Februar 2012

  

Mardi Gras in New Orleans, in 'The Big Easy', das muss doch etwas Spezielles sein! Aber Anfangs Monat war vorerst noch nicht viel vom Karneval-Treiben zu sehen und spüren. Nur ein paar vereinzelte Dekorationen kündeten die verrückte Zeit an, die bald kommen würde. Beim ersten Gang ins Stadtzentrum stärkten wir uns darum im berühmten 'Cafe du Monde' mit typischem Cajun-Kaffee (mit Zichorie gemischt) und 'Beignets', in heissem Öl ausgebackenen Teigquadraten (echt gut!). Nur die dicke Schicht Puderzucker klopften wir energisch weg. Die Amerikaner verstanden uns irgendwie überhaupt nicht. Sie tupften jeden Brösel davon auf!

  

Die erste Fahrt mit dem holperigen Tramway durch die St. Charles Avenue, ein paar Spaziergänge durch die Wohnquartiere der Stadt, der erste würzige Shrimp Gumbo (geröstete Tomatensuppe mit Crevetten auf Reis), das alles war rasch einmal Beweis genug, dass New Orleans weit mehr zu bieten hat, als das touristisch überstrapazierte 'French Quarter' und das etwas gesichtslose Stadtzentrum.

 Die Stadt am Mississippi, als Schmelztiegel kreolischer (mediterraner) und cajuner (französisch-kanadischer) Einflüsse, hat es bis heute verstanden, den Yankees trotz verlorenem Bürgerkrieg, etwas entgegen zu halten. Auf Schritt und Tritt erlebbare amerikanische Geschichte. Zahlreiche Strassen sind gesäumt von zum Teil doppelten Alleen der immergrünen Live Oak. Mächtige Eichen, die vor 100 bis über 200 Jahren so grosszügig gepflanzt worden waren, dass sie auch heute noch genügend Raum lassen für den modernen Verkehr. Sie schützen alte Häuser, die, trotz einfacher Holzkonstruktion, darum ebenso alt geworden sind und von längst vergangenen Tagen berichten. Darin leben Leute, die gerne einen etwas anderen Lebensstil pflegen und darauf entsprechend stolz sind. Kein Wunder, das so gesuchte, gepflegte und wohl auch eher teure Wohnlagen entstanden sind.

        

Auf einer geführten Walking-Tour durch den Lafayette Friedhof und den Garden District haben wir viel Interessantes über Vergangenheit und Gegenwart dieser Orte erfahren. Kreolen, Nachkommen meist spanischer, aber auch italienischer, französischer und deutscher Siedler und die Cajuns, französische Hugenotten, die ursprünglich im Nordwesten von Amerika gesiedelt hatten und dort von den Engländern vertrieben worden sind, hatten die Stadt geprägt. Genau gleich, wie die aus Afrika importierten Sklaven.
Schon Tom Sawyer und Huckleberry Finn wollten in diesem Friedhof ihre tote Katze beerdigen. Anne Rice's Buch 'Interview with a Vampire' lässt einige Szenen in dieser Umgebung spielen. Auch heute noch werden immer wieder die halb verfallenen Grabreihen für Filmaufnahmen gebraucht. Ganz New Orleans ist offensichtlich ein beliebter Drehort. Während unseres Aufenthalts wurden gleich fünf verschiedene Hollywoodstreifen hier produziert.

Im Garden District leben darum erstaunlich viele berühmte und entsprechend wohlhabende Leute: John Goodman, Sandra Bullock, Nicolas Cage und noch einige andere haben hier riesige Anwesen.

     

  

Unübersehbarer Hinweis auf den kommenden Mardi Gras wurden zunehmend die tonnenweise an Gartenzäunen und Veranden arrangierten, farbenfrohen Plastikketten.

New Orleans macht einen südländischen und eher ungezwungenen Eindruck. Es ist wohl auch der einzige Ort in den USA, wo es erlaubt ist, mit einem Becher Bier oder auch etwas Stärkerem durch die Strassen zu spazieren! Die zwei Frauen am Tisch nebenan hatten sich auf der Strasse für 14 Dollar zwei Eimer 'Frozen Daiquiri' gekauft und arbeiteten jetzt wohlgelaunt daran, diese leerzukriegen ...

Am Wochenende des 11. Februars erlebten wir dann unsere ersten Paraden. Die Mardi-Gras-Leitern, welche schon Tage vorher überall verkauft worden waren, stellen offenbar einen unverzichtbaren Bestandteil eines hiesigen Haushalts dar. Sie gestatten den kleineren Kindern, über die Menschenmauern vor ihnen zu sehen und um 'Throws' (Dinge, die von den Umzugswagen geworfen werden) zu betteln.

Es werden vor allem farbige Plastikketten, aber auch Becher, Plastik-Spielzeug und Stofftiere geworfen.
Alles tonnenweise und ohne Ausnahme 'made in China'.

Zwischen den einzelnen Wagen, den 'Floats', marschieren Blasmusiken unterschiedlichster Qualität, zeigen Cheerleaders ihr Können mit den Fransenbüscheln und reiten moderne Cowboys und -girls in Formation.

  

  

  

  

Zwischen den Paraden, von denen täglich drei bis vier stattfanden, verwandelte sich die abgesperrte St.Charles Avenue in eine riesige Fest- und Spielfläche. Die Polizei war zwar überall präsent, aber wir hatten nie auch nur ein böses Wort gehört! Alle sind fröhlich und wünschen einander lautstark: Happy Mardi Gras!

  

Kaum zu vermeiden! Ein paar Kilo Ketten wurden wieder im street car nach Hause geschafft! Wir wussten bald nicht mehr wohin mit dem Zeug ...

  

 Am Freitag vor Mardi Gras organisiert traditionellerweise die 'Krewe of Oak' eine Parade in ihrem Quartier. Da wir gleich neben der Oak Street wohnten, einer äusserst sympathischen Strasse mit vielen Beizen, Künstlern und deren Verkaufsläden, nahmen wir am einstündigen, farbigen und mit viel Musik begleiteten Spaziergang durch das Quartier teil. Hier eher bescheiden, ohne Floats und Throws, aber mit viel Herz und Freude. Uns hat dieser Anlass richtig gut getan!

     

Eine Nachtparade wollten wir natürlich auch noch sehen. Die Krewe of Bacchus marschierte um 17.15 Uhr los. Die 'Floats' waren deutlich grösser und auch gekonnter gestaltet. Mit dem Eindunkeln kamen die beleuchteten Wagen erst so richtig richtig zur Geltung.

     

     

Und zu guter Letzt: Krewe of Rex. Die Krewe des Königs mit den Schmetterlingsflügeln, der während der ganzen Karnevalszeit regiert. Eine Mega-Parade, mit aufwendigen, riesigen Floats.

Für diese Parade setzen sich die Leute schon am Vortag hin und blockieren den Platz. Allerdings nicht bloss mit Leitern und Stühlen. So richtig amerikanisch wird gleich ein Gartenzelt aufgebaut, unter dem sich Grill, mächtige Kühlboxen, Tische und manchmal sogar ganze Buffets ansammeln! So kann die ganze Familie, inklusive der weither angereisten Verwandtschaft, den Event unbeschadet überstehen.

  

     

Alle verkleiden sich mehr oder weniger aufwendig und betteln unablässig und lautstark um Throws.

     

  

     

Und vorbei, aber die Feier geht weiter...

Unausweichlich kam danach der 'Ash Wednesday' (Aschermittwoch) und die dazu gehörige Busse. Mit beachtlichem Aufwand und unzähligen Helfern war es der Stadt gelungen, wieder so etwas wie Ordnung in die Strassen zu bringen. Was von den Wagen geworfen und von den Zuschauern liegen gelassen worden war, wurde zusammengelesen oder gewischt und weggekarrt. Lediglich, was auf den Bäumen hängen geblieben war, das hat überlebt. Wohl noch lange.
(Nur zufällig haben wir allerdings ein paar Tage später gesehen, dass der ganze 'Ertrag' der Räumungsaktion weit draussen in den Swamps des Mississippi in riesigen Halden als Landfill abgelagert worden war...)

Und dann kam die Überraschung des Monats: ausgelöst durch eine banale Begebenheit im Alltag, ergab eine kurze Googlesuche einen erstaunlichen Zufalls-Treffer. Wir lokalisierten in nur wenigen Meilen Abstand einen weiteren Hansruedi (!). Genau dieser hatte zusammen mit Hansruedi vor vielen Jahren am selben ETH-Institut und im selben Labor ebenfalls seine Diplomarbeit geschrieben. Danach hatten die beiden sich aus den Augen verloren. Nun forscht jener seit mehr als 30 Jahren in den USA, ist seinem Beruf also treu geblieben und lebt weitgehend für die Wissenschaft. Eine durchaus denkbare Lebensparallele!
Ganz offensichtlich jedoch ist das viele Denken förderlich für das (Haar-) Wachstum!

Entlang des Mississippi entstanden während des 19. Jahrhunderts unzählige Zuckerrohrplantagen. Langgezogene, riesige Parzellen, immer quer zum Fluss angelegt, damit jede Plantation direkten Zugang zum Ufer hatte. Der Fluss bot ja die einzige sichere Transportmöglichkeit. Beim Besuch dieser Plantations erfährt man auf jeder die meist sehr wechselvolle Geschichte der damaligen Besitzerfamilie. Glück und Unglück wohnten schon damals oft unter einem Dach. Für alle aber gilt: die wahre Arbeit war Sklavenarbeit.


Wir hatten uns für die Oak Alley Plantation entschieden, eben wegen deren eindrücklicher Eichenallee, die vom Wohnhaus hinunter zum Fluss führt. Die passt auch ausgezeichnet zu der schon damals recht wohlhabenden Anlage, wo offensichtlich Wert auf sichtbaren Wohlstand gelegt worden war.

  

Als zweites besuchten wir die Laura Plantation, ein paar Meilen flussabwärts, wo offensichtlich eher die Arbeit im Vordergrund stand. Gebäude und Einrichtung sind deutlich einfacher, die turbulente Familiengeschichte macht das jedoch bei weitem wieder wett.

  

Der Beruf des Pensionierten hat allgemein einen schlechten Ruf: ungemein anstrengend, noch keiner hat ihn je überlebt und trotzdem hat man nie Ferien! Wir wollen ändern, was man ändern kann und leisten uns darum im nächsten Monat wieder einmal Ferien:
wir gehen nach Barbados!

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