Mai 2012 |
2.Mai, 8.30 Uhr: Motor starten und 'auf Wiedersehen St.Jean de Losne'.
In Gergy hatten wir den Ponton für uns alleine - fast. Die Piratin am
alten Lastkran war bereit zum Entern. Über Nacht änderte dann die Strömung der Saône merkbar. Offensichtlich hatte der Doubs die Wassermengen der letzten Regentage in seinem Einzugsgebiet gesammelt und zur Saône gebracht. Diese war nun kräftig angeschwollen. Dazu kam noch viel Treibgut: grosse Äste, sogar ganze Baumstämme, alles drängte mit gegen Süden.
Der Morgennebel sah himmlisch magisch aus, verzog sich während unseres
Morgenessens aber fast ganz. Allerdings fuhren wir dann bald in eine Nebelbank hinein, die immer dicker und dicker wurde. Schlussendlich krochen wir nur noch im Leerlauf, zusammen mit der Strömung, dahin und arbeiteten uns von einer Fahrrinnenmarkierung zur nächsten. Auf diese Weise ging es weiter bis fast nach Chalon-sur-Saône.
Kurz vor der Einfahrt in den Canal du Centre löste sich dann der Nebel zum
guten Glück auf. Eine Spitzkehre nach Steuerbord und dann führte uns ein
breiter Kanal zur imposanten ersten Schleuse mit über 10m Hub. Da es in Chalon selber keine offizielle Anlegemöglichkeit für Schiffe über 15m gibt, blieben wir die nächsten zwei Tage in Fragnes. Damit waren wir dennoch ganz in der Nähe und fuhren von hier aus mit dem Bus in die Stadt. Freitag ist Markttag in Chalon! In den Strässchen rund um die Kathedrale wimmelte es von Ständen, Waren und Menschen. Ein echtes Erlebnis, vor allem weil es einer der ersten schönen und echt warmen Frühlingstage war. Der Canal du Centre windet sich gemächlich durch eine schöne Landschaft, steigt aber trotzdem schnell an. Etliche Schleusen haben einen Hub um die 5,5m, sind also recht eindrücklich. In einer solchen wurde Hansruedi dann zum begehrten Fotoobjekt: eine Gruppe Velotouristen schaute sich die Attraktion der Schleusung an und schoss unermüdlich Fotos. In welchen Ländern wohl werden diese Bilder später den Daheimgebliebenen gezeigt? In Chagny überquerten wir das Bahntrassee der SNCF, der französischen Staatsbahn. Immer wieder ein eigenartiges Gefühl, mit einem tonnenschweren Schiff auf einer Brücke über Flüsschen, Tälern, oder eben Bahngeleisen zu 'schweben'!
Der weitere Verlauf des Kanals ist speziell. Er folgt über weite Strecken
dem Talrand und liegt damit höher
als die umliegenden Dörfer. So hat man eine schöne Aussicht über die berühmten
Weinberge des Burgunds. Vorne rechts sieht man Santenay. Das aber hatte den Vorteil, dass die VNF am 11. Mai in einer Neubeurteilung der Lage beschliessen konnte, den Canal du Centre ohne Unterbruch mindestens bis Ende August offen zu halten. Des einen Leid ist eben auch des anderen Freud, war so doch, dank des miesen Wetters, der Umsatz der lokalen Bootvermieter während der Sommerferiensaison gerettet.
In Montceau-les-Mines erlebten wir, wie Bürokraten die Attraktivität eines
Hafens mitten in der Stadt kaputtmachen können. Bis vor kurzem hatten Schiffe über
20m Länge die Möglichkeit, am Schrägquai anzulegen. An diesem sind heute
jedoch ein privates Wohnschiff und eine gelbe Péniche fest vertäut.
Letztere gehört der Mairie und sollte für kulturelle Anlässe genutzt
werden. Eben 'sollte', denn die meiste Zeit läuft gar nichts. Nur, der
Quai ist so immer besetzt. Anlegen an der Péniche sei strikt verboten,
mussten
wir bald erfahren, denn es könnten 'Kratzer' entstehen! 'Wir' nutzten das schöne Wetter, den Platten am Velo von Matz zu flicken. Normales Leben halt. Ah, dann fanden wir noch ein paar aussergewöhnliche Dinge: Jodlerschuhe, eine Ente auf dem 'Stängeli' (-ich wollt, ich wär ein Huhn...-) und Horden dicht gepackter kleiner Welse. Sicher Tausende davon tummelten sich im Hafenbecken! Bei der Ausfahrt aus Montceau passierten wir kurz hintereinander gleich drei verschiedene Arten beweglicher Brücken: eine Hebe-, eine Zug- und eine Kippbrücke.
An diesem Tag hatten wir schon am frühen Morgen erfahren, dass uns eine
kommerzielle Péniche folgte. In Génelard legten wir kurz nach dem Mittag an und bald darauf trafen sich
gleich zwei Sterne!
Als wir in Paray-le-Monial ankamen, wussten wir noch nicht, dass diese
Stadt der zweitwichtigste Pilgerort in Europa sei. Erfahren hatten wir das
erst im Office de Tourisme. Die doch sehr
spezielle Basilika aus dem 11. und 12. Jahrhundert ist Hauptziel der jährlich
über 400'000 Pilger. Nach Digoin überquert der Kanal auf eigener Brücke die Loire. Dieses aufwendige 243 m lange Bauwerk wurde 1838 fertiggestellt und gewährleistete den Anschluss des Canal du Centre an den Canal latéral à la Loire. Zusammen mit dem Canal de Briare und dem Canal du Loing entstand so ein zusammenhängender Verkehrsweg von Paris zur Rhone und damit ins Mittelmeer.
Kurz nach der Brückenüberquerung bogen wir in den Canal de Roanne à Digoin
ein. Dieser Stichkanal ist 56km lang und hat ein paar Eigenheiten, wie
z.B. die Schleuse mit dem höchsten Hub im Freycinet-Netz. Wir setzten die Nase der Mizar in der Schleuse einen knappen Meter vor die vorderen Tore und harrten der lustigen Dinge, die da kommen würden. Gleichzeitig erinnerten wir uns aber schmunzelnd daran, dass wir bei unserer ersten Miete eines solchen Schiffchens bestimmt nicht besser ausgesehen hatten! Die Franzosen nahmen es super-locker und während der nächsten drei Schleusen kam sogar eine gewisse Routine auf. Dann kamen wir zu der vorher erwähnten Rekordschleuse. Die Türen wurden von der Wärterin geöffnet und oha, das Wasser drückte bereits in einem kräftigen Schwall in die Schleusenkammer! Von Innen sieht alles aus wie in einem alten Panzerschrank. Die Tore schlossen sich und Matz, an den Seilen vorne, kam beinahe zu einer kühlen Dusche. Gut, hatte die Franzosenfamilie kurz vorher beschlossen, im Grünen anzulegen und den Rest des Tages dort zu verbringen. So mussten wir nicht bis ganz nach vorne aufschliessen. Roanne hat ein riesiges Hafenbecken und zu dieser Jahreszeit waren hier nur wenige Schiffe. Das war wohl unser Glück, konnten wir doch so noch einen Stromanschluss finden, der nicht als privat bezeichnet und daher gesperrt war. Den schnappten wir uns rasch(es war der Zweitletzte) und richteten uns für eine Woche ein. Bei strahlendem Wetter verliessen wir Roanne nach 10 Tagen und fuhren den selben Weg, den wir gekommen waren, wieder gegen Norden. Dieser Stichkanal führt durch eine idyllische Landschaft und entschädigte uns für die vergangenen Regentage. Da wir diesmal vier Tage für die ganze Strecke eingeplant hatten, statt der zwei Mammut-Reisetage bei der Hinfahrt, konnten wir es auch richtig geniessen. Das nächste grosse Ziel ist Paris!
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