März 2013

Die Rückreise nach Frankreich dünkte uns recht kurz, obschon mehrfaches Umsteigen die Sache nicht gerade einfach gemacht hatte. Eine Mischung von Vorfreude und nagenden Fragen hatte uns ständig Richtung Mizar gezogen.
Wie das Schiff wohl den langen Winter überstanden hatte?
So erreichten wir am frühen Nachmittag des 1. März den Bahnhof von Cambrai. Was wir allerdings (einmal mehr) falsch eingeschätzt hatten, war die lokale Taxisituation. Es gab schlichtweg kein Taxi weit und breit, das uns mitsamt Gepäck zum Hafen hätte fahren können. Selbst das Abtelefonieren der zahlreichen Taxiangebote, die an einer grossen Tafel am Bahnhof aufgelistet sind, brachte keinen Erfolg. 'Nicht verfügbar', 'zu weit weg', freier Tag', waren die gängigen Antworten. Nur mit viel Glück gelang es uns, ein zufällig vorbeifahrendes Taxi zu kapern. So kamen wir endlich wieder nach Hause.

In der ersten Woche war es noch fast frühlingshaft warm und damit erwachten Tatentrieb und Putzgefühle. Das angesammelte Laub vom letzten Herbst musste von Bord und die Mizar wurde ein erstes Mal geschrubbt.
Ein sauberes Schiff macht halt viel mehr Freude.

    

Der angesagte Frühling zeigte auch anderswo Wirkung. Den halben Monat kämpften wir mit einem Entenpärchen, vor allem mit Frau Ente. Diese hatte eines Morgens in einer unserer Blumenkisten den vermeintlich idealen Nistplatz gefunden. Sie grub rasch ein Loch, zerstreute dabei viel Erde in weitem Umkreis und legte das erste Ei hinein. Da wir selbst den Brutplatz als nicht besonders günstig beurteilten, versuchten wir, sie zu verscheuchen, in der Meinung, sie werde sich dann ein besseres Plätzchen suchen. Wir hatten dabei aber ihre Entschlossenheit unterschätzt. Jeden Morgen 'tanzten' wir mit ihr mehr als eine Stunde rund ums Schiff und wollten ihr damit eine ungestörtere Nistgelegenheit empfehlen. Für kurze Zeit glaubten wir an unseren Erfolg, denn sie hatte das tägliche Ei dann auf mehrere andere Schiffe in unserer Umgebung abgelegt. Maria, Kismet und das gegenüberliegende Narrowboat wurden damit auf ihre Eignung überprüft. Wir hatten uns aber zu früh gefreut.

   

     

Aber dann kam der Zirkus! Eine grosse bunte Wagenkolonne brachte viel Geschäftigkeit und kündete lautstark wilde Tieren aus vier Kontinenten an. Am Abend war das Hauptzelt aufgestellt und in der Umgebung grasten ein Kamel, ein Dromedar, ein Wasserbüffel und ein schottisches Hochlandrind. Weiter hinten tummelten sich zwei Pferde, vier Ponys und eine Ziege mit nur einem Horn, zusammen mit zwei Lamas und zwei Hunden.
In wechselnder Zusammensetzung wurden diese Tiere während zweier Tage mit einem Käfigwagen durch die Stadt gekarrt und warben so, von dröhnenden Lautsprechern unterstützt, für die kommenden Vorstellungen.
Klar konnten wir uns diese Attraktion nicht entgehen lassen. Wir stellten uns also am Freitagabend um halb sechs Uhr in die lange Schlange vor der Kasse und staunten nicht schlecht, als schliesslich das Zelt bis auf den letzten Platz besetzt war. Viele Stehplätze eingerechnet. Die erwachsenen Zuschauer applaudierten eifrig und ihre Kinder waren begeistert. Als dann die Ziege auf die vier aufeinandergetürmten Harasse kletterte, waren alle kaum mehr zu halten.

Am Wochenende kam dann der angekündigte Kälteeinbruch. Es schneite zunächst ein wenig und wurde spürbar kälter. Wow, Schnee auf der Mizar, Gelegenheit Fotos zu machen, dachten wir da noch leicht amüsiert...

     

... am nächsten Morgen war dann die Überraschung total. Alles war tief eingeschneit, es wehte ein saukalter Wind, der alles gefrieren liess. Für lange Zeit keine Besserung in Sicht. Die Wetterprognose versprach für die ganze Woche das selbe.

  

     

Übrigens hatte Frau Ente, wohl weil wir verständlicherweise etwas mehr Zeit in der warmen Stube verbrachten, in diesen Tagen unbemerkt drei Eier in eine andere Blumenkiste gelegt, in jene mit dem Rosmarin, gut versteckt unter dem Deckflies, das wir zum Schutz des empfindlichen Gewürzes angebracht hatten.

Für die Suche nach einem guten Winterliegeplatz für das nächste Jahr mieteten wir ein Auto und fuhren Richtung Belgien. Unsere Route führte über verschiedene Orte rund um Lille, nach Kortrijk, Mons und schlussendlich nach Liège, wo wir zu unserem Erstaunen in weniger als zehn Minuten praktisch mitten in der Stadt einen Liegeplatz reservieren konnten.

Auf der Rückfahrt nach Cambrai machten wir noch einen kleinen Abstecher zum Schiffshebewerk von Strépy-Thieu. Irgendwann im nächsten Sommer werden wir hier mit dem eigenen Schiff durchkommen und dieses Ungetüm benutzen. Mit diesem Lift wird ein Höhenunterschied von 73m überwunden!

  

Auf jeder Seite befindet sich eine Wanne, in die das Schiff einfährt, das in die Höhe gezogen oder abgesenkt werden will. Die eindrücklichen Gegengewichte lassen erahnen, mit welchen Massen hier gearbeitet wird.

  

Die rechte Wanne hatte in ihrer oberen Position gewartet. Aber ausgerechnet in dem Moment, als wir wieder abfahren wollten, begann sie sich langsam nach unten zu senken. Die 40m lange Berufspéniche 'Josiane' sah darin wie ein Spielzeug aus!

     

Windig und kalt war es immer noch! Und sonst niemand unterwegs...

Ein nächster Kontrollblick beim Rosmarin ein paar Tage später ergab dann eine weitere Überraschung:

  

Damit hatten wir den Kampf mit Frau Ente definitiv verloren und Belegung der Mizar wird sich im April um ein Dutzend Köpfe vergrössern. Erst jetzt verstanden wir die Hartnäckigkeit der Ente: unsere Mizar ist offiziell genau für 12 Passagiere zugelassen!
Und wenn sie mal weggeht, wird alles schön zugedeckt. Daunen wärmen immer noch am besten...

Den Monat April werden wir wohl zum grössten Teil in der Schweiz verbringen. Wir freuen uns allerdings schon jetzt auf die Fortsetzung unserer Reise.
Ab dann heisst es wieder: Schiff ahoi!

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