Juli 2019 |
Der Sommer zeigte in den ersten Wochen des Monats, was er zu leisten wirklich im Stande ist. Die Sonne brannte den ganzen Tag unbarmherzig auf unsere Schiffe, Wolken wurden zur Mangelware und die Temperaturen blieben rekordverdächtig hoch. Einzig die langen Abende vermochten uns für die Mühsal der drückenden Hitze zu entschädigen. Mary und Ted von der Renaissance, unsere 'Nachbarn' während der vergangenen Wochen, hatten an einem dieser eher ungemütlichen Tage trotzdem einen speziellen Grund, mit dem Leben zufrieden zu sein. Am Morgen hatte ihnen die Post ihr lang ersehntes Zertifikat aus Lyon gebracht und damit waren sie wieder berechtigt, für die nächsten Jahre mit ihrem Schiff uneingeschränkt auf Reisen zu gehen. Genau so wie wir, hatten sie lange auf eine Antwort der Behörden gewartet, die nun endlich eingetroffen war. Sie kommen aus Neuseeland, verbringen den dortigen Winter jedoch gerne auf ihrem schwimmenden Heim hier in Frankreich, wo in diesem Moment eben gerade wieder einmal so richtig Sommer war. Noch einige kleine technische Details mussten sie erledigen, bevor sie dann in die wieder gewonnene Freiheit entfliehen konnten. Am letzten gemeinsamen Abend haben wir stilgerecht mit Champagner auf den wichtigen Moment angestossen und dann die verbleibende Zeit bei einem Nachtessen auf unserer Terrasse genossen. Zu später Stunde wünschten wir ihnen eine gute Reise, sind aber zuversichtlich, dass wir ihnen irgendwann irgendwo wieder begegnen werden.
Von unserem Zertifikat hatten wir aber immer noch nichts gehört, ausser der schon längere Zeit zurückliegenden Versicherung, dass alles auf gutem Wege sei. Wir liessen uns daher gerne von der sprudelnden Lebensfreude der Bewohner von St.Jean de Losne ablenken und besuchten dazu das Drachenbootrennen auf der Saône. Dort war wieder einmal, so richtig französisch, der Spass an der Sache wichtiger als der Rang im Wettkampf. Entsprechend waren die einzelnen Rennen eher unterhaltend als tierisch ernst, obschon sich die Teilnehmer ernsthaft Mühe gaben. Selbst die Prominenz der Stadt war vertreten und freute sich mit allen Anwesenden am gelungenen Anlass.
Ein weiteres Sandkorn im Getriebe erschwerte uns kurz danach das Leben ganz wesentlich. Wieder einmal hat uns unser Computer seine Mitarbeit aufgekündigt und liess sich trotz liebevoller Zusprache nicht umstimmen. Weil wir vor Ort keine passende Lösung fanden, reisten wir kurzentschlossen in die Schweiz, wo wir, rasch und für erstaunlich wenig Geld, uns für die elektronische Zukunft wieder fit machten. Wir erlebten dabei hautnah eine der Grundregeln des aktuellen wirtschaftlichen Systems, das in erster Linie vom immer schneller wachsenden Konsum lebt. Und am einfachsten lässt sich dieser durch den Verkauf kurzlebiger, nicht reparierbarer Produkte ankurbeln. Der Wahnsinn hat Methode und wird ganz bewusst angefeuert. Immerhin konnten wir wieder, wie gewohnt, hier unseren monatlichen Bericht schreiben.
Aber mindestens ebenso erfreulich wie der neue Compi war die Tasache, dass sich mit der Reise eine unerwartete Gelegenheit ergab, zwei Tage mit Tochter, Schwiegersohn, Enkel und einem guten Teil ihrer Familie zu verbringen. Unser Leben auf dem Schiff ermöglicht solche Erlebnisse leider nicht allzu oft, darum packten wir mit umso mehr Freude diese Gelegenheit beim Schopf.
Unsere Rückreise erfolgte zufälligerweise am 14. Juli, dem
Französischen Nationalfeiertag. Darum haben auch wir nicht schlecht gestaunt,
dass wir auf der langen Fahrt lediglich eine einzige Fahne sahen, von
der wir annehmen konnten, sie sei bewusst zur Feier des Tages gehisst
worden. Da sind wir uns in der Schweiz am 1. August anderes gewohnt. Uns schien der betont kühle Umgang der Leute mit dem
Geburtstag ihres Landes im krassen Gegensatz zu stehen zur pompösen und
eher martialischen Schau, mit der ihr Präsident, umgeben von vielen
ausländischen Gästen, auf den Champs Elysées den Tag feierte.
Weil die Bewohner von St.Jean de Losne während des 30-jährigen Krieges anlässlich
einer Belagerung sich ausdauernd und erfolgreich für die Interessen des Königs eingesetzt
hatten, gewährte König Ludwig XIII ihrer Stadt zum Dank weitgehende
Steuerfreiheit. Diese wurde bis zur Französischen Revolution auch
immer wieder brav erneuert. Das half der Stadt ganz wesentlich, es
während
dieser Zeit zu komfortablem
Wohlstand zu bringen. Mit der Revolution und dem Sturm auf die
Bastille am 14 Juli 1879, entfielen diese Privilegien
allerdings endgültig. Vielleicht hält sich die Begeisterung der
Bevölkerung für den
Nationalfeiertag gerade darum etwas in Grenzen, weil an diesem Tag
der Sturm auf die Bastille gefeiert wird, der ihre
hochwillkommene Steuerfreiheit beendet hatte.
(Honi soit qui mal y pense!)
Angekommen auf unserem Schiff sahen wir mit riesiger Freude, dass in der
Zwischenzeit auch
unser Zertifikat (Certificat de l'Union, Europäisches
Zertifikat) eingetroffen war. Endlich! Zwar hatten wir
noch immer einiges zu erledigen, was sich in den letzten Wochen an
kleineren Problemchen angehäuft hatte. So war die zerbrochene Scheibe
des Steuerhauses noch immer irgendwo in Produktion, die neue
Filteranlage musste noch richtig eingestellt werden und Gelegenheiten
zum malen gab es immer noch mehr als genug.
Alles Dinge, die zwar wichtig sind, die man aber zum Leben nicht
wirklich braucht.
Der Sommer war etwas später in einem zweiten Anlauf mit noch grösserer Kraft zurückgekehrt
als zuvor und die Temperatur stieg mehrfach auf über 40 Grad Celsius.
Damit wir weiterhin einigermassen angenehm auf dem Schiff leben konnten,
erforderte das einige Massnahmen. Während der Nacht musste gründlich
durchgelüftet werden, während wir während des Tages alle Fenster
bestmöglichst beschatteten. Regelmässig kühlten wir die Terrasse und das
ganze Deck mit Gartenschlauch und Tauchpumpe und achteten darauf, dass
der Sonnenschirm immer korrekt ausgerichtet war. Besonders wichtig war
es, die Gangways auf beiden Seiten mit reichlich Wasser zu kühlen, weil
sie sonst barfuss nicht betreten werden konnten. Gelegentlich war das
Ganze schon etwas grenzwertig. Mehr schwitzten wahrscheinlich nur die
Fahrer der Tour de France, die sich irgendwo im Süden durch die Berge
kämpften.
Was hatte er eigentlich gewollt, der Rudi Carrell, der sich in seinem Sommerhit aus dem Jahre 1975
inbrünstig beklagte beklagte: Wann wird es endlich wieder einmal
Sommer? Der Mann hatte einfach keine Geduld!
Einzig dem Basilikum in unserem
Garten hat das alles wirklich gefallen. Er ist unbändig gewachsen, hat
einen gewaltigen Blütenstrauss hervorgebracht (siehe Titelbild), was
wiederum die Bienen freute. Ganz gratis war das aber nicht. Mehrfach am Tag musste er mit Wasser versorgt werden, das zum Glück in
nächster Nähe reichlich vorhanden war.
Uns machte das nach ein paar Tagen Lust auf einen Szenenwechsel!
Darum brachen wir voller Zuversicht auf zu einer kleinen Fahrt nach
St.Symphorien. Das ist zwar nicht weit und keine wirkliche
Reise. Aber es war, nach der langen Wartezeit im Hafen, ein Bisschen wie
eine Rückkehr ins wahre Leben. Und etwas Schatten gab es dort auch.
Am Quai National vorbei ging es gemütlich die Saône hinauf ...
... und nach einer knappen halben Stunde lagen wir vor der berühmt-berüchtigten Schleuse, die den Eingang zum Canal Rhône au Rhin markiert.
Das ist für uns fast wie Heimkommen! Dort gibt es Leute, die man immer wieder gerne sieht.
Mit Fredy (siehe September 2018) sassen wir im Schatten des Steuerhauses und bestaunten die
Schiffe, die Richtung St.Jean unterwegs waren. Da gab es, wie immer,
auch ganz Spezielles zu sehen.
Theo (siehe August 2016 und September 2018) kam dann noch zum Aperitif hinzu und es mangelte
keinen Moment an Gesprächsthemen.
Mit unserem kleinen Spielzeug betrachteten wir die Gegend aus luftiger
Höhe (dem Kanal entlang Richtung Dôle und über die Schleuse auf die
Saône, Richtung St.Jean de Losne).
So genossen wir die gemeinsamen Stunden mit Freunden und Bekannten, ...
... bevor wir nach zwei Tagen uns auf die Rückreise machten. In St.Jean
wartete ja noch etwas Arbeit auf uns. Und dann, ja dann würden wir
endlich weiterfahren, zunächst einmal nach Lyon und dann noch viel, viel
weiter ...
So viele Möglichkeiten standen uns offen.
Wir waren
guter Dinge und hatten noch einen Gast von Theo mit dabei, der als
Passagier zum ersten Mal die
Welt aus dieser Perspektive betrachtete. Ganz gemütlich dümpelten wir
die Saône hinunter, genossen die Aussicht und das schöne Leben, ...
... bis dann das Schicksal zuschlug.
Diesmal war es nicht bloss ein Sandkorn im Getriebe, es war das Getriebe
selbst, das den Dienst quittierte. Zunächst veränderte sich die Drehzahl
des Motors auf unerklärliche Weise, bis er schliesslich kaum mehr Leistung abgab.
Auf einem fliessenden Fluss kein Zuckerschlecken! Zunächst
kontrollierten wir die Dieselzufuhr und den Öldruck, bis ungewöhnliche
Geräusche den dringenden Verdacht auf das Getriebe lenkten. Obschon die Strömung
des Flusses nicht besonders stark
war, steuerte Matz zur Sicherheit die Marie la
Noire von Jean-Paul und Marianne (siehe
September 2019) an, die nur wenig nördlich von St.Jean liegt und sich als Notanlagestelle anbot. Mit den letzten
Umdrehungen des Motors legte sie eine Punktlandung hin, die uns
erleichtert aufatmen
liess. Den Anker, der uns im schlimmsten Fall in der Strömung festgehalten hätte, den
hatten wir vorsorglich schon vorher frei gemacht. Jetzt konnten wir ihn
beruhigt wieder versorgen.
Wir konnten von Glück reden, dass dieses unerfreuliche Ereignis gerade
jetzt aufgetreten ist und nicht erst zwei Tage später auf der Fahrt nach
Lyon!
Zehn lange Jahre hatten Motor und Getriebe ohne den geringsten Makel leise
gebrummt und wir waren daher wohl etwas verwöhnt und auf solches vollkommen unvorbereitet.
Ein kurzer Besuch des Mechanikers vom Atélier fluvial, das ganz in der
Nähe liegt, bestätigte unseren Verdacht auf Getriebeschaden.
Unsere Lage war soweit ganz komfortabel und wir nutzen zunächst die Gelegenheit für ein kühlendes Bad im Fluss. Nicht wirklich kühlend, aber trotzdem ausserordentlich angenehm.
Ganz überraschend fuhr danach die Aquamarjin mit Marie-Odile und Michel vorbei und ging ohne zu zögern längsseits. Das Schiff war seit ein paar Monaten im Verkauf. Weil es immer bestens unterhalten worden ist, fand es rasch einen Käufer und stand nun unmittelbar vor dem Besitzerwechsel. So konnten wir unsere langjährige Schifferbekanntschaft in den letzten Stunden ihres Schifferlebens begleiten. (Siehe auch Juni 2018 und November 2018)
Am nächsten Tag kam dann der Schuber, der uns in den Hafen zurückbrachte. Es war für uns eine ganz neue Erfahrung, dass unser Schiff, selber bewegungsunfähig, durch ein anderes Schiff geschoben werden musste. Noch ungewohnter war es, auf diese Weise rückwärts in die Schleuse gezogen zu werden.
Mit sehr gemischten Gefühlen erlebten wir die voraussichtlich letzte Schleusung dieser Saison.
Erste Gespräche mit dem Besitzer des Atélier Fluvial machten uns rasch
klar, dass wir wegen des Alters und Herkunft von Motor und Getriebe die Reparatur
wohl im Alleingang werden bewerkstelligen müssen.
Das wird mit Sicherheit sehr lange dauern.
Es war immer unser Stolz, dass unser Schiff von einem Gardner
Motor samt Gardner-Getriebe angetrieben wird und wir wurden auch
immer wieder darum
beneidet. Vor allem englische Herzen schlagen schon höher, wenn sie nur
den Namen hören, denn die Traditionsmarke ist für England mindestens von gleicher
Bedeutung wie Mercedes für Deutschland. Oder BMW für Bayern. Sie baute Motoren für
Landmaschinen, Lastwagen und Schiffe. Alle roten Doppeldeckerbusse von
London nutzten solche Motoren. Ein intelligentes
Baukastensystem machte es möglich, für alle Anwendungen die richtige
Variante einfach zusammen zu setzen. Die Zuverlässigkeit dieser Motoren
ist auch heute noch legendär.
Wir waren die ganze Zeit auch wirklich zufrieden mit unserem Motor, der
immer zuverlässig seinen Dienst tat und trotz seines Alters im
Verbrauch äusserst genügsam blieb. Schon viel kleinere moderne Yachten
verbrennen locker das Dreifache an Diesel oder gar mehr. Dass nun beim
Getriebe ein Schaden aufgetreten ist, das kann man sicher nicht dem
Hersteller anlasten. Wir werden aber gewissenhaft überprüfen, ob wir
selber die alte Mechanik wirklich immer richtig bedient haben.
Die Suche nach einem Mechaniker, der diese Motoren kennt und damit auch
das entsprechende Gefühl für diese Industrie-Antiquitäten mitbringt,
wird uns wohl noch während Wochen beschäftigen. Aller Voraussicht nach
wird danach auch die Reparatur kaum schneller möglich sein.
Das Fahrtenprogramm für dieses Jahr hat sich damit wohl erledigt.
Aber so schnell geben wir nicht auf!
PS: Die Umstellung auf ein neues Programm hat es mit sich gebracht, dass die ganze Website in einem ungewohnten Schriftbild wiedergegeben wird. Wir werden das baldmöglichst ändern.