September 2018

Die paar zusätzlichen Tage in Auxonne haben sich gelohnt. Auch wenn die Stadt nicht zu den grossen Touristenattraktionen gehört, sind uns dort trotzdem einige sehenswerte Details aufgefallen. Die schöne Holzkonstruktion der alten Markthalle etwa, die leider kaum mehr benutzt wird. Die gut erhaltenen Teile der Stadtmauer, welche die Handschrift des alten, fast manisch fleissigen Festungsministers Vauban zeigen und die heute verschiedenen Heereseinheiten als Kaserne dienen. Oder der alte Flussarm durch die Stadt, an dem damals die Gerber gelebt und gearbeitet haben und der die Abwässer der Schlachthäuser in die Saône entsorgte. Daneben aber auch die gekonnten Blumenarrangements, welche die Stadt an den verschiedensten Orten schmücken. Französische Stadtbehörden müssen ein ganz besonderes Gen für Blumen-Schmuck haben oder die Bevölkerung eine entsprechende Vorliebe. Nirgendwo, ausser in Frankreich, findet man derart gepflegte und vielfältige Blumentröge, sei es auf Brücken, an Strassenecken und natürlich immer vor dem Hôtel de Ville! Diese Liebe zum Blumenschmuck, die offensichtlich keinen Aufwand scheut, kontrastiert in auffälliger Weise mit dem oft etwas sorglosen Umgang beim Unterhalt von älteren, wertvollen Gebäuden innerhalb der Städte. Frankreich eben: man pflegt ausgiebig, was Freude macht und ist etwas zurückhaltender bei allem, was mühsam ist.

  

Gemütlich fuhren wir nach dieser Pause weiter die Saône hinunter und kamen so nach und nach in immer bekanntere Gebiete. Es fühlte sich beinahe an wie Heimkehren. Ganz besonders etwa, als wir das ausgefallene Schleusengebäude bei St.Symphorien passierten, welches vor ein paar Jahren mit grossem Pomp an der ersten Schleuse des Canals du Rhône au Rhin eingeweiht worden war. Unmittelbar daneben steht, für eingeweihte Leute wesentlich wichtiger, das Haus des umtriebigen Schleusenschifferpaars aus der Ostschweiz,  Fredy und Willi, die mit ihrer Gastfreundschaft und ihrem Organisationstalent beim jährlichen Burgundertreffen so vielen Mitgliedern unseres Vereins diesen Erdteil und die Schleusenschifferei schmackhaft gemacht haben.

 

Zunehmender Schiffsverkehr wurde dann zum deutlichen Vorboten der sich nähernden Stadt St.Jean de Losne. Dort lagen wir zunächst einen ganzen Tag längsseits an einem Berufs-Schiff, bis endlich ein Platz am Quai National frei wurde. Diese prominente Anlagestelle ist zugleich Eingang und Wohnzimmer der Stadt, welche das Herz der Binnenschifffahrt im Burgund ist. Damit waren wir am Ziel unserer langen Fahrt angelangt, die wir im Frühling in Brandenburg bei Berlin begonnen hatten. Sämtliche Umwege eingerechnet sind wir dabei rund 1900 km auf den Wasserstrassen quer durch Europa gefahren. Obschon das ein langer Weg ist und wir bisher immer meinten, das sei bei weitem zu viel für eine Saison, fühlten wir uns während der ganzen Zeit nicht gedrängt und es kam niemals Hektik auf. Trotzdem wird das Jahr in dieser Beziehung ganz bestimmt eine Ausnahme bleiben, die sich einzig durch die vor dem Ende des Jahres fällige Prüfung der Mizar im Trockendock rechtfertigte.

Wir genossen die Vertrautheit und die Gastlichkeit der Stadt an der Saône, trafen viele alt-bekannte Gesichter wieder und fühlten uns rasch zurückversetzt in die Zeit, als wir hier unser Wasserzigeunerleben vor zehn Jahren begonnen hatten. Wie vielfältig dieses Leben doch war und wie viele unvergessliche Erlebnisse es uns gebracht hat!

  

Wir bestaunten diese ständig wechselnde Atmosphäre bei Tag und bei Nacht. Schliesslich herrschte die ganze Zeit noch richtiges Sommerwetter.

Jeden Freitagnachmittag erhält der Quai National Besuch von einem wahrhaft grossen Schiff. Mit seinen mehr als 100m Länge und rund 120 Gästen an Bord beendet es hier seine wöchentliche Kreuzfahrt und beginnt schon am nächsten Tag mit neuen Gästen die nächste. Erstaunlicherweise fährt es unter Schweizer Flagge, im Namen des Reisebüros Mittelthurgau (heute Twerenbold Reisen). Zwei Schiffe des selben Unternehmens bieten hier unterschiedliche Kreuzfahrten an. Die 'Exellence Rhone' zumeist für Gäste aus der Schweiz, das andere vorwiegend für solche aus den USA oder von Down Under.
Es war ein besonderes Erlebnis, dem Anlegen des Riesen zuzuschauen und äusserst beruhigend, dass er gekonnt und präzise seinen Platz so knapp vor unserem Bug einnahm.

Der Kapitän, der übrigens aus St.Jean de Losne stammt und auf einer Péniche aufgewachsen ist, hat offenbar unsere Anerkennung gespürt und uns umgehend für den nächsten  Morgen zum Kaffee und zur Besichtigung seines fahrenden Hotels eingeladen. Zugegeben: eine andere Welt!

  

Das zweite Schiff, die 'Avalon Poetry II', acht Tage später.

  

Nach einer Woche war unsere Zeit am Quai abgelaufen. Wir fanden aber einen vollwertigen Ersatz an den Dalben des Atéliers Fluvial, wo wir komfortabel die Zeit abwarteten, bis wir an der Reihe waren, ins Trockendock einzufahren. Die hier vom Unternehmen ausgeführten Arbeiten an den Schiffen auf dem Slipway liessen auch für uns keinerlei Langeweile aufkommen. Mit kleineren Malerarbeiten an der Mizar verbrachten wir den Rest der Zeit.

  

Gegen Ende des Monats kamen Theo und Marlen nach St.Jean de Losne. Theo war schon zwei Mal mit uns auf der Mizar unterwegs und hat dabei am Schifferleben geschnuppert (siehe Juli 2014  und August 2016). Beim zweiten Mal hatte sich klar gezeigt, dass er (wie von uns vorhergesagt) unheilbar vom Schiffervirus infiziert worden war. In der Folge haben sich die beiden ein eigenes Schiff gekauft, das hier in der Nähe liegt. Nun sind sie dabei, sich darauf für ein zweites Leben einzurichten. Es liegt aber noch einiges an Arbeit vor ihnen. Wir wünschen viel Erfolg bei ihrem Projekt!

Und dann hatten wir ganz unerwartet noch ein weiteres erfreuliches Erlebnis. Während wir im Jahr 2011 hier mit Malerarbeiten an unserem Schiff beschäftigt waren (siehe Sept 2011), haben wir, wenn immer die Arbeiten uns über den Kopf zu wachsen drohten, uns jeweils am weit grösseren Vorhaben eines Nachbarn getröstet. Am Liegeplatz gerade vor uns waren damals Jean-Paul und Marianne damit beschäftigt, die leere Schale eines 28m Luxmotors gemäss ihren Vorstellungen auszubauen. Auch wenn sich die Beiden mit viel Können und grossem Eifer an die Arbeit gemacht hatten, hat uns die fast beängstigende Grösse ihres Vorhabens unsere vergleichsweise bescheidenen Arbeiten plötzlich erträglich scheinen lassen. Eigentlich hätte das leere und beinahe schwarze Schiff, das darum seinem Namen 'Marie la Noire' zu Recht trug, innert drei Jahren die wundersame Metamorphose zu einem komfortablen Hotelschiff durchmachen sollen. Bei unserer Abreise waren zwar vielversprechende Ansätze zu sehen, das Ziel aber schien uns noch sehr weit entfernt. Bei passenden Gelegenheiten haben wir aus der Ferne die Arbeiten mit Interesse verfolgt. Der Umbau benötigte offensichtlich weit mehr Zeit und hat wohl auch mehr Geld verschlungen, als vorgesehen war.
Nun aber ist das Schiff in neuer Pracht an uns vorbeigefahren und hat nur wenige Meter vor uns angelegt. Wir haben uns natürlich die Gelegenheit nicht entgehen lassen und unsere 'Leidensgenossen' von damals auf ihrem Schiff besucht. Der Umbau ist nach fast 10 Jahren Bauzeit praktisch fertig und äusserst gelungen. Das Schiff ist innen zu einer geschmackvollen, grosszügigen Wohnung ausgebaut worden und damit zu einem echten Schmuckstück mutiert. Einzig die Idee des Hotelbetriebes haben die Besitzer inzwischen aufgegeben. Sie haben über lange Zeit hart gearbeitet und darum wäre es doch schade, diese Pracht nicht in erster Linie selber geniessen zu wollen. Ein pelziger Copain hat sich von selber eingefunden und  sich umgehend in der guten Stube gemütlich eingerichtet.

  

Das anhaltend schöne Wetter hat es mit sich gebracht, dass die Arbeiten an den Schiffen, die während dieser Zeit im Trockendock lagen, planmässig planmässig Fortschritt machten. Am Ende des Berichtsmonats hatten wir damit die Gewissheit, dass wir, wie geplant, am 1. Oktober mit unserem Schiff dort die Arbeit aufnehmen können.

Monat September 2018:
-  4h 55'
- 1 Schleusen
- 20 km


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