Dezember 2018

Während zwei, drei Tagen zeigte sich das Wetter im neuen Monat noch von seiner freundlichen Seite. Bei unserer Abreise aber, als hätten wir es bei der Planung bereits geahnt, war es regnerisch und kalt. Erster Schnee lag in der Luft. Zeit also zu gehen.
Etwas übersättigt vom weitverbreiteten Weihnachtsglitter, von Lichterketten und strahlenden Rentieren in den Vorgärten, haben wir unsere Reisetaschen gepackt. Wir haben bereits ein Bisschen Übung darin. Unser Gepäck bleibt darum locker unter dem für die Flugreise zulässigen Gewicht. So haben wir uns entspannt nach den Philippinen verabschiedet.

Der Flug führte über Hongkong nach Manila, wo wir erst mal eine Nacht im Hotel verbrachten. Am nächsten Morgen ging es mit einem kurzen Inlandflug weiter nach Bacolod auf der Insel Negros. Mit einem Sammeltaxi fuhren wir quer durch die Stadt zum Bus-Terminal der Ceres-Line, wo wir gerade noch einen abfahrenden Bus stoppen konnten, der entlang der Küste Richtung Süden fahren wollte. Die gelben Busse fahren beinahe im Minutentakt weg, in alle verschiedenen Himmelsrichtungen.

  

Die Anordnung der Löcher, welche ein junger Kontrolleur gewissenhaft in unser Billet stanzte, zeigt an, dass wir eine Fahrt von 172 km vor uns hatten, was gemäss Fahrplan etwa 5 Stunden in Anspruch nehmen sollte. Dafür hatten wir pro Person 232 Pesos (ca. 4.40 SFR) zu entrichten. Eine mitgestanzte Kopie verblieb in seinem dicken Billetblock. Während der ganzen Fahrt wurde der Mann, der gekonnt und ruhig unsere Fahrkarten gelocht hatte, mindestens zehn Mal durch einen Vorgesetzten kontrolliert. Die Kontrolleure, durch ein orangefarbenes T-Shirt ausgezeichnet, stiegen jeweils bei irgend einer Haltestelle zu, zählten sorgfältig die Fahrgäste, kontrollierten den Billetblock, schrieben ein Protokoll und verliessen den Bus etwas später wieder. Sie machten damit aber nur Platz für den nächsten, der wenig später in den Bus kletterte und sogleich alle Passagiere erneut zählte. Wir hatten keine Idee, was diese häufigen Kontrollen hätten ergeben sollen, sind doch bei allen der zahllosen Haltestellen immer wieder mehrere Passagiere aus- und andere zugestiegen. Allerdings waren wir beeindruckt, dass der junge Mann offensichtlich bei jedem Passagier keine Mühe hatte, die Anzahl Kilometer, die dieser zu fahren gedachte, verzugslos korrekt zu bestimmen und den Fahrpreis entsprechend zu berechnen. Dagegen konnte er das richtige Herausgeld jeweils nur mit Hilfe seines Handys ermitteln.

Weil der Bus nicht mit einer Klimaanlage ausgerüstet war, konnten wir die Fenster während der Fahrt offen behalten und erlebten so die Umwelt in allen vier Dimensionen (Gerüche mit eingeschlossen). Anfänglich waren die Strassen noch recht komfortabel, wurden aber, mit zunehmend ländlich werdender Gegend, immer holpriger und staubiger. Trotzdem konnten wir uns kaum satt sehen an den Szenen, die das geschäftige Leben allüberall herbeizauberte. Da wurde am Strassenrand Reis getrocknet oder Zuckerrohr gelagert, dort brachte ein 'Bussystem' der anderen Art die Schüler sicher von der Schule nach Hause. Von den Brücken hatten wir ungehinderte Aussicht auf die Muschelfarmen in den Flüssen.

     

Zwei, drei Mal ermöglichte ein kurzer Stopp, dringende Einkäufe zu tätigen oder ebensolche Geschäfte zu erledigen, während fliegende Händler Snacks anboten, die uns persönlich aber nicht wirklich anzusprechen vermochten.

     

Von unserem Sitz aus betrachteten wir Zuckerrohrplantagen, während sich der Kleine auf dem Sitz nebenan wohl fragte, in welch urkomischer Sprache sich seine Nachbarn unterhielten.

  

Die Wohnung des Kleinen lag dann eine Stunde später offensichtlich nur wenige Meter neben der Strasse und nahe dem eindrücklichen Grün der jungen Reisfelder.

  

So gingen die fünf Stunden vorbei, eh wir es bemerkten. Die ursprünglich vorgesehene Fahrzeit wurde dabei nur um wenige Minuten verfehlt. An der Haltestelle 'Hacienda Montilla' stiegen wir aus, heuerten den Fahrer eines Tricycles, der uns in wenigen Minuten zur Anlegestelle brachte, von der aus wir vom Boot des Resorts abgeholt wurden, das für die nächsten fünf Wochen unser Zuhause sein sollte.

  

Der erste Blick auf unsere temporäre Heimat, die nur auf dem Wasserweg oder über Trampelpfade zu Fuss erreichbar ist.

Die Lodge nennt sich Takatuka, nach der Geschichte von Pippi Langstrumpf und ist mindestens so fantasievoll gestaltet wie das erfolgreiche Buch von Astrid Lindgren. Jedes Zimmer folgt einem eigenen Thema und ist entsprechend gestaltet. Die Fantasie der beiden Besitzer kannte offenbar keine Grenzen und hat sie auch entsprechend jung erhalten. Jedenfalls empfangen sie nun seit zwanzig Jahren erfolgreich ihre Gäste, welche zum grössten Teil den Gastgebern treu bleiben und jedes Jahr wiederkehren. Platz ist für höchstens 37 Leute und wir waren beinahe die einzigen Newbies.
Unser Zimmer:

Es fällt wirklich leicht, in solcher Umgebung Ferien zu machen, zumal auch die Küche äusserst vielfältige Speisen gekonnt zubereitet.
Der Blick nach Süden und nach Norden am Tag und ...

  

... nach Westen am Abend.

Immer am Montag ist im nahen Städtchen Sipalay Wochenmarkt und die Lodge fährt mit dem Schiff zum Einkaufen. Für die Gäste eine günstige Gelegenheit mitzufahren und sich die Sache selber anzuschauen.

Der Markt ist bunt und lebendig, bietet von allem etwas.

     

Getrocknete Fische benötigten wir keine, aber frische Früchte ergänzten unseren Speiseplan auf angenehme Weise.

     

Auch hier versuchte bunter Schmuck Weihnachtsstimmung zu verbreiten. Für uns allerdings eher ungewohnte Weihnachtsbäume.

  

Etwa alle drei Tage und wenn das Wetter dann günstig war, fuhren wir am Morgen mit dem Tauchschiff entlang der Küste gegen Norden oder Süden.

  

An verschiedenen Stellen, in 20 bis 40 Minuten per Boot erreichbar, liegen da etwa 20 Tauchplätze, die zum Teil einem Wasserschutz-Reservat zugehören und nur gegen eine Schutzgebühr besucht werden dürfen. Weil wir nicht nur eine Woche die Gelegenheit dazu hatten, konnten wir das Tauchen etwas gemächlicher angehen, als dies den meisten Unterwasserenthusiasten möglich ist. Zwei Tauchgänge am Tag, das liegt für uns schon an der oberen Grenze und wir machen gerne einige Tage Pause zwischendurch. Es gibt unter Wasser so viel zu sehen, dass wir uns rasch überfordert fühlen und unsere biologische Speicherkarte spürbar an ihre Grenzen stösst. Aus dem gleichen Grund haben wir auch schon vor Jahren entschieden, auf das Filmen und Fotografieren beim Tauchen ganz zu verzichten. Wenn das Resultat gut sein soll, stellt das eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit dar, die wir lieber den Profis überlassen. Trotzdem ist es immer wieder ein Erlebnis, wenn wir später dann, etwa im Fernsehen, Fische sehen, oder andere Wasserbewohner, die wir bei genau dem da beschriebenen Verhalten selber auch schon unter Wasser beobachtet haben.
Wir hatten bisher das Glück, Tauchgründe schon an den verschiedensten Stellen der Erde besuchen zu dürfen und erlebten überall immer wieder Momente, die einzigartig sind und für uns immer mit einem ganz bestimmten Ort verbunden bleiben. Für einen solchen sorgten gerade hier zwei Schwarz-Feuerfische, die, obschon sie sich normalerweise am Tag eher versteckt halten, zusammen über längere Zeit im offenen Wasser ein Tänzchen vollführten. Wir fanden hier lebendige Riffe mit schönen, bunten Korallen, sich im Wasser wiegende Seeanemonen mit unterschiedlichen Clownfischen und viele Riesenmuscheln. Ein altes Schiffwrack bietet schon wenige Meter unter dem Wasserspiegel einem überaus artenreichen Fischbestand eine sichere Heimat. Wasserschlangen, Skorpionfische und einmal eine Schildkröte setzten gekonnt Schwerpunkte. Andererseits glänzten grosse Fische des offenen Meeres durch Abwesenheit. Trotzdem gehören diese Tauchgründe zur oberen Kategorie und verdienen, mehrfach besucht zu werden.


Foto: sealife.asia Takatuka

Der etwas abgelegene Küstenstreifen wurde schon vor Jahren von verschiedenen Westlern entdeckt, die ihrer alten Welt entflohen sind und sich hier mit einem kleinen Resort eine neue Lebensgrundlage und Bleibe aufgebaut haben. Es ist wohl nicht ganz zufällig, dass einige Schweizer bei diesem Unterfangen erfolgreich mitgemischt hatten. Entsprechend erforderte die Unterhaltung beim Sonnenuntergangsbier jeweils nicht besonders vielfältige Sprachkenntnisse. Aber die Erzählungen der Auswanderer zeigten, dass auch hier vor dem Erfolg die Anstrengung stand. Den Eintritt ins Paradies gibt es ganz offensichtlich nirgends gratis.
(Vielleicht trafen wir genau darum hier nicht sehr viele Holländer.)

An Weihnachten wurde ein grosszügiges Buffet ausgerichtet, zu dem jede(r) Küchen-Angestellte etwas persönlich beitrug, indem sie ihr Lieblingsgericht kochen durfte. So kam ein buntes Gemisch von Speisen zusammen, von denen jede zu überzeugen vermochte. Das Personal hatte ja während des Jahres ausreichend Gelegenheit, sich an den hohen Ansprüchen ihrer Patrons auszurichten. Zu den momentanen Gästen kamen noch einige extra für diesen Abend dazu und so rückten wir alle für ein gemütliches Fest etwas näher zusammen.

Weihnachten bei 30 Grad, tropische 'Winternacht' und eine exotische Auswahl an Leckerem für jeden Geschmack, ...

  

... ergänzt durch die Darbietungen einer jugendlichen Tanzgruppe mit dem Namen 'Happy Feet', die ihre Lebensfreude direkt auf die Angestellten hinter der Theke übertrugen, welche von diesem Moment an nicht mehr ruhig stehen bleiben konnten. Da zuvor alle Mitarbeiter von den Besitzern mit einem persönlichen Geschenk bedacht worden waren, wurde der Abend für alle Anwesenden zu einem gefreuten Erlebnis.

  

Selbst der Eigentümer des Resorts liess sich schliesslich anstecken und tanzte mit seinem Personal mit.

Weil unser Zimmer bereits bei unserer Bestellung für die letzten Tage des Jahres vergeben war, mussten wir am 27. unsere Taschen packen und im Sand ein paar Meter weiterziehen. Dort wurden wir von Francis, einem Mann aus La-Chaux-de-Fonds, als Gäste herzlich willkommen geheissen. Während einer Woche erlebten wir in seinem Resort mit dem Charme der Romandie eine etwas andere Sicht aufs Leben und verbrachten so auf ruhigere Weise die letzten Tage des zu Ende gehenden Jahres.

Wir wünschen den treuen und den gelegentlichen Lesern frohe Festtage, einen guten Rutsch und ein gefreutes 2019!
Matz+Hansruedi

 

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