Mai 2017 |
Am 2. Mai sind wir von der Schweiz auf unsere Mizar zurückgekehrt. Eine knappe Woche später war es dann so weit und wir wieder unterwegs. Ein letzter Blick zurück unter der Brücke durch zeigt den Winter-Liegeplatz bei Brandenburg-Plaue an der Havel. Nach dem Plauersee fuhren wir diesmal durch den Silokanal auf der unteren Havel durch Brandenburg Richtung Potsdam. Gleich an seinem Anfang beobachteten wir, wie von grossen Lastkähnen Schrott ausgeladen und der Wiederverwertung zugeführt wurde. So mancher alter Herzenswunsch und vierrädriger Stolz findet hier ein eher unspektakuläres Ende. Wie viel Freud und Leid wohl auf diesem Haufen liegen? Nach der Übernachtung am Dampfersteg in Ketzin ging es weiter durch den Göttinsee nach Töplitz. Wenig später kamen wir erneut beim Inselstädtchen Werder vorbei, ...
... dann durch die Enge bei Caputh, über den Templinersee nach
Potsdam, wo wir im Yachthafen noch einen Platz fanden.
Der Dampfersteg hier, den wir vom letzten Jahr in guter Erinnerung hatten,
war durch die 'Felicitas' besetzt. Ein Passagierschiff mit etwa 24 Plätzen,
das unter dem Kommando seiner Kapitänin seit über zwanzig Jahren
spezielle Fahrten anbietet. Bei Kaffee und Kuchen mit der Besatzung, die
aus drei Leuten ebsteht, konnten wir
Erfahrungen austauschen und erhielten Einblick in eine ganz andere Welt, in der die Schifffahrt Leidenschaft, Beruf und
gleichzeitig Broterwerb ist.
Vorbei an der Glienickerbrücke und durch den Griebnitzsee fuhren wir in
den Teltowkanal. Den Weg dorthin säumten viele Sehenswürdigkeiten: von
Menschenhand geschaffene und andere. Diesen Weg hatten wir gewählt, weil wir noch einmal durch Berlin hindurch fahren wollten. Die Fahrt auf der Spree am Bundestag vorbei war für lange Jahre eines unserer Ziele gewesen und wir suchten darum so etwas wie eine weitere Bestätigung. Bei der Insel der Jugend fanden wir eine Anlegestelle, die für uns neu war, weil sie im letzten Sommer fest im Besitz von Sportbooten, Pedalos und Ausflüglern gewesen war. Nur zur Erinnerung: die Oberbaumbrücke, welche als Teil der Zonengrenze eine besondere Bedeutung hatte. Daneben, als direkte Folge des Mauerfalls, die ungebremste Bautätigkeit, die jetzt seit dreissig Jahren anhält und sicher noch genau so lange weiter gehen wird. Eine Übernachtung an der Friedrichstrasse, dann noch einmal vorbei am Bundestag ... ... und hindurch unter dem Parlamentariersteg, wo auf der linken Seite die Kita der Bundestagsabgeordneten ist. So früh stehen diese aber offensichtlich nicht auf, denn ihre Kinder sind noch zu Hause. Trotzdem, ordentlich parkieren haben sie schon gelernt.
In der Ferne grüsste der Fernsehturm vom Alexanderplatz und etwas links
davon leuchtete die Fahne der Schweizer Botschaft zum Abschied. Kaum hatten wir in Spandau angelegt, fuhr die 'Moby Dick' an uns vorbei, das etwas ausgefallene Passagierschiff, das wir schon im Juni 2016 mit Verwunderung bestaunt hatten.
Fast hätten wir es vergessen!
Gerne richtete sie uns für das Nachtessen einen gepflegten Tisch und
wir genossen in bester Laune einen gemütlichen Abend. Am nächsten Morgen fuhren wir zeitig los und erreichten nach etwa drei Stunden die Abzweigung zum Malzer Kanal, dem untersten Teil der Oberen-Havel-Wasserstrasse (OHW). Wir bogen gegen Norden ab und standen nach kurzer Zeit vor der Liebewalder Schleuse. Eine ungewohnte Erfahrung in Deutschland, weil die Schleuse automatisiert ist und die Schleusung vom Schiffer selber ausgelöst werden muss. (Für kleinere Schleusen in Frankreich ist das beinahe die Regel.) Für uns glich das einer Erlösung, denn die Schleusenwärter der grösseren und darum bedienten Schleusen hatten uns bis jetzt nicht gerade mit Dienstbereitschaft und Freundlichkeit verwöhnt. Funkaufrufe wurden nur selten beantwortet und Sportschiffer hatten aus Prinzip eine 'angemessene' Zeit zu warten. Ordnung muss sein und wer oben sitzt, darf das ruhig zeigen. Dass der Berufsverkehr Vorrang hat, ist auch für uns eine Selbstverständlichkeit. Noch mehr Eindruck machte uns aber einmal mehr das Erlebnis einer weitläufigen, offenen Landschaft, die nicht übermässig intensiv genutzt wird. Platz für Fuchs und Hase, aber auch für Wildschwein, Biber, Fischotter und Vögel + Co. Als Schweizer sind wir ja nicht mit grossen Landflächen verwöhnt und so ist das ein Anblick, der immer wieder überwältigt. Eine dringende Mahnung an alle Verantwortlichen, endlich sorgsam mit dem wenigen umzugehen, was uns noch geblieben ist. Im Städtchen Zehdenick empfing uns wieder einmal eine Zugbrücke, die vor der Schleuse automatisch geöffnet wird. Solche Brücken sind hier nicht häufig und diese verdient darum eine Erwähnung.
Zehdenick liegt am südlichen Ende einer grossen Fläche, in der seit dem
19. Jahrhundert in gewaltigem Massstab Ton abgebaut worden war, der von
über 40 Betrieben zur
Herstellung von Ziegelstein verwendet wurde. Dabei entstand das
bedeutendste Ziegeleigebiet Europas. Weil das schwere Endprodukt fast
ausschliesslich mit Binnenschiffen nach Berlin und Hamburg abtransportiert wurde, bekam auch dieser
Berufszweig eine ganz besondere Wichtigkeit. Darum sagt man
oft, dass Berlin aus dem Kahn erbaut worden sei. Tatsächlich sind
noch heute unzählige prächtige Kirchen und Verwaltungsgebäude in
Deutschland Zeugen
dieser fast untergegangenen Technik. Selbst Schlösser und bescheidene
Arbeiterhäuschen aus Backstein erinnern überall an diese Zeit.
Über weite Strecken, mindestens 60 km - oder für uns drei
Tagesreisen - glitten wir durch eine wunderschöne Landschaft. Wir folgten
dabei dem gewundenen Bett der Havel bergauf, dem,
obschon reguliert, weitgehend sein natürlicher Verlauf belassen wurde. Abwechslungsreich, einmal durch
geschlossene Mischwälder, dann durch lockere Auenwälder mit weiten
Rietgrasflächen, eingestreutem Kulturland und, wenn überhaupt, dann kaum sichtbar
besiedelt. Manchmal blieben die Ufer offen und erlaubten einen weiten
Blick übers Land, dann wieder beschränkten hohe Schilfgürtel die Sicht.
Etwas verwirrend in diesem Zusammenhang waren die Warntafeln, die am
Wegrand dann und wann zu auftauchten.
Quer über den Stolpsee fuhren wir am nächsten Tag
lediglich eine kurze Etappe bis Fürstenberg. Auch schon so früh in der Fahrsaison war der Schiffverkehr durch die Schleuse Fürstenberg bereits recht dicht und weckte ungute Vorahnungen, wie das in der Hochsaison aussehen könnte.
Durch den Röblinsee und die Steinhavel gelangten wir in den
Ziernsee. Dort starteten wir unser neustes Abenteuer. Zum
ersten Mal wollten wir eine Nacht vor Anker verbringen. Bis jetzt hat
uns entweder die Gelegenheit oder dann der Mut gefehlt. Aber hier in
diesem Seenparadies musste es nun einfach sein. Erstens wegen dem
Abenteuer, dann aber auch, weil in jedem Hafen alleine für das Anlegen
zwischen 1½-2 Euro pro Meter Schiff und Nacht(!) fällig werden. Das
läppert sich! Bei dieser Gelegenheit bekamen wir Besuch einer jungen Schwanenfamilie, die wahrscheinlich mit ankernden Schiffen schon gute Erfahrungen gemacht hatte. Man kann doch gar nicht anders, als die kleinen Wesen einfach gern haben. So waren wir alleine weit draussen auf dem See. Der einzige Nachbar, ein kleines BunBo, etwa 200 m weg, fast ganz im Schilf versteckt. Das Nachtessen servierten wir auf der Terrasse und bis es dunkel wurde, hatten wir uns derart an die Situation gewöhnt, dass wir mit ruhigem Gewissen die Nacht ruhig durchschliefen.
Am nächsten Morgen kam ein Fischer vorbei, der in der Nähe seine Netze
und Reusen absuchte, viele kleinere Fische mit einer Schöpfkelle achtlos über Bord warf und, wie es uns
schien, mit eher magerem Fang weiterfuhr. Weil allerdings die Wetterprognose schlecht war und für die nächsten beiden Tage Gewitter, starke Winde und Böen bis BFT 8 vorhersagte, suchten wir uns einen etwas stabileren Standort. Wir fuhren also weiter durch den Ellenbogensee nach Priepert, wo wir telefonisch einen Liegeplatz reserviert hatten. Vor Ort mussten wir aber feststellen, dass es für uns hier überhaupt keine geeigneten Plätze gibt und darum fuhren wir weiter zur Schleuse Strasen. Damit waren wir in die Müritz-Havel-Wasserstrasse (MHW) eingefahren. Auf beiden Seiten der Schleuse liegen lange Wartestege, die, für die hektische Sommersaison gebaut, jetzt fast etwas überdimensioniert wirkten. Mit Bewilligung des Schleusenwärters haben wir oberhalb der Schleuse, am Ende des Wartesteges angelegt und das schlechte Wetter problemlos überstanden. Unmittelbar neben der Schleuse steht übrigens das Hotel und Restaurant Löwen, welches die Forellen, der nachbarlichen Fischzucht ganz manierlich zu braten versteht. Eigentlich hatten wir geplant, von hier aus direkt nach Schwerin zu fahren. Weil aber schon jetzt, fast sichtbar von Tag zu Tag, der Schiffsverkehr zunahm und für uns geeignete Liegeplätze auf dem Weg dorthin sehr rar sind, haben wir beschlossen, nicht mit dem Schiff in die Hauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern zu fahren, zumal der Hin- und Rückweg zweimal über die selbe, nicht besonders attraktive Route erfolgen müsste. Auf jeden Fall werden wir uns aber die Stadt mit ihrem offenbar ganz besonderen Flair nicht entgehen lassen. Gemäss unserem neuen Plan fuhren wir darauf noch durch den Kleinen Pälitzsee und bogen an seinem südlichen Ende über den Schleusenkanal in die Rheinsberger Gewässer ab. Im Grossen Prebelowsee packte uns schon wieder die neu entdeckte Lust, wir ankerten für die nächsten drei Tage und genossen die so gewonnene Freiheit. Der Ort war nicht mehr ganz so ruhig wie der erste, und wir beobachteten bei mehreren Gelegenheiten, dass bei den Älteren die in der DDR geübte Freiheit des Nacktbadens noch immer hoch im Kurs steht. Wir verbrachten die Zeit mit kleineren Arbeiten auf dem Schiff, mit Lesen oder - ganz einfach - mit Faulenzen. Am Abend jedoch, als die Tagesausflügler heimgekehrt waren, hatten wir den ganzen See wieder für uns alleine. Das Wetter wurde zunehmend besser, die Temperatur überschritt am dritten Tag gar die 30 Grad-Grenze, was uns bewog, unser Kajak seetüchtig zu machen, womit wir trotz Ankerplatz im offenen Wasser Beweglichkeit zurückgewannen. Und, ein Bisschen Sport tut gut.
Am letzten Sonntag des Monats machten wir uns auf den Weg nach
Rheinsberg. Trotz seines Namens, der uns bekannt vorkommen könnte,
heisst der Fluss, an dem das Städtchen liegt: Rhin und die Berge sind
eher von holländischem Format.
... aber je mehr wir uns unserem Ziel näherten, wurde es eines:
Anlegestellen waren mehr als knapp. Hier würde Hupen nicht helfen. Unmittelbar beim Stadtzentrum, wo sich dieses gegen den See hin öffnet, machten wir unsere Wohnstube fest und gingen erst mal die Gegend erkunden. Bloss hundert Schritte bis zum Schloss, dem Kennzeichen von Rheinsberg. Dieses bescheidene Gebäude machte der Preussische König Friedrich Wilhelm I seinem Sohn, dem späteren König Friedrich II zum Geschenk. Einfach so. Was auf dem Bild nicht sichtbar ist: dazu gehören ein Park und ein Lustgarten, beide um Grössenordnungen weitläufiger als die eigentliche Schlossanlage.
Das Städtchen ist klein, aber gemütlich. Offensichtlich für viele Leute
attraktiv und entsprechend gut besucht. Fruchtbar ist darum der Boden
auch für das Gastgewerbe, was bekanntlich gute Köche anzieht. Auch war die Gegend offenbar wieder ausreichend besiedelt, so dass wir nach mehreren Tagen Funkstille erstmals wieder Zugang zum Internet hatten und damit den vernachlässigten Kontakt zur Aussenwelt wieder etwas pflegen konnten.
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