Januar 2016 |
Wir hatten im letzten Monat Anker geworfen im Strom der Zeit. Offenbar hat er aber keinen Boden gefunden und darum nicht gehalten. Schon sehr bald hat die Ankerwache angeschlagen und damit angezeigt, dass die Zeit gekommen ist für den ersten Bericht im neuen Jahr. Von Napier ging es weiter Richtung Norden, teils der Küste entlang, dann wieder mehr im Inneren des Landes. Der erste Tag des Jahres war grau und trüb. Der Himmel war grau und breitete Nieselregen über die Landschaft, und selbst der Sand an der Küste war grau. Aus dem Schwemmholz werden hier 'Häuser' aufgebaut und man sagt, dass, wenn sie lange stehen bleiben, das ein gutes Zeichen für die Zukunft sei. Unterwegs sind wir auf ein technisches Zeugnis der Vorkriegszeit gestossen, das sehr auffällig war. Eine Gedenktafel, die etwas weiter unten angebracht worden war, berichtet über die Entstehung dieses Eisenbahnviadukts. Diese war für uns Ansporn genug, etliche hundert Meter zu Fuss den Berg hinauf zurückzugehen um ein aussagekräftiges Bild der Brücke zu machen. Hundert Jahre nachdem die ersten Siedler aus Europa hier eingetroffen waren, hatten sie das Land gewaltig verändert und ihre Spuren waren unübersehbar. Diese kleine Bahn hat viel zu der beschleunigten Entwicklung beigetragen. Zur Hauptsache hatte sie wohl Wolle, Holz, Vieh, Bergbau- und Landwirtschaftsprodukte transportiert. Sie hat aber auch tausende von Maoris zu Sammelplätzen gefahren, von wo sie nach dem fernen Europa und zu den Schlachtfeldern des zweiten Weltkrieges verschifft wurden. Dort haben die meisten für die Interessen Englands ihr Leben geopfert. Schon im ersten Weltkrieg, wenige Jahre nach der unfreundlichen Übernahme ihres Landes, waren unzählige freiwillig nach Europa in den Krieg gezogen. Sie hatten dort eigene Maori-Regimenter gebildet, die sich durch ihre besondere Tapferkeit ausgezeichnet hatten. Sie hatten damit ein ganz besonderes Verantwortungsgefühl bewiesen, das wohl in ihren weitverzweigten Familienstrukturen begründet liegt. In der Tolaga Bay steht der längste Beton-Pier Neuseelands. Anfänglich war die Ware, zumeist Schafwolle, mit kleinen Ruderbooten durch die raue Brandung zu den grossen Schiffen hinaus gebracht worden, die weit draussen in der Bucht ankern mussten. Nun konnten diese am 660 m langen Steg direkt anlegen. Eisenbahnwagen rollten nun direkt zu den Schiffen und konnten sie so viel effizienter beladen. Der Zahn der Zeit hatte aber arg an der Betonkonstruktion genagt, sodass der Pier im Jahre 2013 total restauriert werden musste. Den umliegenden Gemeinden war die Erinnerung an die frühere Siedlerzeit so viel wert, dass sie dafür unglaubliche finanzielle Opfer brachten. Der wirtschaftliche Nutzen der Anlage wird beim Vergleich der Arbeitsabläufe offensichtlich.
Wir waren nun auf dem Weg zum East Cape, dem
östlichsten Punkt Neuseelands. Unser Weg führte auch an Tikitiki vorbei. Dort ist eine anglikanische Kirche im Maori Hinterland gebaut worden, die aber, wie die ganze Gegend, sehr stark von der indigenen Tradition geprägt ist. Der Eingang ist gebaut wie der Eingang zu einem Marae, dem Versammlungsraum einer lokalen Familie, der, wie die Familie selber, den Maoris heilig ist. Das Innere ist reich verziert mit Schnitzereien und Fresken, alle in typischer Maori-Tradition.
Die Weihnachtskrippe dagegen wirkt eher wie ein Fremdkörper, obschon die
Bevölkerung durchaus noch stark religiös geprägt ist. Das Ostkap ist nur von Te Araroa aus auf der Strasse erreichbar. Diese ist zwar am Anfang befestigt, wird dann aber bald zur Kiesstrasse - etwas abenteuerlich für unser Fahrzeug - und war, ganz dem Wetter entsprechend, nass, rutschig und unübersichtlich. Schlussendlich erreichten wir aber doch noch das Kap und den Leuchtturm, der die Schiffe vor den gefährlichen Felsen warnen muss. Im Nebel war er allerdings nur schemenhaft zu erkennen (und unser Foto macht es auch nicht viel deutlicher).
Den Hang hinauf führte uns ein ausgebauter Weg mit 876 Stufen (2 Mal
gezählt!), damals der Arbeitsweg für den Leuchtturmwärter, bevor die
Bedienung automatisiert wurde. Das Licht wird heute vom fernen
Wellington aus gesteuert
und kontrolliert. Damit ging, einmal mehr, ein traditionsreicher Arbeitsplatz für
immer verloren. Unsere Weiterfahrt war dann durch viel besseres Wetter begünstigt und führte durch eine abwechslungsreiche, wunderschöne Landschaft mit vielfältigen Aussichten und - natürlich - auch durch viele, viele Schaf- und Rinderweiden. Im Landesinneren, etwas östlich von Matamata, erinnerte uns die Landschaft sehr stark an heimatliche Gefilde, da die Kaimai Range ohne weiteres mit den Juraketten zu Hause zu vergleichen sind (wenigstens aus der Ferne). Die Wairere Wasserfälle mit einer Höhe von rund 150m, die wir mit einem sportlichen Aufstieg entlang des Flussbettes erreichten, stellen eine der bedeutenden Sehenswürdigkeiten in der Gegend dar. Obschon der Weg, zum Wohl der Touristen, sehr gut ausgebaut ist, führt er durch dichte Wälder aus Bäumen, die dem Fremden eben fremd sind, wobei die ausladenden Wedel der Silberfarnbäume einen überwältigenden Anblick bieten.
Das grösste Erlebnis für die eine Hälfte unserer kleinen Reisegruppe war
der Besuch von Hobbiton. Ein erster Blick den Hügel hinauf: Jedes Hobbit-Hole ist verschieden und zeigt den Charakter und Beruf der Bewohner. Für Kenner des Films: links das Hobbit-Hole von Bilbo und Frodo unter dem grossen Baum, rechts jenes von Sam, dem treuen Begleiter Frodos. Der Platz des Geburtstagsfests von Bilbo mit dem grossen Partytree... ... und die Sicht auf den 'Green Dragon Inn' mit der Mühle und der Zweibogenbrücke. Im Green Dragon gab es dann auch eine willkommene Erfrischung. Ein letzter Blick auf das Dorf, äusserst schön hergerichtet und gepflegt. Ein Muss für Fans der 'Herr der Ringe'!
In
Waihi steht mit der Martha Goldmine
das wichtigste Zeugnis des Goldrausches in der Gegend. Nachdem um 1880 hier Gold
gefunden worden war, strömten zahlreiche Siedler auf ihrer Suche nach
dem Glück hierher. Mit seiner wechselhaften Geschichte im Laufe
der Jahre hat das Werk die Gegend geprägt. Zeitweise grossflächig im Tagbau, dann aber
auch in tiefen Stollen, ist das goldhaltige Gestein abgetragen worden.
Es wurde danach mit einer kleinen Eisenbahn,
die extra zu diesem Zweck gebaut worden war, nach
Waikino transportiert. In der
dortigen Victoria Battery zerkleinerte ein gewaltiges
Schlagwerk, dessen 24-Stundenbetrieb kilometerweit zu hören gewesen war,
mit Dampf- und Wasserkraft alles zu Sand. Aus diesem wurde dann das
wenige Gold herausgewaschen. In der Mitte des letzten Jahrhunderts wurde
die ganze Anlage geschlossen. Ende der 80er-Jahre hatten besonders Wagemutige
aber erneut
mit der Goldsuche angefangen. Heute steht das Werk einmal
mehr vor dem Aus.
Der Ostküste der Coromandelhalbinsel entlang fuhren wir
weiter nach Norden. Eine ganze Reihe von kleinen Buchten bietet
hier Raum für alle Tätigkeiten, die irgendwie mit dem Meer in Verbindung
zu bringen sind. Besonders beliebt ist die Hochseefischerei, wo
'richtige' Männer mit übermotorisierten Booten, die mit einer ganzen
Batterie von Fischruten ausgerüstet sind, ungehemmt ihr Ego
ausleben können.
Es blieb uns noch der Weg um die Bay of Thames, wo wir
in Te Puru gerne noch eine Ehepaar besucht hätten,
das wir vor Jahren in Frankreich mit dem Schiff kennen gelernt hatten.
Das Glück war uns diesmal nicht ganz so hold: es war niemand zu Hause.
Damit war das Ende unserer Rundreise gekommen. Das Auto war rasch
zurückgegeben und uns blieben noch drei Tage in Auckland. Die Dauer unserer bisherigen Reise hatte sich auch in unserer Haarpracht niedergeschlagen und dafür fanden wir in einem chinesischen Hairsaloon Abhilfe. Während bei der einen Hälfte unserer Reisegruppe die 'Operation' problemlos war und keine zwei Minuten dauerte, brauchten die beiden Damen längere Zeit, bis sie sich einig wurden. Aber sie hatten es lustig dabei. Das Wetter war einmal mehr nicht ganz immer so, wie es uns die Bilder glauben machen wollen, denn Fotoapparate sind wasserempfindlich. Und dazu war es beim vorherrschenden Wind für unser Gefühl recht kalt. Also marschierten wir etwas schneller und suchten die schöneren Ecken der Stadt. Ein wenig vermissten wir dabei einen zusammenhängenden Charakter, was dem unbekümmerten Aneinanderreihen von ganz unterschiedlichen Baustilen zu verdanken ist.
Auckland ist also die erste Grossstadt, bei der uns, trotz Hafen,
grossen Geschäftsstrassen, einem schönen Park mit einer alten
Universität, 'unser' Hotel 'Shakespeare' besser als
die Stadt gefallen hat. Am Mittag des letzten Tages wurde es Zeit für die Abreise: das Flugzeug nach Samoa startete am späten Nachmittag und ... ... als wir auf dem Flugplatz von Apia, der Hauptstadt, landeten, war es stockdunkle Nacht (und die Zeitdifferenz zur Heimat 13 Stunden!). Wir logierten in der Airport Lodge, die aber etwa 15 km vom Flugplatz weg ist. Wenn wir von hier aus die 35km in die Stadt fuhren, brachten uns farbenfrohe lokale Busse dorthin.
Die Busfahrt selber ist ein ganz besonderes Erlebnis, das wahrscheinlich
nur auf Samoa möglich ist. Zunächst fährt der Bus nicht nach Fahrplan,
sondern erst, wenn er voll ist. Wenn dann aber an den nächsten Stationen
weitere Leute zusteigen, finden diese nur Platz, indem sie sich anderen Passagieren auf den Schoss setzen. Wenn das Angebot dazu nicht
sekundenschnell erfolgt, muss der/die Auserwählte auf ein kurzes Zeichen
des Zusteigenden hin seinen Schoss zum Verweilen anbieten oder sofort
aufstehen. Immerhin darf er sich danach zum Lohn auf den Schoss des Zusteigers setzen. Was bei uns absolut undenkbar wäre, ist hier völlig
normal und alle nehmen es mit Humor. Nur wenn man weiss, dass samoische
Körpermasse in der Regel von der Art XXXL sind, kann man die Tragweite
dieses Verhaltens richtig ermessen. Zu all dem spielt der Fahrer in
voller Lautstärke seine Lieblingsmusik und sorgt nebenbei dafür, dass
sämtliche Einkäufe vom Markt in seinem über und über dekorierten Bus
trotz allem Platz finden. Durch das Busfenster erhielten wir die ersten Eindrücke und staunten dabei ob der offenen Bauweise der Häuser.
Am dritten Tag fuhren wir in unsere 'richtige' Unterkunft, den
Taufua Beach Fales in Lalomanu. Das liegt an
der Südost-Küste von Upolu, der
Hauptinsel von Samoa. Eine Busfahrt von 1½ bis 2½ Stunden entfernt. Ein
Fale ist genau so eine offene Unterkunft, wie sie uns schon in der
Umgebung der Hauptstadt aufgefallen sind. Sie entsprechen bestens dem
Klima und noch viel mehr den hiesigen Familien mit ihren zahlreichen
Mitgliedern, die sich jede Woche mindestens einmal treffen und auch
sonst gerne zusammenleben. Immer am Sonntag, der hier wirklich geheiligt wird, bereiten ein paar Männer, die Frauen sind derweil in der Kirche oder sonstwie beschäftigt, das Mittagessen für die ganze Familie zu. Umu nennt sich dieses Geschehen. Ein fast heiliges Ritual, in das bereits die jungen Knaben ab ihrem 8. oder 9. Lebensjahr eingeführt werden. In einem eigens dafür eingerichteten Fale wird auf einer Feuerstelle aus vielen Flusssteinen, die mit einer Unmenge von brennenden Kokosnussschalen aufgeheizt werden, ein umfassendes Essen für 40-50 Leute zubereitet. Wir hatten das Glück, von der Familie der Besitzer unseres Resorts zu diesem Umu eingeladen zu werden. Dabei erlebten wir, wie aus verschiedenen Früchten, Fischen und drei jungen Schweinen auf traditionelle Art ein schmackhaftes Essen zubereitet wurde. Dabei konnten wir ganz sicher sein, dass dies weder Show noch Touristenattraktion war. Die Speisen wurden zunächst gereinigt, geschält und dann in verschiedene Blätter eingewickelt. Aus einer Unzahl reifer Kokosnüsse wurde in harter Arbeit das Innere heraus geraspelt bis ein ganzer Kessel mit den feinen Flocken gefüllt war. Diese wurden dann mit einem Wisch von Kokosfasern aufgenommen und ausgewunden, wobei die austretende milchige Cocoscrème in einer Schüssel aufgefangen und mit geschnittenen Zwiebeln vermischt wurde. Geschickte Hände schöpften diese Flüssigkeit in ein Blätterbündel, welches mit einem gekonnten Wickel verschlossen und so dicht gemacht wurde. Dies alles ergab, in den Blättern gekocht, später ein köstliches Gericht, das Palusami genannt wird. Als die Steine genügend Hitze gespeichert hatten, wurde die Asche entfernt, die Kraken kurz angebraten und dann die anderen vorbereiteten Speisen wohlgeordnet aufgeschichtet.
Dazu kamen halbierte Früchte des Brotbaumes, die später wie
Kartoffelchips schmecken und Taro Knollen, die als geschwellte
Kartoffeln durchgehen könnten.
Am Schluss wurde alles mit reichlich Bananenblättern zugedeckt und
während einer Stunde zum Garen in Ruhe gelassen.
Während dieser Zeit setzten sich die Männer zusammen und flochten aus
Palmwedeln geschickt die Körbe für den Transport der fertigen Speisen. Am schönen Sandstrand mit kristallklarem Wasser, das angenehm warm und ruhig war, während am Aussenriff der ganze Pazifik gegen uns anrannte, genossen wir während einer knappen Woche das, was man sich in den Träumen als Südseeinselferien vorstellt. Unsere Unterkunft bot zwar bescheidenen Komfort, dafür aber einen Luxus, der sich mit Geld nicht kaufen lässt und an den sich die Seele erst gewöhnen musste. Dazu kommt, dass die äusserst herzliche Besitzerfamilie selber immer mit zahlreichen Mitgliedern vertreten war, welche sämtliche Arbeiten übernahmen. Mit einer unkomplizierten, aber abwechslungsreichen und schmackhaften Küche wurde auch für den Leib aufs Beste gesorgt. Auch dass von den Gästen immer gut die Hälfte Einheimische waren, ist für die Echtheit des Erlebnisses wohl Beweis genug.
Anzufügen ist am Schluss, dass die ganze Anlage 2009 durch einen
riesigen Tsunami dem Erdboden gleich gemacht worden ist und dass bei dem
Ereignis die Besitzerfamilie selber 13 ihrer Mitglieder verloren hat.
Vielleicht hilft gerade dieses Wissen, die Herzlichkeit und den Frohmut
dieser Leute richtig zu würdigen.
Mit einer Nachricht von Freunden aus Leer, wo unsere Mizar während dieser Zeit auf uns wartet, meldete sich eine winterlich kalte Welt zurück, der wir meinten, entflohen zu sein und die dennoch jeden Tag in unsere Gedanken zurückkehrte.
Die Mizar hat sicher kalte 'Füsse', aber es scheint
ihr gut zu gehen. Die Weiterreise nach Fiji gestaltete sich dann nicht ganz problemlos, weil uns erst auf dem Flugplatz von Apia, um 06.00 nach einer fast einstündigen Taxifahrt, mitgeteilt wurde, dass unser Flug ausfallen würde. Anderthalb Tage später klappte dann aber alles bestens. Wir landeten zunächst in Nadi und stiegen dort im Domestic Terminal in eine kleine Twin Otter (DHC 6) um, die uns sicher auf die Insel Kadavu brachte, welche etwa 100 km südlich der Hauptinsel liegt. Die Innen- und die Aussenansichten während des Fluges waren eher ungewöhnlich, aber schön! Auf unser Gepäck mussten wir nicht lange warten, denn wir konnten es direkt am Flugzeug in Empfang nehmen.
Murphy hat es dann aber nochmals versucht. Er hat uns in das falsche
Boot einsteigen lassen, das uns beinahe in das falsche Resort (Matava),
das auf der anderen Seite der Insel liegt, gebracht hätte. Den kleinen
Unterschied im Namen hatten wir in der Aufregung überhört.
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