August 2017 |
Um für unseren Nationalfeiertag gerüstet zu sein, hatten wir schon am Vortag unser Schiff mit einer Flaggengala festlich geschmückt. Zusammen mit den in diesem Jahr üppig blühenden Kräutern und Blumen ergab das einen ganz erfreulichen Anblick. Wie vereinbart, traf dann die Baba Jaga am ersten August gegen Abend ein und legte im Stadthafen an. Da Monica, Hans und Chico gleich nach ihrer Ankunft auch die Wimpel über die Toppen hissten, war die Schweiz für ihren Feiertag würdig vertreten. Leider war das Wetter nicht ganz mit von der Partie und es erlaubte knapp einen Aperitif auf der Terrasse. Der französische Schaumwein, den unsere Gäste noch von ihrem Aufenthalt in Toul mitgebracht hatten, weckte Erinnerungen an unsere Reisen in Frankreich und half mit, das etwas ruppige Wetter erträglich zu machen. Für das Essen mussten wir uns dann allerdings bereits in das Steuerhaus zurückziehen. Saisongerecht gab es zur Vorspeise Pfifferlingsragout mit buntem Salat und zum Hauptgang gebratene Müritzmaränen mit Kartoffelsalat. Zum Dessert hatte Monica eine feine Schoggimousse mitgebracht. Weil wegen des starken Windes keine weitere Festbeleuchtung draussen möglich war, behauptete im Steuerhaus ein roter Lampion mit weissem Kreuz tapfer die patriotische Stimmung. Wir hatten einen fröhlichen Abend, bis der Tag sich endgültig seinem Ende zuneigte. Weil am nächsten Tag wieder die Sonne von einem fast blauen Himmel herunter lachte, nutzte Matz dies für einen längst fälligen Waschtag. Kaum hatte sie angefangen, die saubere Wäsche zum Trocknen aufzuhängen, bemerkte sie Besuch aus luftiger Höhe. Quer über den ganzen Hafen kam das elektronische Spielzeug von Hans angeflogen und bescherte uns ein paar tolle Bilder aus ungewohnter Perspektive. Weil das Ding auch seinen Heimflug dokumentierte, verriet es damit auch seinen Startort: die Baba Jaga.
Mit diesem Tag ging auch der Aufenthalt für unser zusätzliches
Crewmitglied auf der Mizar
zu Ende. In einem vielbeachteten und von allen Seiten
fotografierten Manöver wechselte es über zur längsseits liegenden Baba Jaga,
um dort noch etwas mehr Schiffer-Erfahrung zu sammeln, vor seiner langen Reise in die
Schweiz. Chico begrüsste freudig seinen neuen Freund, der
mit seiner
Ankunft für nicht geringe Aufregung sorgte. Auch die Sperrung für dieses Bild konnte mit dem Datum vom 6. Dezember aufgehoben werden. Für uns und alle Beteiligten bleibt die lange und abenteuerliche Reise unseres Bäri in die Schweiz ein unvergessliches Erlebnis und wir möchten allen stillen Helfern unseren aufrichtigen Dank aussprechen. Am heutigen Tag wurde Bäri in seinem künftigen Heim ein rauschender Empfang bereitet und er wurde umgehend in sein neues Amt eingeführt. Obschon wir in den letzten Monaten wirklich nicht durch Wärme und Sonnenschein verwöhnt worden waren, hatte offensichtlich die frische Seeluft das Ihrige getan und unsere Tomaten, die ohnehin ziemlich versteckt unter den anderen Gewächsen sich für ihren finalen Auftritt vorbereitet hatten, kräftig reifen lassen. Während der nächsten Wochen ergänzten wir unseren Mittagstisch regelmässig mit direkt von den Stauden gepflückten Früchten. Mit ganz besonderer Ehrfurcht genossen wir dann diese Boten des Südens, die zu unserer Freude den harten Bedingungen des Nordens erfolgreich getrotzt hatten. Die schnellen Wetterabläufe machten es offensichtlich, dass wir hier nicht weit vom offenen Meer entfernt lebten, wo die Fronten und Tiefdruckgebiete sich fast unbehindert bewegen können. Stürmische Winde trieben immer wieder Kaltfronten herbei, die gewittrigen Regen und Hagel niederprasseln liessen und meistens, so schnell wie sie gekommen waren, auch wieder weiterzogen. Für den 7. August war eine partielle Mondfinsternis angesagt, die sich für uns leider erst in ihrer Endphase zeigte. Trotzdem freute uns dieses Bild vom Geschehen im astronomischen Vorgarten der Erde.
Mit Bus und Fahrrad fuhren wir in den Müritz-Nationalpark.
Mit 322 km² Fläche ist er der grösste Nationalpark Deutschlands. Vor der
Wende war ein Grossteil des heutigen Parks als eines der sogenannten
Staatsjagdgebiete für die Parteioberen zu deren persönlichem Vergnügen
reserviert. Dort wurde zuverlässig dafür gesorgt, dass sie mit ihren Gästen
an einem Wochenende oft mehrere Dutzend Hirsche erlegen
konnten. Gewöhnlichen Genossen war natürlich der Zutritt verboten. Ab und zu ermöglichen Aussichtstürme ...
... etwas mehr Überblick über eine weite Landschaft, die - wie an dieser
Stelle schon früher erwähnt - den Vergleich mit ähnlichen in Kanada in
keiner Weise zu
scheuen braucht. Weite und Ruhe, angefüllt mit vielfältigem Leben. Im Süden des Nationalparks liegt das Luftfahrttechnische Museum Rechlin. An diesem Ort stand die grösste Erprobungsstelle der Deutschen Luftwaffe, wo fast alle wegweisenden Entwicklungen der Fliegerei vom Anfang des 1. bis zum Ende des 2. Weltkrieges vorangetrieben und auf ihre Kriegs-Tauglichkeit geprüft worden sind. Am meisten ins Auge stechen zunächst allerdings die Hinterlassenschaften der Sowjetischen Streitkräfte, die auf den Flugplätzen Rechlin und Lärz bis 1993 stationiert waren. Wenn sie auch sehr in die Jahre gekommen sind, wirken die hier ausgestellten MIG 21, MIG 23, SU-22 und Helikopter noch immer bedrohlich. Deutlicher könnte das Gesicht des kalten Krieges nicht zu Tage treten. Mit einer Speerspitze, die direkt und in erster Linie auf die andere Hälfte des eigenen Landes zielte!
Weit mehr Information findet man aber im Inneren der Hallen, wo über
die Anstrengungen der Luftwaffe berichtet wird, die sich bis in ihre
letzten Tage bemühte, durch forcierte technische Fortschritte den sich abzeichnenden
verheerenden Ausgang des Krieges abzuwenden. Zahlreich und zugleich
anspruchsvoll sind die
Texttafeln und Bilder, die über die Aufgaben und Lebensbedingungen der Ingenieure,
Militärs und Testpiloten (unter denen sich auch einige Frauen höchste
Verdienste erworben hatten), berichten. In krassem Kontrast dazu standen allerdings
die Existenzen der unzähligen Zwangsarbeiter, denen trotz härtester
Arbeit kaum genug zum Leben
blieb. Die Anstrengungen waren oft überaus
erfolgreich und es wäre wohl nicht viel mehr Zeit nötig gewesen, bis
technische Fortschritte den Ausgang des Krieges entscheidend
beeinflusst hätten. Vieles, was uns heute als selbstverständlich
erscheint, hat genau hier seinen Anfang genommen. Fast schon gemütlich wirkt dagegen der kleinere der ausgestellten russischen Helikopter, ein MIL MI 2, ... ... während die MIL MI 8 über lange Zeit das Workhorse der russischen Streitkräfte darstellte. Das geräumige Innenleben sieht noch heute beeindruckend aus. Etwas jünger sind die Exponate für die kleinen Besucher. Aber auch diese zeugen von Phantasie und Hingabe, sind bis heute funktionstüchtig und werden fleissig benutzt. Das erste in Serie hergestellte Tretflugzeug? Für den Besuch im Müritzeum, das 2006 eröffnet worden ist, empfiehlt sich ein Tag mit schönem Wetter, denn an regnerischen Tagen mag es den Besucheransturm kaum zu bewältigen. Als Museum und Dokumentationsstelle berichtet es über die ausgeprägten Eigenarten der Seenplatte mit der Müritz im Zentrum. Mit seiner speziellen Architektur liegt es gekonnt eingebettet in einen schönen Park mit alten Bäumen, insbesondere einer über 150 Jahre alten Rosskastanie und einem eigenen See. Im Inneren zeigt es, aufgeteilt in verschiedene Themenkreise, viel Wissenswertes über die Geschichte, sowie Wald und Moor, See und Fluss, Vogel und Landtier, Fisch und Krebs. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf dem Thema Wasser. Ein besonderes Becken ermöglicht den direkten Blick in den See und seine Bewohner. In vielen, sehr gepflegten Aquarien lassen sich sämtliche heimischen Süsswasserfische in Ruhe beobachten, was alleine schon einen Besuch rechtfertigen würde. Über zwei Etagen reicht das grösste Süsswasseraquarium Deutschlands mit 100 m³ Inhalt. Sein Fischbesatz stellt so ziemlich das dar, was wir bei verschiedenen Gelegenheiten selber hatten beobachten können: ein fast unglaublicher Fischreichtum, der sich gelegentlich, dank des klaren Wassers, sogar vom Ufer aus beobachten lässt. Dass aus diesem Grund die Fischerei in der Müritz von grosser Wichtigkeit ist, dürfte selbstverständlich sein. Die Berufsfischer sind entsprechend innovativ, vermarkten den einheimischen Fisch in den verschiedensten Formen, kümmern sich aber auch aktiv um den Nachwuchs, der die gefangenen Tiere ersetzen soll. Sie sind auf den Märkten der Städte sowie in der lokalen Gastwirtschaft gut vertreten und betreiben an ihren Standorten oft eigene Gaststätten, wo sie ihren Fang auf kürzestem Weg absetzen. Auch die Sportfischerei ist attraktiv und wird entsprechend intensiv ausgeübt. Jeder siebte Deutsche ist angeblich aktiver Angler. Die Fischer sind beim Deutschen Angelfischerverband eV organisiert, der mit seinen mehr als 700'000 Mitgliedern als die grösste Naturschutzorganisation(sic!) Deutschlands gilt. Als solche ist seine gesellschaftliche Bedeutung beachtlich und und er ist demzufolge in fast allen einschlägigen Kommissionen und Interessengruppen vertreten. Darum kann es sich wohl keine Behörde und keine Partei leisten, so viele Wähler zu vergrämen. In seiner Satzung beschreibt der Verband seinen Zweck mit den folgenden Worten:
Zweck des Verbandes ist die Erhaltung, Pflege und Wiederherstellung
einer für Mensch, Tier und Pflanzen
lebensfähigen Natur, insbesondere gesunder Gewässer und der damit
verbundenen Ökosysteme, zum
Wohle der Allgemeinheit und zur Sicherung aller Formen einer
nachhaltigen Angelfischerei unter
Beachtung des dazugehörigen Tierschutzes.
So weit die Reklame. Dagegen wäre an sich gar nichts einzuwenden. Primäres Ziel ist
aber in Wirklichkeit die Wahrung der Interessen der Sportfischerei. Was wir aber tagaus,
tagein auf 'unserem' Schiffsteg beobachten konnten oder eher 'mussten',
steht allerdings nirgendwo in den Satzungen. Das Problem liegt hier eher
beim Präfix 'Sport'. Ganze Gruppen von Anglern, meist ältere Männer,
aber auch - seltener - Familien mit heranwachsenden Kindern, verbrachten
regelmässig einen
Grossteil des Tages mit ihrer Fischrute. Gelegentlich konnten sie fast
im Minutentakt beachtliche Fische an Land ziehen. So viel Fisch kann niemand essen und
darum landete der Grossteil davon wieder im Wasser. Was die Fische aber
zuvor erlebten, hat uns gelegentlich die Lust auf ein Fischessen
verdorben. Obwohl es eigentlich verboten wäre, wird trotzdem häufig mit
Lebendköder geangelt. Was die Angler behielten, wurde nie korrekt
getötet, sondern schlicht in einem Plastiksack aufbewahrt oder in einen
viel zu kleinen Kübel einem langsamen Sterben überlassen. Doch zurück zum Müritzeum! Ein abschliessender Rundgang durch den Park der Anlage war fast wie ein Rundgang um die Müritz. Ein Park zwar, der aber auch als Landschaft durchgehen könnte, in der das Museum selber beinahe als Bestandteil davon erschiene. Am 15. und 16. August wurde hier in diesem Jahr der Sommer abgehalten. Als beinahe schon keiner mehr hatte daran glauben wollen, wurde plötzlich für zwei Tage hintereinander stabiles Wetter ohne Regen angekündigt. Sogar die Temperaturen sollten zuverlässig Werte in den höheren 20ern erreichen. Für uns also ein klares Zeichen, wieder einmal auf die offene Müritz hinaus zu fahren und damit dem steten Besucherstrom für kurze Zeit zu entfliehen. Weil dort aber wie gewohnt eine schwache Brise wehte, diente der Tag dann in erster Linie dazu, unsere Wäsche an der frischen Luft zu trocknen. Zum Baden war es uns doch ein wenig zu unfreundlich.
Da wir ohnehin die Absicht hatten, das Heinrich-Schliemann-Museum
in Ankershagen zu besuchen, kam uns ein
Vortrag zu diesem Thema im 'Haus des Gastes' in Waren sehr gelegen. Der derzeitige Leiter
des Museums, Dr. Reinhard Witte, sprach dabei über das Leben des
berühmten Troja-Ausgräbers. Als Historiker, Archäologe und profunder Kenner der griechischen
Mythologie und Geschichte war es dem Referenten ein Leichtes, den wenigen(5!) Zuhörern
Leben und Gedankenwelt Schliemanns, der seine Jugend als Pfarrerssohn in Ankershagen verbracht hatte,
näher zu bringen. Mit dem Fahrrad fuhren wir darum nach Ankershagen. Dort steht hinter dem grossen Baum noch heute das alte Pfarrhaus und gleich daneben die Kirche, wo der Vater des berühmten Sohnes Prediger war, bis er seines Amtes enthoben wurde, weil seine Predigten zu offensichtlich nicht mit seinem allzu menschlichen Leben übereinstimmten. Das lange Wirtschaftgebäude ist neu aufgebaut worden und beherbergt den Museumsladen, ein Café und mehrere Veranstaltungsräume, in denen sich regelmässig Wissenschaftler versammeln und die neuersten Ergebnisse zur Schliemann-Forschung austauschen. Daneben steht seit 20 Jahren ein Holzpferd, das an die berühmte List von Troja erinnern soll, welche gemäss Homer zur Eroberung der Stadt geführt hatte. Aus seinem Inneren konnten während diesen Jahren die Kinder der Museumsbesucher unfallfrei über den Schweif nach aussen rutschen, bis das Bauinspektorat herausgefunden hat, dass die Einstiegstreppe nicht heutigen Sicherheitsanforderungen entspricht. Augenblicklich wurde das Betreten des Spielzeugs verboten. Zwei Änderungsvorschläge sind seither abgelehnt worden und die Kinder, denen Troja egal ist und denen die ausgestellten Tonkrüge nicht viel sagen, wissen seither nicht so recht, was tun. Damit hat der deutsche Amtsschimmel schlussendlich sogar das Trojanische Pferd besiegt! Im Inneren des Museums findet sich eine beeindruckende Ausstellung, die unendlich viele Detailinformationen liefert, welche das Staunen über den ausserordentlichen Menschen Schliemann nur noch vergrössern, aber kaum erklären können. An der Geschichte von Troja bleibt auch nach dem Besuch noch einiges sagenhaft und wird es gewiss noch lange bleiben. Auf dem Friedhof der Kirche findet man als einziges Grab der Familie Schliemann jenes der Mutter, die, wie man meint, aus Kummer um das Leben ihres Mannes frühzeitig verstorben ist. Das Kreuz, gestiftet vom berühmten Sohn, trägt zuoberst dessen eigenen Namen, jener der Mutter folgt erst weiter unten... Ein paar Kilometer Richtung Süden führt ein Wanderweg zu den Quellen der Havel. Weil wir schon ein gutes Stück des Flusslaufs mit dem Schiff befahren haben, wollten wir auch etwas mehr über seinen Ursprung erfahren. Am Weg, der über weite Strecken einer alten Handelsroute folgt, liegen auch einige Megalithengräber aus der Jungsteinzeit, die von den Steinzeitmenschen aus Findlingen aufgeschichtet worden waren. Einige etwas jüngere Hügelgräber finden sich nicht weit davon. Nur wenig später dann kamen wir zum Bornsee, der ursprünglichen Quelle der Havel. Ein ganz besonders schöner Anblick. Von hier aus fliesst die Havel durch Mecklenburg und das nördliche Brandenburg nach Berlin-Spandau, Potsdam, Brandenburg, Werder und mündet nach 340 km bei Havelberg in die Elbe. Auf der ganzen Strecke hat sie ein Gefälle von lediglich 39m und bildet darum bei jeder sich bietenden Gelegenheit weite Seen aus, die noch heute die Grundlage für die touristische Bedeutung der ganzen Gegend sind. Doch das war nicht immer so. Im 14. Jahrhundert hatten Mönche, im verständlichen Bestreben, mehr Wasser auf ihre eigene Mühle zu leiten, den Abfluss im Mühlensee verlegt und damit das Wasser, das bis anhin in die Ostsee abgeflossen war, in die Nordsee umgeleitet. Es ist nicht anzunehmen, dass ihnen diese Konsequenz ihres Tuns bewusst war, ihr Vorteil lag allerdings klar auf der Hand. Am Ort der Umleitung befindet sich heute eine kleine Gedenkstätte, welchen den aktuellen Ursprung der Havel sichtbar machen soll. Unsere Rückfahrt führte einmal mehr über Strecken, wo es nicht ganz klar war, ob wir uns im Weg geirrt hatten oder ob die alte Handelsroute einfach nicht mehr so häufig benutzt wird. Bei unserem Abschied vom Schliemann Museum begegneten wir einer wunderschönen Weinbergschnecke, in der wir sogleich einen Weg- und Gesinnungsgefährten erkannten. Auch sie trägt geduldig ihr Haus mit sich, lässt sich auf ihrem Weg viel Zeit, ist überall zu Hause und kommt schlussendlich doch erstaunlich weit. Gleichzeitig gab sie uns den Auftrag, unser Haus auch stets so gut in Schuss zu halten.
Ein weiteres eindrückliches Erlebnis hatten wir im Moment, als wir
die Landstrasse erreichten. Nur einen Meter vor dem Vorderrad
entdeckte Matz eine wunderschöne Ringelnatter, die sich gerade
anschickte, die Strasse zu überqueren. Wir geleiteten das stattliche
Tier, das rund einen Meter mass, sicher über das risikoreiche Wegstück und verfolgten auf der
anderen Seite seinen Aufstieg das steile Strassenbord hinauf, der mit
unendlicher Eleganz und kaum fassbarer Geschwindigkeit erfolgte. Von
dort verschwand
die Schlange ins Brachland, das sie sicher über die nahe Grenze in den Müritz-Nationalpark zurückbrachte. Wen wundert's, dass wir mit zufriedenem Gefühl und
mit ganz besonderen Eindrücken in unsere kleine Stube
zurückkehrten?
Unser letzter Ausflug von Waren aus galt der Hansestadt Rostock,
der grössten Stadt von Mecklenburg-Vorpommern. Mit 200'000 Einwohnern
ist sie etwa doppelt so gross wie die Hauptstadt Schwerin. Vom ersten
Moment an waren wir überrascht von der Lebendigkeit und Lebensfreude,
die uns förmlich entgegenbrandete. Der Empfang im Hauptbahnhof etwas
ausserhalb des Zentrums war
doch eher nüchtern und erinnerte an grauere Zeiten. Die Stadt wurde im Mittelalter von einem geschlossenen Mauerring geschützt, der durch nicht weniger als 22 Tore den Zugang regelte. Von den Toren sind heute noch deren vier erhalten, von der Mauer immerhin noch zwei ansehnliche Teile. Am Neuen Markt zeigen einige alte Bürgerhäuser und das Rathaus, wie reich die ehemalige Handelsstadt einst war, als sie weitgehend vom Verkauf der Waren lebte, die im Hafen angelandet wurden. 1960 wurde der neue Überseehafen in Warnemünde eröffnet, wo heute die grossen Schiffe aus aller Welt anlegen. Auch die riesigen Kreuzfahrtschiffe, welche die Stadt regelmässig anlaufen. Der Stadthafen wurde seither hauptsächlich zur Flaniermeile und zum Segler- und Rundfahrtenhafen umfunktioniert und läuft jedes Jahr während der Hanse Sail Rostock für eine Woche zu seiner Höchstform auf. Hotelbetten sind in dieser Zeit allerdings rar und teuer! Mit ein Grund, dass unser Besuch so spät im Monat erfolgte. Nahe beim Neuen Markt liegt die Marienkirche, an der nach dem Einsturz der Vorgängerkirche ein halbes Jahrhundert gebaut worden war, bevor sie um 1450 eingeweiht werden konnte. Im 32m hohen Mittelschiff beeindrucken, neben der schieren Höhe, vor allem die gewaltige Orgel (1769) und die Renaissance-Kanzel (1574). Eine ganz besondere Sehenswürdigkeit innerhalb der Kirche ist die Astronomische Uhr von 1472. Die noch heute mit dem originalen Werk laufende Uhr wurde seit ihrer Entstehung (von einigen kriegsbedingten Unterbrüchen abgesehen), während fünfeinhalb Jahrhunderten also, jeden Tag aufgezogen und regelmässig gepflegt. Damit ist sie die älteste Uhr der Welt, die noch mit ihrem ursprünglichen Werk ihren Dienst leistet. Die zentrale Scheibe mit dem immerwährenden Kalender und vielen weiteren Angaben läuft Ende dieses Jahres aus und wird dann ausgetauscht. Sie ist die vierte seit 1472 und ihr Ersatz, der bis 2150 seinen Dienst erfüllen wird, steht schon im Keller bereit. Als sei sie das Herz von Rostock, liegt die Universität im Zentrum der Stadt. Sie wurde als Alma Mater Rostochiensis bereits 1419 gegründet. Bis heute ist sie mit rund 14'000 Studenten eine nicht sehr grosse Universität, die aber auch im internationalen Rahmen, besonders auf den Gebieten Medizintechnik und Biowissenschaften, Spitzenleistungen erbringt und einen ausgezeichneten Ruf geniesst. Ihr Hauptgebäude von 1870 strahlt eine angemessene Würde aus und liegt am Platz der Lebensfreude, der mit seinem überaus lebendigen Brunnen von Gross und Klein gerne besucht wird. Als eine der wenigen gelungenen Schöpfungen aus der DDR-Zeit verbindet er somit die Universität gekonnt mit dem alltäglichen Leben, was beiden Teilen ganz offensichtlich zu Gute kommt. Das Hausbaumhaus ist eines der ältesten Kaufmannshäuser der Stadt und wurde um 1490 erbaut. Seinen Namen trägt es wegen eines starken Eichenstammes, der zentral die Hauptlast des Hauses trägt. Damit konnte das Erdgeschoss ohne Zwischenwand gebaut werden, was ein effizientes Abladen der Waren gestattete, welche mit Karren vom Hafen hierhergebracht, direkt im Innern des Hauses abgeladen und in die oberen Stockwerke, die als Speicher dienten, verfrachtet werden konnten. In seinem Inneren ist das Haus äusserst geschmacksvoll restauriert worden und kann verschiedensten Anlässen einen würdigen und gediegenen Rahmen bieten. Ein weiterer Blickfang ist bestimmt auch das üppige Ständehaus, das zwar erst am Ende des 19. Jahrhunderts erbaut worden ist, aber gerade durch eine Verbindung verschiedener Baustile seine besondere Ausstrahlung erhält. Es liegt ganz in der Nähe des Steintors und ist heute Sitz de Oberlandesgerichtes. Das Steintor wird auf seiner Innenseite von zwei beeindruckenden und ganz offensichtlich sehr wehrhaften Greifen (dem Wappentier der Hansestadt und des Landkreises Rostock) bewacht. Vom Turm der Petrikirche, auf den man mit dem Lift hochfahren kann, hat man eine schöne, wenn auch etwas eingeschränkte Sicht auf die Stadt. Schön ist sie besonders Richtung Westen, wo man auf den Stadthafen und weit dahinter, in der Ferne, bis zum Hochseehafen Warnemünde sieht.
Am letzten Sonntag des Monats wurden wir ganz überraschend Zeugen einer besonderen Leistung. Gegen Abend entstand etwas Aufregung auf unserem Pier und wir vernahmen dabei, dass die Extremschwimmerin Anke Höhne unterwegs sei, die als erste Frau die Müritz in ihrer ganzen Länge durchschwimmen werde. Mit dem Einnachten wurden die Leute zunehmend ungeduldiger, denn die Sportlerin war um halb sieben am Morgen in Buchholz zu ihrem 32km Abenteuer gestartet und hatte den ganzen Tag gegen den Wind und den hohen Wellengang zu kämpfen gehabt. Mit etwa drei Stunden Verspätung stieg sie dann gegen halb zehn, es war schon wieder dunkle Nacht, direkt vor unserem Schiff aus dem Wasser. Sie hatte die ganzen Strapazen im 19° 'warmen' Wasser, ohne Neoprenanzug in Badekleider schwimmend, durchgestanden.
Und damit gingen die zwei Monate zu Ende, die wir für unseren Aufenthalt
in Waren eingeplant hatten. Der Bootsverkehr war schon während der
letzten Tage sichtbar zurückgegangen und im Hafen blieben jeden Abend
mehr Plätze leer. Unsere Entscheidung, die Ferienmonate etwas abseits
der Reiserouten abzuwarten, war also goldrichtig gewesen.
Noch einmal möchten wir der Stadtbehörde unseren Dank aussprechen, dass
sie
uns freundlich empfangen und so unseren Aufenthalt erst möglich gemacht
hat.
Den letzten Abend feierten wir mit feinen Müritzmaränen,
die wir beim Müritzfischer direkt gegenüber unserer Anlegestelle
bezogen haben. Wir können dieses Essen allen nur empfehlen, sind die Fische,
wenn man sie 'aoK' kauft, einfach zuzubereiten, sehr schmackhaft und
äusserst angenehm zu essen, da sich die Gräten in einem Stück fast
vollständig herausnehmen lassen.
Also verabschieden wir uns ganz freundlich von unseren Gastgebern und
allen Leuten, die Freude hatten an unserem Blumenschiff und uns das auch
in vielfältiger Weise mitgeteilt haben.
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