September 2015 

  

      

 Friesland pur, das war das Thema dieses Monats.
Eine weite, flache und grüne Landschaft, sowie zahlreiche kleinere, lebhafte Städte begleiteten uns während dieser Zeit.
Am ersten Tag verliessen wir unseren Liegeplatz am Peanster Ie, der uns während einiger Tage eine gemütliche Bleibe geboten hatte und fuhren weiter, vorbei an Grou, nordwärts. Es war gar nicht so einfach, in dieser Umgebung aussagekräftige Bilder zu schiessen, denn das Land war flach, der Horizont immer sehr weit weg und teilte das Bild gnadenlos in zwei Hälften: Himmel und Erde. Trotzdem gab es auch so erstaunliches zu entdecken. Containerberge schienen sich quer durchs Land zu schieben, bevor nach der nächsten Kurve das dazugehörende Schiff sichtbar wurde. Riesige Kuhherden und vereinzelte Pferde (nicht ausschliesslich Friesen!) säumten die Kanäle und hatten wenig anderes zu tun, als zu fressen und Ruhe auszustrahlen.

  

Dort, wo sich allerdings die Menschen bemerkbar machten, da war es rasch um die Beschaulichkeit geschehen: nicht unbedingt sehr übersichtliche Vorschriften und Anweisungen sorgten für effiziente Abläufe.

  

Wir waren auf dem Weg nach Leeuwarden und dieser führte durch das kleine Dorf Wergea. Wie viele der umliegenden Dörfer legt auch dieses, seit seiner Eingemeindung mit Leeuwarden vor einigen Jahren, heute vermehrt Wert auf den friesischen Namen. Zuvor hatte es sich Warga genannt. Das tönt etwa so kompliziert wie sich dann die Durchfahrt durch das Dorf für uns erwies. Zwar hätte es eine komfortable Umfahrung gegeben, doch der kleine Kanal durch die Dorfmitte erschien uns viel reizvoller. Zumindest auf der Karte. Eine Tafel bei der Einfahrt erwähnte zwar eine Breitenbeschränkung, die für uns jedoch völlig ausreichend war. Als Problem erwies sich dann aber die Länge unseres Schiffes und so mutierte das Reizvolle rasch zum Anspruchsvollen. In jeder Kurve wurde es vorne und hinten reichlich knapp. Damit avancierten wir rasch zur Attraktion des Tages, denn zahlreiche Einwohner begleiteten uns, mit Fotoapparat bewaffnet, quer durchs Dorf und hofften wohl insgeheim auf ein spektakuläres Ende unserer Durchfahrt. Aber geboten wurde ihnen nur etwas Abwechslung, denn Matz führte die Mizar langsam und ruhig durch alle Engpässe und am Schluss durch die geöffnete Brücke, welche eigentlich der Anlass zur Breitenbeschränkung gewesen war. Der Brückenwärter winkte uns vergnügt durch, denn ihm schien die Abwechslung wahrlich willkommen gewesen zu sein.

Mit Leeuwarden besuchten wir die Hauptstadt von Friesland. Als frühere Handelsstadt bietet sie noch heute viele Liegeplätze für grössere Schiffe und wird von solchen auch gerne besucht. Wie in fast allen holländischen Städten gibt es hier ein vielfältiges Angebot an Cafés und Restaurants und entsprechend intensiv ist das Leben entlang der Strassen. Kanäle umfassen das ganze Stadtzentrum und verlaufen durch grosszügige Parkanlagen.
 
Bestimmt wurden viele bedeutende Leute in Leeuwarden geboren, doch wird der Name der berühmtesten Tochter der Stadt eher mit Paris oder Istanbul in Verbindung gebracht als mit diesem Städtchen in Friesland. Die doch recht kleine und bescheidene Statue der Mata Hari im Zentrum will nicht so recht zu ihrem geschichten- und geheimnisumwobenen Leben passen. Als Kind eines einfachen Hutmachers  wurden ihr schon früh die moralischen und materiellen Grenzen zu eng. Mit dem Einsatz aller ihr zur Verfügung stehenden Mittel fand sie Zugang zu den allerhöchsten Kreisen der Gesellschaft und wurde rasch als freizügige Tänzerin weltbekannt. Die politischen Verwerfungen vor dem ersten Weltkrieg geschickt nutzend, erreichte sie die Wertschätzung vieler einflussreicher Politiker und Militärs der verschiedensten Nationen. Gegen Ende des Krieges wurde ihr ausgerechnet dieser Erfolg zum Verhängnis, denn sie wurde wegen angeblicher Spionage in Frankreich hingerichtet. Zu ihrem Geburtshaus (das Original ist allerdings vor einiger Zeit abgebrannt) versperrte uns eine grosse Baustelle den Zugang.
(Die Statue ist trotzdem über der Brücke gerade noch sichtbar.)

   

Die Noorder Stadsgracht bietet viele Liegeplätze, wie sie sich ein Schiffer schöner nicht wünschen könnte.
Bei der Ausfahrt aus der Stadt bekamen wir dann die wohl beste Aussicht auf eines der bekannteren Wahrzeichen der Stadt: der Oldehove, ein mächtiger Turm, der 1529 aus der einfachen Vituskirche aus dem 13. Jahrhundert aus Prestigegründen eine Basilika hätte machen sollen. Aber bereits während seiner Errichtung neigte er sich so bedenklich zur Seite, dass die Bauarbeiten umgehend aufgegeben werden mussten. Die Kirche selber ist 1595 abgerissen worden, der Turm ist aber bis heute tapfer stehen geblieben.
Nicht ganz Pisa, aber immerhin!

  

Kaum hatten wir die Grenzen der Stadt hinter uns gelassen, waren wir schon wieder inmitten einer grosszügigen  Landschaft, die aber reich an kleinen Idyllen ist.

  

Ziehbrücken und Windmühlen, holländischer könnte die Landschaft nicht sein. Etwas verwirrend waren allerdings die Lichter bei der Brücke in Burdaard, die sich bis am Schluss nicht einig werden konnten, ob sie uns die Durchfahrt gestatten wollen.

Nach ein paar kurzen Etappen und einigen längeren Aufenthalten in dieser wohltuenden Umgebung näherten wir uns der Stadt Dokkum.
Da der prominente Platz unter der Molen de Hoop gerade frei war, wählten wir dieses Postkartenmotiv als Liegeplatz für eine ganze Woche Ferien in Dokkum.
Was kann man mehr wollen?

Gleich um die Ecke liegt ein weiteres Becken, in dem an einem der nächsten Tage gleichzeitig vier weitere Schiffe mit Schweizer Flagge Halt machten.
Nicht schlecht für ein kleines Binnenland.
Ein etwas grösseres Schiff führte auch den Wimpel der Dutch Barge Association, unserer weltweiten Vereinigung der Liebhaber entsprechender Schiffe, der wir sehr viele wertvolle Informationen und unzählige spannende Kontakte verdanken. Da wir dem Skipper-Paar schon einige Tage zuvor an einer Marrekrite begegnet waren, benutzten wir hier die Gelegenheit, die damals begonnenen Gespräche nun gemütlich weiter zu führen. Dabei erzählten uns Lynn und Peter, dass sie, nach vielen Jahren auf einem Narrowboat in England, jetzt den Kontinent auf ihrer 'Tramp' erforschen wollen. Der entsprechende Erlebnisaustausch könnte wohl immer noch andauern, hätten sie nicht zum Abholen von eingeladenen Gästen schon bald weiterfahren müssen.

  

Während unserem Aufenthalt in Dokkum hatten wir einmal mehr eine Schlechtwetterperiode mit starken Winden abgewettert, die auch am Tag unserer Weiterfahrt den Morgen fast wie einen Abend aussehen liess.
Durch die Dokkumer Grootdiep fuhren wir Richtung Lauwersmeer, wo wir uns endgültig von Friesland verabschiedeten und uns von nun an in der Provinz Groningen bewegten.

Reitdiep nennt sich der Kanal, der von hier direkt in die Stadt Groningen führt. Unter der Reitdieper Brücke bot sich wieder einmal die Gelegenheit von unabhängiger Seite die Höhe über Wasser unserer Mizar zu 'kontrollieren'. Mit 3.40m ist die Brücke beim aktuellen Pegelstand angeschrieben, 3.30m ist unser Schiff: 10 cm sollten also noch frei bleiben.
Kurz nach der Brücke fanden wir diesen Anlegeplatz, der lediglich aus ein paar Pfosten und zwei Querbalken bestand und fast in der Flussmitte erstellt worden war. Hier beschlossen wir, das Ende des doch etwas unfreundlichen Tages abzuwarten. Weil wir hier keine Ruhestörung gewärtigen mussten, liessen wir auch während der Nacht mit gutem Gewissen die Türen unverschlossen.

  

Groningen ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Auch hier prägt die Flussschifffahrt das Bild der 200'000 Einwohner Stadt. Schon die Einfahrt führt durch lange Reihen von Wohnarken der verschiedensten Bauarten. Das Wohnen auf dem Wasser ist in Holland sehr begehrt und daher entsprechend schwierig zu verwirklichen. Darum wird dieses Recht, einmal erworben, kaum mehr aufgegeben. Dies wiederum spiegelt sich gelegentlich im Zustand der entsprechenden Behausungen. Oft wundert man sich darum, dass derart in die Jahre gekommene Schiffe noch immer bewohnt werden können.

     

Wie wir es uns schon fast gewohnt sind, fanden wir einen Liegeplatz praktisch im Zentrum der Stadt. 100 Meter bis zur Fussgängerzone, das ist doch ein Grund zum Bleiben. Die Stadt ist äusserst lebendig, leistet sich einen grossen Markt vier Mal in der Woche und die Ladengeschäfte sprechen hauptsächlich ein junges und modebewusstes Publikum an. Kaum zu verwundern, nimmt doch die hier ansässige Universität fast ein Viertel des Stadtgebietes in Anspruch. Bildung und Forschung mit 30'000 Studenten und dem entsprechenden Lehrpersonal, das prägt natürlich die ganze Stadt.
Neugierige Besucher gibt es auch immer...

  

Wo immer es einen richtigen Turm gibt, den man besteigen kann, da können wir selten widerstehen.
Hier war es der Turm der Martinikerk.

Auch wenn es oben sehr windig war, boten sich vielfältige Ein- und Ausblicke, welche die Mühe des Treppensteigens über 251 Stufen hundertfach wettmachten. Sogar Trauzeugen sind wir so geworden.

     

Der Noorderhaven beherbergt eine Unzahl von Schiffen aller Art. Eine ganz spezielle Wasser-Bohème hat sich hier niedergelassen und fristet ein Dasein, dessen Vorteile und besondere Reize wohl nicht jedem auf Anhieb verständlich sind.

  

Welch ein Kontrast zur sonst so aufgeräumten und organisierten Stadt!
Keine Durchfahrt für die Wasserpolizei!

     

Am letzten Tag des Monats verliessen wir Groningen und fuhren Richtung Deutschland, wo wir in einem Monat unser Winterquartier aufschlagen werden.

Monat September'15:
-23 h 25' Motorzeit
- 1 Schleuse
- 40 bewegliche Brücken
- 116 km

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