elegant zwischen den beiden Auslegern hindurchgedreht werden, um von der einen Seite der Kräne auf die andere zu gelangen. Ist das Schiff doch deutlich länger als der Abstand zwischen den beiden Kranarmen. Der Vorgang gleicht einem Ballett und ist derart faszinierend, dass jedes Mal zahlreiche Zuschauer am Quai stehen blieben. Möge auch dieser alten Péniche eine erfreuliche Zukunft in diesen ungewissen Zeiten beschieden sein.
In der Zwischenzeit ersetzten wir die Rollos in unserem Steuerhaus, weil
die alten während der vergangenen Jahre doch arg gelitten hatten und
keinen erfreulichen Anblick mehr boten. (Schiffe ziehen offensichtlich
Spinnen an und diese verstecken sich mit Vorliebe hinter den Rollos.
Ihre Hinterlassenschaften sorgen
für hässliche Flecken auf dem hellen Stoff.)
Die im Bricomarkt gekauften
Dinger mussten allerdings erst zugeschnitten und dann der Stoff mit einem neuen
Saum versehen werden.
Die Arbeit zeigte aber schnellen Erfolg und machte uns darum viel Freude.
Während die ganze Welt im Banne der Coronakrise
erstarrt war, kämpften wir intensiv, aber natürlich in weit kleinerem
Umfang, gegen die Dieselpest.
Das Wort steht für eine Seuche, die sicher nicht jedem geläufig ist.
Trotzdem kann sie direkt Betroffene recht hartnäckig begleiten und entsprechend
ausgiebig
mit Ärger eindecken. Vor
einigen Jahren wurde in irgend einer Amtsstube, wohl in falsch verstandener
Bio-Euphorie, die Idee geboren, dass fossilem Diesel
künftig biologischer
in einem bestimmten Verhältnis beigemischt werden sollte. Das ist
Diesel, der aus extra zu diesem Zweck angebauten Pflanzen hergestellt wird. Damit wollte
man angeblich den ökologische Fussabdruck verkleinern. Was als
bedeutender Vorteil für die Umwelt verkauft wurde, entpuppte sich aber rasch als
Flopp. Es zeigte sich, dass
der 'biologische' Diesel gravierende Nachteile hatte. Mit dem Label
'Bio' hat er übrigens gar nichts zu tun, denn die Pflanzen werden zumeist in
intensivstem Akerbau angebaut. Weil er aber in seiner
chemischen Zusammensetzung mehr Wasser enthält als das herkömmliche Produkt,
gewährt er speziellen Mikroorganismen (Pilzen und Bakterien), die an der
Grenzfläche von Wasser und Kohlenwasserstoff ihr Leben fristen,
vielseitiges Gastrecht für ihr übles
Treiben. Sie nutzen die geschenkte Chance und vermehren sich dabei
fröhlich. Ihr Stoffwechsel bringt es mit sich, dass sie selber wieder
Wasser ausscheiden, mit dem sie, wie nebenbei, neuen Lebensraum für
ihresgleichen schaffen. Das Ganze braucht etwas Zeit und darum ist das
Problem für Autos, die ihren Tank in kurzer Zeit leeren und immer wieder
neu auffüllen, nicht so gravierend. Schiffe aber haben meist grössere Tanks
und speichern den darin gebunkerten Diesel wesentlich länger. An Flüssen liegen Tankstellen
auch
viel weiter auseinander als an Autobahnen. Sind die entsprechenden
Plaggeister erst einmal eingezogen, wozu jeder Tankstopp Gelegenheit
bietet, haben sie reichlich Zeit, ihr Unwesen zu treiben. Wie fast alle
Lebewesen hinterlassen sie Unrat und Wasser. Zusammen lagert sich
das als milchig-schleimiges Deposit am Boden des Tankes ab. Während der eine die Filter
verstopft, verbrennt das andere nur äusserst widerwillig im Motor.
Beides kann dafür sorgen, dass dieser im dümmsten Moment ausfällt. (Nach
Murphy's Gesetz natürlich ausgerechnet auf einem Fluss, knapp oberhalb einer
Brücke!) Um
dem vorzubeugen, müssen starke Gifte (Biozide) dem Treibstoff beigefügt werden, was
den zunächst angepriesenen Vorteil für die Umwelt nachhaltig in sein
Gegenteiil verkehrt. Die wahren Profiteure dieser Übung sind die
Landwirtschaft, die chemische Industrie und die Treibstofffirmen. Vielleicht auch die Politiker,
die sich den ganzen Mist haben verkaufen lassen.
Für die Schiffer ist
die Dieselpest
eine echte Plage.
Weil wir der normalen Kondenswasserbildung während der Winterzeit möglichst vorbeugen wollten, hatten wir im letzten Herbst den Tank beim Bunkerboot in St.Jean aufgefüllt. Bei dieser Gelegenheit sind die ungebetenen Gäste offenbar an Bord gekommen. Während Wochen waren wir jetzt damit beschäftigt, in regelmässigen Abständen unten Treibstoff abzulassen und ihn von Unrat und Wasser zu befreien. Immer in der guten Hoffnung, damit dem Wachstum der Mikroorganismen zuvorzukommen und den wertvollen Diesel zu retten. Die offizielle Empfehlung lautet nämlich dahingehend, den Diesel zu entsorgen und den Tank reinigen zu lassen, was natürlich jedem normal denkendem Menschen Bauchgrimmen verursacht. Mit Geduld und Fleiss hofften wir aber, dem Problem beizukommen.
Das Bild zeigt den Abgang zum Motorrenraum in unserem Schiff. Der steht offen, wenn Hansruedi wieder einmal mit dem Umfüllen von Diesel beschäftigt ist. Matz, von irgendwelchen Gedanken abgelenkt, ist in einem dummen Moment mit einem Bein in diese Öffnung getreten. Dabei ist sie teilweise hinunter gefallen, aber das andere Bein ist oben geblieben. Das hat offensichtlich sehr weh getan.
Unvermittelt hatten wir damit neben Corona und
Dieselpest ein drittes Problem!
Die lokale Artzpraxis akzeptierte wegen dem ersten keine weiteren
Patienten und das dritte Problem erwies sich als dringlicher als das
zweite.
Wir fuhren also ins Spital 'Louis Pasteur' in Dôle, wo
eine fachkundige Untersuchung und eine Röntgenaufnahme den Schaden am
inneren Knieband lokalisierte. Da hatten wir also Glück gehabt, weit
schlimmere Folgen wären leicht möglich gewesen! Die Apotheke lieferte umgehend eine
kräftige Stütze, das Knie zu stabilisieren und ihm bei der Heilung zu
helfen. Damit war unser neues Programm für die nächsten zwei Wochen
wieder einmal grundlegend neu, aber wenigstens klar.
Der Gang von unserem Schiff an Land wurde ab sofort für Matz zu einer beschwerlichen Übung, die wir aber umgehend als Sport bezeichneten und ihr damit einen Nutzen zusprachen.
Am 15. Juni wurden die Grenzübergänge zwischen den EU-Staaten (und der Schweiz) wieder geöffnet. Wie es zu erwarten war, kamen umgehend viele Ferienhungrige, die von der monatelangen Isolation genug hatten, ins Burgund. Die Parkplätze füllten sich rasch und mit dabei waren zahlreiche Autos mit Schweizer Nummernschild. Schon am ersten Tag waren die ersten Mietboote wieder unterwegs und auf anderen Schiffen wurde fleissig geschliffen, gemalt oder wenigstens geputzt. So etwas wie Alltag kehrte zurück.
Das erste Schiff, das in Ferienstimmung bei uns vorbeikam, war die Rover von Susi und Andreas. Sie schossen dieses Bild von unserem Heim, das uns komfortabel durch die letzten, aber trotz Lockdown sehr bewegten Monate gebracht hatte. Wir berücksichtigten brav alle Restriktionen der beiden beteiligten Länder und hatten einen ausgedehnten Schwatz von Terrasse zu Terrasse, dabei stets den gebotenen Sicherheitsabstand wahrend.
Weil nun endlich unsere Abreise wieder in Sichtweite kam, wurde es Zeit, die alten Batterien zu ersetzen. Während fast zwölf Jahren hatten sie uns zuverlässig mit Strom versorgt, nun aber ihr Pensionierungsalter erreicht. Der kleine Pusher Gaby, sonst zuständig für fast alle schweren Arbeiten im Hafen, brachte unsere neuen Stromspeicher direkt zur Mizar und transportierte die ausgedienten Batterien später zur Recyclierung zurück. Da sie viel Blei enthalten, wiegen sie beinahe eine halbe Tonne und forderten von den beiden Männern schweisstreibende Arbeit für den Aus- und Einbau.
Ein paar Tage später waren dann die Einbauarbeiten fertig und unser Stromsystem sollte wieder für ein paar Jahre hinhalten.
In den letzten Tagen des Monats störten vereinzelte Meldungen aus aller Welt die
zögerlich zurückkehrende Lebensfreude. Es wurde berichtet,
dass an verschiedenen Orten, sei es aus Unvorsichtigkeit oder bewusster
Ignoranz, die gemeldeten Krankheitsfälle wieder deutlich zunahmen.
Damit stieg erneut die Angst vor einer zweiten Welle. Ganz besonders,
weil inzwischen klar geworden war, dass sich die Welt einen zweiten
Lockdown nicht würde leisten können. Zusätzlich hatten Forscher
berichtet, dass sich das Coronavirus in den letzten Monaten offenbar genetisch
verändert hätte.
Man gewöhnte sich so an den Gedanken, dass wir noch
länger mit der Ungewissheit werden leben müssen. Die Aussichten, die
sich am Anfang des Monats zu klären schienen, hatten sich in der
Zwischenzeit wieder etwas eingetrübt.
So blieb für uns der Vorsatz vom letzten Monat unverändert aktuell:
mit
Zuversicht jeden Tag so nehmen, wie er kommt.