August 2013

Die Fahrt auf dem Gent-Terneuzen Kanal war ein Eintauchen in die Welt der Hochsee-Grossschifffahrt. Dieser Teil des 'Kanals' ist zugleich Seehafen von Gent und der ganzen Region. Daher löschen und beladen hier alle Arten von Frachtschiffen, die oft mehrere hundert Meter lang und entsprechend hoch sind. So würde bei der 'Quebec' im Bild rechts die Dachkante der Mizar nur knapp über die Mitte der roten Fläche reichen. Die Binnenschiffer waren beeindruckt!

  

Das Auswassern bei Carron Marine war für uns eine ganz neue Sache. Wir kannten bislang bloss das normale Trockendock, welches geflutet wird, worauf das Schiff hinein fahren kann. Nachdem ein Taucher Eisenböcke sorgfältig an den richtigen Stellen platziert hat, wird das Wasser abgelassen. Danach 'sitzt' das Schiff auf den Böcken.

Hier wird das Schiff auf kleinen Schienenwagen aus dem Wasser gezogen. Das hatten wir noch nie erlebt.
Zwei Arbeiter der Werft kamen auf die Mizar, den Abstand der geeigneten Spanten zu messen. Daraufhin wurden die zwei Wagen in der richtigen Distanz hintereinander gehängt und auf einem Geleise ins Wasser gelassen. Ihre Position wird über dem Wasser durch zwei Stangen angezeigt. An diese mussten wir die Mizar manövrieren und dann zog die Winde langsam an. Mit Hilfe des Motors hielten wir das Schiff über den Wagen, bis es von diesen aus dem Wasser gehoben wurde. Danach ging es im Schneckentempo weiter den Hang hinauf.

     

Mit Hilfe von hydraulischen Pressen wurde die Mizar aufgebockt, die Wagen hervorgezogen und dann stand sie ganz ungewohnt an Land.

  

Es gab viel zu tun: putzen, kontrollieren, schleifen, schweissen, malen, malen, malen. Die Lebensbedingungen in dieser Zeit waren nicht gerade luxuriös: Toilette im Schuppen neben den Schiffen, Dusche in den Umkleideräumen der Arbeiter und an Bord alles in Schräglage. Aber unsere 'Nachbarn' hatten ja das gleiche Schicksal, und das brachte alle einander näher. Rasch entwickelte sich ein familiäres Verhältnis, wie es besser kaum sein könnte.

  

Zwischendurch gab es immer wieder kurze Verschnaufpausen, wenn wir zum Beispiel staunend zuschauten, wie eines der ganz grossen Schiffe mit Schleppern an seinen Standplatz gezogen wurde.

Nach einer Woche sah die Mizar fast wieder aus wie neu.

Georges und Hansruedi im Werft-Tenü, Bart inklusive...

Endlich ging es wieder zurück ins Wasser!
Erst die Péniche von Georges und dann wir...

In Merelbeke organisierten Bernadette und Heinz für uns einen Liegeplatz genau gegenüber der Dagens 2. Hier blieben wir ein paar Tage und erstellten annähernd wieder Normalzustand nach unserem Werftaufenthalt. Zwischen tiefschürfenden Gesprächen halfen sie uns, in Ruhe den besten Fahrplan für die Gezeitenschleusen festzulegen, welche vor uns lagen.

Die Sluis Merelbeke war dann auch unsere erste Gezeitenschleuse. Da mussten wir uns mit der Eigenschaft eines Flusses auseinandersetzen, der, wegen des Wechsels von Ebbe und Flut, während ein paar Stunden zügig in die eine Richtung fliesst, dann jedoch, nach einem erstaunlich raschen Wechsel, ebenso zügig in die andere . Damit wir auf der Boven-Zeeschelde mit der Strömung fahren konnten, mussten wir kurz nach Hochwasser (das hier immerhin noch mehr als vier Meter ausmachte!) die Schleuse passieren. Dann blieben uns etwa fünf Stunden, während denen wir locker und treibstoffsparend reisen konnten.
An unserem Abreisetag war um fünf Uhr morgens Hochwasser. Zum Aufstehen viel zu früh! Aber auch eine Abfahrt gegen halb neun liess uns genügend Zeit für die Fahrt nach Dendermonde. Dort wollten wir die nächste Nacht verbringen und die nächsten zwei Tidenwechsel vorbeigehen lassen. Am nächsten Morgen würden wir dann weiterfahren. Alles passte und wir drehten am nächsten Tag gegen Mittag in die Einfahrt der Zeesluis Wintam ein. Geschafft (und einiges gelernt)!

In Willebroek erspähten wir am anderen Ufer des Kanals einen Maler, der etwas gar auffällig in unsere Richtung blickte. Das kam uns irgendwie bekannt vor und wir fuhren mit dem Velo der Kunst entgegen. Nach ein paar Stunden war dann das Werk fertig. Mit seiner Erlaubnis sei es hier wiedergegeben.

  

Brüssel beeindruckt sicher zuerst mit dem prunkvollen Grossen Markt, aber auch das Atomium ist ein Besuch wert.

     

Das weltberühmte Atomium stellt einen Ausschnitt aus einem Eisenkristall dar und wurde 1958 für die Weltausstellung gebaut. Eigentlich hätte es nach deren Ende wieder abgerissen werden sollen. Aber das ungewöhnliche Ding war so beliebt, dass man schlussendlich seine nicht unwesentlichen Baumängel behob und ihm so ein längeres Leben ermöglichte. Auch heute noch stehen die Besucher an seinem Eingang Schlange.

Erst kann man mit einem Lift in die oberste Kugel fahren. Dort, in 102 m Höhe, hat man einen tollen Ausblick auf Brüssel und seine Umgebung. Danach stand ein Besuch von vier weiteren Kugeln an. Diese sind per Treppe oder Rolltreppe verbunden. Ein futuristisch anmutendes Unterfangen.

  

Eigentlich eher zufällig realisierten wir, dass die entscheidende Schlacht von Waterloo, in der die vereinten Kriegstruppen der Engländer, Preussen und Niederländer 1815 der ungestümen Rückkehr Napoleons aus seinem Exil auf Elba ein endgültiges Ende bereiteten, ganz in der Nähe von Brüssel stattgefunden hatte. Waterloo tönt doch irgendwie englisch, trotzdem kann man von Brüssel mit dem Bus in 50 Minuten dorthin fahren.
Klar, wollten wir uns das nicht entgehen lassen.

Am 18.Juni 1815 standen sich auf diesem Schlachtfeld etwa 300'000 Soldaten gegenüber. Von 11.30 Uhr bis um 20.30 Uhr dauerte das Gemetzel. Dann war Napoleon geschlagen. Und die Niederlage bekam den Namen des Ortes, der zufällig in der Nähe lag.

Ein 41m hoher Hügel, bereits 11 Jahre später als Denkmal für die gefallenen Soldaten einer der wichtigsten Schlachten der europäischen Geschichte erbaut, markiert die Frontlinie, auf der sich die gegnerischen Heere trafen. Der stolze Löwe, den wachsamen Blick nach Frankreich gerichtet, sollte die Welt schützen und den wiedergefundenen Frieden in Europa für alle Zukunft gewährleisten. Trotz seiner beeindruckenden Figur konnte er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen und musste noch einigen blutigen Auseinandersetzungen zuschauen.

  

Ein weiteres 'Must' von Brüssel ist der Manneken Pis. Ohne die versammelten Menschenmassen darum herum hätten wir den kleinen Kerl bestimmt übersehen. Ob der wohl auch 60 Euro Busse bezahlt? (siehe Bericht aus Gent)

  

In Brüssel kamen wieder einmal Gäste an Bord.  Karin und ihr Sohn Fabian werden eine Woche mit uns mitfahren und 'Schiffsluft' schnuppern.

Monat August '13:
- 24 h 45
- 11 Schleusen
- 8 Hebe-/Dreh-Brücken
- Schräglift Ronquières
- 161 km

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