Dezember 2020  

Natürlich war auch dieser Monat geprägt durch das wilde Treiben des SARS-CoV-2 in der ganzen Welt. Entsprechend waren wir auf unserer Mizar während dem grössten Teil der Zeit recht ortstreu, aber nicht ganz untätig. Auch nachdem der erlaubte Ausgang auf eine Zeit von drei Stunden und einen Radius von 20 km ausgedehnt worden war, machte es immer noch nicht so richtig Spass, mit der Maske vor Mund und Nase in der halbleeren Stadt umherzuziehen, ohne die Gelegenheit zu haben, irgendwo einen Kaffe zu trinken oder gar etwas essen zu gehen. Dazu war das Wetter den grössten Teil des Monats doch etwas zu unfreundlich und Feststimmung wollte ohnehin nicht so richtig aufkommen.



Unsere Meinung zu den unterschiedlichen und rasch wechselnden Pandemie-Massnahmen haben wir im letzten Monatsbericht festgehalten. Dem haben wir eigentlich hier nicht viel beizufügen. Es blieb offensichtlich, dass ein winziges RNA-Häufchen, das nur durch ein Elektronenmikroskop überhaupt sichtbar ist, uns unter dem Namen 'Covid-Virus' sehr viel Ärger verursacht. Noch immer versteckte es sich hinter zahlreichen Geheimnissen. Das betraf vor allem sein Verhalten. So überraschte es selbst Virologen immer aufs Neue. Zu den bevorzugten Infektionswegen und der Verbreitung des Plaggeistes existierten immer noch mehr Fragen als Antworten. Darum waren die Politiker, die eifrig über den richtigen Massnahmen brüteten, nicht zu beneiden. Was sie anordneten, brachte nicht immer den erwarteten Erfolg. Was an einem Tag als Erfolg gefeiert werden konnte, erwies sich oft wenige Tage später als kleine Delle in der Statistik. Viele Länder Europas, die ja interessanterweise weltweit fast am stärksten von der Pandemie betroffen waren, schauten mit Argwohn auf ihren Nachbarn, der angeblich zu wenig streng eingegriffen hatte. Den direkt betroffenen Unternehmern aber, denen der Verdienst unvermittelt weggebrochen war, begann ihr Glaube an die Zukunft zu schwinden, während die Zahl der Arbeitslosen, erst zögerlich, dann aber stetig, zu steigen anfing. Im Laufe von zwei, drei Wochen wurden die verordneten Massnahmen sowohl geografisch als auch zeitlich in immer kürzeren Abständen angepasst und damit zunehmend unübersichtlich. Sie wurden von den Leuten darum auch immer weniger verstanden. Die Politiker, von ihrem Erfolg in der ersten Wochen der Pandemie verwöhnt, wurden sichtbar unruhig. Die Festtage kamen rasch näher und die Einschränkungen nahmen zu. Damit ging die Vorfreude auf Weihnachten gegen null. Das Risiko, dass das Virus ausgerechnet die Anlässe der der schönsten Jahreszeit zur ungehemmten Verbreitung nützen würde, nahm bedrohliche Dimensionen an.
Zunehmend klangen Wünsche für frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr etwas zynisch.
Während all dem wurden die ökonomischen Konsequenzen, verursacht durch das Herunterfahren der Alltagsaktivitäten, immer offensichtlicher. Unwohlsein, ja gar Angst, wurden überall spürbar.

Einmal machten wir trotzdem einen Spaziergang durch das Quartier der Universität Strasbourg. Sie gehörte bei ihrer Gründung 1621 noch zum Heiligen Römischen Reich und wechselte 1681 zur französischen Nation. Der Sonnenkönig Ludwig XIV beliess ihr aber grosszügig ihre deutsche Prägung und Sprache und tolerierte als strenger Katholik sogar ihre Lutheranische Ausrichtung. In den folgenden Jahrhunderten wechselte sie noch mindestens vier Mal die Seite und ist damit ein augenfälliges Beispiel für die wechselvolle und schwierige Geschichte der oberrheinischen Gegend.

Wegen der Corona-Situation waren die Studenten bei unserem Besuch offenbar zu Hause beschäftigt, denn der Campus wirkte leer und die Gebäude schienen verwaist. Trotzdem prägten sich ein paar besondere Eindrücke in unsere Erinnerung und ihre Erwähnung hier soll dafür sorgen, dass sie auch dort bleiben.

     

Selbst die Mensa verkündet ihr Menü auf ihre eigene Art und Weise.

Selbstverständlich hatten wir immer die Maske mit dabei und hielten, oft zuverlässiger als andere, stets die Abstandsregeln ein.

  

Seit einiger Zeit liegt an unserem Ponton, gleich gegenüber, ein schönes Kuhnle-Schiff, das erst vor kurzem den Weg vom Vierwaldstättersee (per Tieflader) ins Elsass gefunden hat. Weil seinen Besitzern, die den Winter in der Schweiz verbringen, die 'Le Coeur de l'Ecluse' offensichtlich sehr ans Herz gewachsen war, haben sie ihr Schiff schon zwei Mal hier besucht. Die besonderen Umstände erlaubten ihnen allerdings jeweils nur eine kleine Hafenrundfahrt, denn mehr hatten die VNF und die Coronamassnahmen nicht gestattet. Bei der zweiten Gelegenheit wurden wir von Monika und Martin zu einem Raclette mit Käse aus der Schweiz auf ihr Schiff eingeladen. Das war ein super Abend mit ausgiebigem Erfahrungsaustausch. Wir machten uns danach zufrieden und beeindruckt vom äusserst praktisch und schön eingerichteten Schiff auf den kurzen Heimweg (3 Meter) quer über den Ponton nach Hause.

  

Schräg gegenüber von unserem Liegeplatz liegt das Quartier Danube. Gespickt mit ehemaligen Industriebrachen und damit etwas heruntergekommen, wurde es vor 2010 dazu ausersehen, Ort einer neuen, ausgesprochen ökologischen Siedlung zu werden. Diese sollte, in verkehrsberuhigter Umgebung und mit viel Grünfläche, möglichst viel Wohnraum bieten. Und das nicht nur für besonders privilegierte Leute. So waren auch Studentenwohnungen, Altenheime, Kinos und Restaurants vorgesehen. Alles, was es halt so braucht.
Das auffällige Hochhaus, mit schwarz-weisser Fassade und eigenwilliger Form, war uns schon lange aufgefallen, weil sein Umriss, je nach Wetter und Sonnenstand, sich in leicht bewölktem Himmel beinahe auflöst. Der Turm Elithis Danube soll das Paradepferd der ganzen Siedlung sein, weil er im normalen Betrieb mehr Energie produziert, als er zusammen mit seinen Bewohnern verbraucht. Er wurde 2018 fertig gestellt, mit Baukosten von 20 Mio Euro. Die Aluminiumpaneele der Gebäudehülle sind 20cm dick mit Schaumstoff isoliert und der Rest der Fassade ist mit 1233 m² Solarelementen bedeckt. Die spezielle Hausform sorgt für optimale Sonneneinstrahlung während des Tages. Mit seinen16 Etagen ragt der Turm 57m hoch in den Himmel und gibt Raum für 63 modernste Wohnungen. Für eine 3-Zimmerwohnung im 14. Stock bezahlt der Mieter rund 1200 €/Monat. Weil das Haus mehr Strom produziert als verbraucht und diesen an den Staat verkauft, kann der Mieter, statt für seinen Energieverbrauch zu bezahlen, mit einer Rückvergütung rechnen. Diese beträgt, je nach seinem eigenen Konsum, zwischen 150 und 350 Euro pro Jahr. Die oberste Etage umfasst eine grosse Terrasse, die allen Mietern zum gemeinsamen Gebrauch und für besondere Anlässe zur Verfügung steht. Und das alles gut erschlossen durch den öffentlichen Verkehr und in Gehdistanz zum Stadtzentrum!
Wenn französische Architekten solches während der hier üblichen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden können, fragen wir uns, warum unsere so viel länger krampfen.

Trotz der gewöhnungsbedürftigen Situation spürten auch wir, dass Weihnachten vor der Türe steht. Matz verschickte Grüsse an all jene, die wir wegen der speziellen Umstände schon lange nicht mehr besuchen konnten. Weil ihre selber gezeichneten Karten zu gross für den Umschlag waren, musste sie überall die Ränder wegschneiden. Die verbliebenen schmalen Papierstreifen ergaben einen passenden Schmuck für die Fenster unserer Mizar. Mit ein paar Tannästen, die uns Monika und Martin in verdankenswerter Weise aus der Schweiz mitgebracht hatten, etwas Efeu und ein paar im Stadtpark geklauten roten Beeren bastelten wir uns bescheidenen Weihnachtsschmuck. So waren wir bereit, auch für den strengsten Lockdown!

     

Beruhigt und zufrieden kochten wir uns das erste Fondue in diesem Jahr.

Noch zwei, drei Mal führte uns der Weg ins Stadtzentrum, das normalerweise einen grossen Weihnachtsmarkt beherbergt, der weitherum bekannt ist. Aber dieses Jahr hatte die Beleuchtung etwas Zufälliges und die Leute, gehorsam hinter der Maske verborgen, erledigten ihre Einkäufe möglichst schnell und verschwanden dann, so unauffällig wie sie gekommen waren. Kaum verwunderlich, denn nirgends gab es einen Platz, wo man sich hätte hinsetzen und in Ruhe etwas trinken oder essen können. Festfreude sieht anders aus und mochte wohl allenthalben die Sorgen nicht zu vertreiben, was die nächsten Tage noch bringen würden. Der riesige Weihnachtsbaum, sechzig Jahre alt und dreissig Meter hoch, stand etwas verloren da.

 

  

     

Der Heimweg führte uns durch den Parc de la Citadelle, wo die normalen Lichter mit leichtem Nebel fast eine noch romantischere Stimmung aufkommen liessen.

 

So schliessen wir auch diesen kurzen Monatsbericht etwas verfrüht und wünschen allen unseren Lesern, trotz der erschwerten Umstände, ein besinnliches und erbauliches Weihnachtsfest im kleinen Rahmen.
Und eine Woche später einen guten Rutsch ins neue Jahr, dem hoffentlich Zuversicht mehr Schub zu geben mag, als unangenehme, böse Ahnungen ihn bremsen können.

Machet's guet und bliibet gsung (gesund)!
Matz und Hansruedi

 

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