Jan./Feb. 2018

Und wieder ist ein ereignisreiches Jahr Vergangenheit. Die Glocken, welche das neue Jahr eingeläutet hatten, sind verklungen. Wir haben zufrieden vom alten Jahr Abschied genommen, das uns so viele unvergessliche Erlebnisse beschert hatte. Mit Zuversicht freuen wir uns auf das kommende. Möge es uns ähnlich behandeln!

Das 'Tagebuch', das wir hier jeden Monat veröffentlichen, dient in erster Linie uns selber, damit wir die vielen Erfahrungen, die wir auf unseren Reisen während der letzten neun Jahre hatten machen dürfen, immer zuverlässig einordnen können. Wir greifen daher selber immer wieder gerne auf die einzelnen Beiträge zurück, wenn uns die Namen bestimmter Orte entfallen sind oder wir gar die Jahreszahlen durcheinander bringen. Beim Betrachten der Bilder springen dann ganz plötzlich unzählige Erinnerungen aus ihrem geheimnisvollen Versteck hervor, in dem sie die vergangene Zeit unbemerkt und fast vergessen zugebracht hatten.
Aber natürlich sollen die Berichte auch Freunden und Bekannten Gelegenheit geben zu sehen, wo wir uns jeweils gerade aufhalten und was wir tun. Vielleicht helfen sie ihnen zu verstehen, warum wir so leben und eben nicht anders. Aber es bleibt ein Reisetagebuch und darum darf es ruhen, wenn wir nicht auf Reisen sind.

Aus Gründen, die wir so nicht vorausgesehen hatten, waren wir nun seit fast drei Monaten in der Schweiz sesshaft und werden es auch im nächsten Monat noch bleiben. Wir haben die Zeit genutzt, viele Leute zu treffen, die wir lange nicht mehr gesehen hatten und vermehrt mit Leuten zusammen zu sein, mit denen wir in den letzten Jahren zu wenig Zeit gemeinsam verbracht hatten. Daneben waren wir mit verschiedenen notwendigen Reparatur- und Sanierungsarbeiten im und um das Haus beschäftigt.  Anfang März werden unsere Aufgaben hier erledigt sein und in unserem Haus wieder andere Leute leben. Wir werden dann das Wenige, das wir mitgebracht hatten, wieder in unsere Reisetaschen packen und auf Umwegen zu unserem Schiff zurückkehren. Ab diesem Zeitpunkt werden wir unsere Berichterstattung wieder im gewohnten Umfang aufnehmen.
Vielleicht wird sich dann auch die eine oder der andere wieder daran erfreuen. Und wir uns ganz sicher mit ihnen.

Die MIZAR's, Matz und Hansruedi

 

Eine kleine Reise haben wir dann trotz allem noch unternommen und möchten darüber kurz berichten. Am 18. Februar sind wir nach Basel gepilgert, weil Matz, eine eingefleischte und überzeugte Zürcherin, noch nie die Gelegenheit gehabt hatte, die Basler Fasnacht direkt zu erleben. Diesmal waren die Umstände günstig und wir hatten in Basel für drei Tage eine kleine Wohnung gemietet, die, wie sich später herausstellte, unmittelbar an der Route des Cortège gelegen war. Hansruedi würde bei dieser Gelegenheit entweder alte Erinnerungen wieder neu beleben können, oder aber wenigstens versuchen, sich an die während der letzten Jahrzehnte eingeführten Änderungen zu gewöhnen.
Die Basler Fasnacht folgt eigenen Gesetzen und ist nicht zu vergleichen, mit Veranstaltungen gleichen Namens in verschiedenen anderen Schweizer Städten. Wer gegen diese Gesetze verstösst, muss die Konsequenzen selber tragen. Humor kann auch beissen. Trotzdem hat sie sich nicht vollständig vom sich rasch wandelnden Zeitgeist lossagen können und Strömungen aufgenommen, die nicht allen gefallen. Nachwuchssorgen kennt sie allerdings keine.

Bekanntlich beginnen die drei schönsten Tage des Jahres am Montag um 4 Uhr früh mit dem Morgestraich. Wir waren darum rechtzeitig aus den Federn gekrochen und erlebten auf dem Marktplatz vor dem Rathaus den eindrücklichen Moment, an dem alle Lichter auf einen Schlag ausgelöscht werden und sich die zahllosen Tambouren- und Pfeiffer-Cliquen auf ein Kommando hin in Bewegung setzen.

Jede Clique hatte sich im voraus ein Sujet gewählt und dieses auf einer grossen Laterne mit kunstvoller Malerei dargestellt. Diese Laterne wurde in einem unüberschaubaren Gewusel durch alle Strassen und Gassen der Stadt getragen, jeweils begleitet von einem Vorzug, kleinere Laternen tragend, und dahinter den Trupps mit den Pfeifern und den Tambouren. Die Musik von Tausenden von Pfeifen und Trommeln erfüllt während Stunden die Strassenschluchten. Sie wirkt auf die Zuschauer auf unerklärliche Weise narkotisierend und belebend zugleich. Medizinisch würde man das wohl als Rausch bezeichnen.

     

Der Rausch erweitert die gefühlsmässige Wahrnehmung und schärft das Auge für die Lawine bunter und skurriler Details. Alles zusammengenommen eine Erfahrung, die sich nur demjenigen öffnet, der bedingungslos sich hingeben und geniessen kann. Und das, wohlgemerkt, lange vor dem ersten Bier, lange vor dem ersten Glas Wein.

  

Der Zuschauer wird so nach und nach zum Wanderer und zieht - oder besser, weil nun selber Teil des Ganzen - wird durch die Strassen gezogen und lässt die Eindrücke auf sich wirken. Wie viel stärker muss das Erleben für all jene sein, die während eines ganzen Jahres in hunderten Stunden Fronarbeit das alles vorbereitet haben und nun den ganzen Lohn auf einmal ausbezahlt bekommen.
Traditionellerweise wird dieser Rundgang abgeschlossen in einer der unzähligen Beizen, bei einem Teller Mehlsuppe und einem Stück Zibele- oder Chääswääje. Während dazu der Eingeweihte, dank viel besserer Ortskenntnis, wohl ein stimmiges Plätzchen findet, wo er diese Stärkung geniessen kann, muss sich der fremde Besucher mit jener Qualität zufrieden geben, die dem zufällig Vorbeikommenden überall angeboten wird.
Es gibt viele gekonntere Beschreibungen dieser Fasnacht, verfasst von Experten. Für uns müssen hier ein paar schlichte Eindrücke genügen.

    

Der Umzug am Nachmittag, der korrekt Cortège heisst, ist ein gewaltiges Schaulaufen aller Cliquen, diesmal etwa 470 an der Zahl, die nun mit feierlichem Kostüm angetan, mit sichtbarer Innbrunst und strenger Disziplin ihr Sujet der ganzen Welt kund tun. Ein mehrere Kilometer langer Rundkurs wird so von gegen 11'000 Teilnehmern, die in zwei Gruppen aufgeteilt sind,  in zwei gegenläufigen Zügen beschritten. Erneut erfüllt die Musik von Trommeln und Pfeifen, nun verstärkt durch die Kakophonie von wohl über hundert Guggen, die Luft in einem Ausmass, das gelegentlich die Schmerzgrenze überschreitet. Die schiere Dauer dieser Monster-Veranstaltung stellt zusätzlich hohe Anforderungen an den untrainierten Zuschauer.
Eine immer wiederkehrende Figur ist der Waggis, Persiflage des schlauen Elsässer Bauern, der mit Witz und geöltem Mundwerk die Aufmerksamkeit der Zuschauer verlangt, bloss um sie dann mit einer gehörigen Portion der unverzichtbaren Räppli (Konfetti) einzudecken.

     

Einer dieser Kerle hat die Mühe nicht gescheut und uns selbst auf unserem Balkon mit Süssigkeiten und Orangen beworfen. Unser Anteil an Räppli erreichte uns dann postwendend, abgeschossen aus einer Kanone, zielsicher und in schier unvorstellbarer Menge.

Die wertvollen Laternen wurden nach Einbruch der Nacht auf dem Münsterplatz parkiert, wo sie sicher vor Unfug auf ihren nächsten Einsatz warteten. Das ergab eine Ausstellung, die man in einem Besuch kaum sinnvoll bewältigen konnte.

Auf vielen Laternen bekamen die Politiker ihr Fett ab. Schade, dass diese wohl kaum die notwendigen Lehren daraus ziehen werden. Kunstvoll wurden auch andere Themen angesprochen. Gelegentlich Lokalkolorit, aber durchaus auch Themen, die uns eigentlich nachdenklich stimmen sollten. Immer wieder wurde unser oft verantwortungsloser Umgang mit unserer Umwelt kritisiert.

     

Mit dem Respekt, der ihnen gebührt, wurden die einzelnen Laternen von ihrer Clique in ihr Nachtquartier geleitet.

  

Am Morgen vor unserer Abreise leisteten wir uns etwas ganz besonderes und liessen uns vom Fäärimann von der Kleinbasler Seite zum Münsterufer hinüber setzen. Als Flussschiffer war dieses Erlebnis für uns unverzichtbar. Wir waren von der Macht der Strömung beeindruckt, aber noch fast mehr von der Leichtigkeit, mit der der Schiffer sein Gefährt, das lediglich vom fliessenden Wasser angetrieben wird, ans andere Ufer steuerte. Dabei gab es so viel zu sehen und zu fragen, dass die Fahrt vorüber war, ohne dass wir rechtzeitig daran gedacht hätten, ein Bild davon zu schiessen.

Um sämtlichen sinisteren Geschichten vorzubeugen, bezahlten wir den Fäärimann getreulich nach seinem Tarif. Die Zeit für die kostenlose Fahrt über den Fluss schien uns noch nicht reif.

 

 

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