Juli 2017

 

Unsere Einfahrt in den Hafen von Waren erfolgte ganz entspannt, denn wir mussten uns diesmal nicht in das dichte Muster einfügen, das die Dauerlieger und Mietboote bilden, welche die grosszügige Anlage schon jetzt zu einem guten Teil ausgefüllt hatten. Unser Ziel lag ganz aussen am neuen Wellenbrecher, bei dem eine Verbotstafel normalerweise das Anlegen untersagt. Dank dem Entgegenkommen der Stadtbehörden war hier ein Platz für uns reserviert. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle bei den Verantwortlichen herzlich bedanken. Sie hatten Verständnis für unser Vorhaben gezeigt und wohl auch die Gelegenheit gesehen, der erst kürzlich eingeweihten Anlage zu einem willkommenen Farbtupfer zu verhelfen. Obwohl wir hier zwei, drei Gehminuten weg vom Zentrum der Stadt festmachten, hätte die Lage nicht prominenter und die Aussicht nicht prächtiger sein können.
Es dauerte dann auch nicht lange, bis der Fotograf, der die Bilder für die Ansichtskarten der Stadt schiesst, diese Gelegenheit gesehen und uns freundlicherweise gleich auch die Veröffentlichung seines neusten Bildes erlaubt hat.

Kaum hatten wir die Leinen versorgt, gingen wir in die Stadt und bestiegen den Turm der Marienkirche. Von hier aus hatten wir ringsum freie Sicht, betrachteten aus erhöhter Warte unsere neue Umgebung und die Position der Mizar ganz weit draussen, rechts am Wellenbrecher. Für die nächsten zwei Monate würden wir hier einen längeren Etappenhalt auf unserer Schiffsreise einlegen.

Waren hat etwa 21'000 Einwohner und ist so etwas wie die Hauptstadt der Ferienregion Müritz. Darum ist die Stadt in erster Linie auf den Tourismus ausgerichtet und die meisten Bewohner leben von diesem Wirtschaftszweig. Entsprechend umfangreich ist das Angebot für Leute, die hier ihre schönsten Wochen des Jahres verbringen wollen. Eine ausgesprochene Zweiklassengesellschaft: die einen müssen arbeiten, die andern wollen alles, nur das nicht. Die Schiffe der Weissen- und der Blau-Weissen-Flotte, die in kurzen Abständen den Hafen für Ausfahrten auf die Müritz und die umliegenden Seen verlassen, bieten den Gästen die traumhafte Landschaft sozusagen auf dem Servierteller. Ein besonderer Platz unter den Passagierschiffen gehört der Europa (Dampfschiffnachbau von 2006, der zwar mit einem Dieselmotor fährt, aber zur Freude seiner Passagiere die Dampfmaschine auf jeder Fahrt einmal durchdrehen lässt), die ihr Ablegen jedes Mal mit einem kräftigen Signal aus ihrer Dampfpfeife ankündigt. Einer ihrer Kapitäne hat jeweils beim Vorbeifahren seine Passagiere auf die Eigenheiten unseres Schiffes hingewiesen und in einen historischen Zusammenhang gebracht. Etwas wehmütig fügte er dann abschliessend noch an, dass er sich genau so etwas für die Zeit nach seiner Pensionierung wünschen würde.

Das Stadtbild wirkt sehr gepflegt und bietet viele stimmungsvolle, lauschige Winkel, ist aber vielerorts arg mit parkenden Personenwagen der zugereisten Gäste verstellt. Zahlreich sind die Hotels und Häuser, die Zimmer und Ferienwohnungen anbieten. Noch zahlreicher sind die Gaststätten, die den Besuchern Speis und Trank für jede Gelegenheit servieren. So ist der Ort eine ideale Ferienkulisse und hat gelernt, mit den Nachteilen zu leben, die mit einem solchen Angebot zwangsläufig einhergehen. Bis jetzt, ohne dafür einen allzu grossen Preis zu bezahlen. Es bleibt zu hoffen, dass es auch weiterhin gelingt, ein gesundes Gleichgewicht zu halten. Der wirtschaftliche Druck in dieser strukturell schwachen Region ist jedoch gewaltig.

Etwas abseits der Betriebsamkeit herrscht noch beschaulicher Alltag.

     

In der Hafennähe und im Zentrum bestimmen jedoch die Touristen die Gangart.

     

Für alle denkbaren Ferientätigkeiten und Geschmäcker besteht ein passendes Angebot.

Von unserer Terrasse aus verfolgten wir den Verkehr in den Hafen und aus diesem hinaus. Viele verschiedene Schiffe, von gross bis ganz klein, drängten sich den ganzen Tag durch den Engpass zwischen den beiden Wellenbrechern. Obschon die Anlage recht grosszügig angelegt ist, war sie zumeist gegen die zweite Hälfte des Nachmittags hin voll belegt. Wir sahen dann oft die Enttäuschung in den Gesichtern der Bootsbesatzungen, weil für ihr Schiff einfach kein Platz mehr im Hafen zu finden war. Etwas freudlos mussten sie dann eine Ausweichdestination ansteuern, selbst bei anbrechender Nacht oder auch bei schlechtem Wetter .

Von der Mole aus hat man die beste Aussicht auf die Stadt. Wohl alle Gäste finden während ihrem Aufenthalt die Zeit, um von hier aus ein Bild für ihr Ferienalbum zu schiessen oder gleich an sämtliche Freunde zu versenden. Ihr Weg führte unweigerlich an unserer 'Haustüre' vorbei. Dabei war unser Schiff ganz offensichtlich eine zusätzliche Attraktion. Vor allem  freuten sie sich an unserem Blumen- und Kräutergarten, der in diesem Sommer besonders üppig spross, wunderten sich ob der Art und der Grösse des Schiffes und fragten sich, wie es wohl hierher gekommen sein mochte,
Wir lernten dabei auch, die immer wieder gestellte Frage zu ertragen: "Sind sie aus der Schweiz? Sind sie den Rhein hoch gekommen?"

Unsere Anwesenheit hat viele Gespräche ausgelöst, Begegnungen angestossen, Eltern auf die Fragen ihrer Kinder antworten und junge Leute träumen lassen. Dies alles wurde in hunderten von Fotos festgehalten und als Ferienerinnerung mit nach Hause genommen.
Wir denken, dass wir damit der Stadt auch ein wenig für ihr Entgegenkommen zurückgegeben haben.

Wir hatten vielfach auch sehr anregende Begegnungen, oft mit Schweizern, die auf mehr oder weniger langen Ferienreisen ihr Bedürfnis stillten, die engen Grenzen zu überwinden und etwas mehr von der Welt zu sehen. Manche hatten ganz bewusst Mittel und Wege gesucht, ausgetretene Pfade zu verlassen und waren mit dem Camper oder gar mit dem Fahrrad unterwegs. Vieles, was wir dabei erfuhren, war interessant, manches lehrreich und zugleich Bestätigung, dass wir auf unserem Weg und mit unserem Bedürfnis gar nicht so alleine sind. Die Art des Reisens, der Luxus Zeit zu haben und die vielen Begegnungen erlauben einen ganz neuen Blick auf die besuchten Länder. Dass es uns dabei gut geht, das wussten wir bereits.

Gelegentlich erging es uns aber wie mit allen guten Dingen, Eis und Schokolade nicht ausgenommen. Irgend einmal hat man genug davon. Dann muss man eine Pause einlegen.

Wenn wir zwischendurch dieses Bedürfnis verspürten, brauchte es nicht viel: Motor starten und Leinen losmachen und schon lag die weite Müritz vor uns. Zwei, drei Tage weit draussen vor Anker und wir waren gut erholt und hatten Reserven genug, uns weiterhin unserem 'anspruchsvollen' Leben zu stellen.

Eine zusätzliche Abwechslung ergibt sich ab und zu von selbst und ist bei einem solchen Schiff ganz normal: dass es immer wieder etwas zu flicken, ersetzen, streichen, putzen und pflegen gibt ...

  

... diese Liste bleibt wohl endlos!

 

Der 'Tolle Max', so nennt sich das weisse Mietboot, spricht offensichtlich Kapitäne an, die dem Risiko eher abgeneigt sind und sich mit einer reichen Auswahl von Fendern für alle Eventualitäten zu wappnen suchen. Hoffen wir, dass sie damit ohne Anspannung und Druck unterwegs sein können. Nur allzu oft muss man sich fragen, wie sinnvoll es ist, Boote mit einer Länge von bis zu 15 m an Leute zu vermieten, die noch nie zuvor selber ein Schiff gesteuert haben. Auch wenn die Vermieter im Interesse ihres Geschäfts immer betonen, dass dies ohne weiteres möglich sei, sprechen Szenen, wie wir sie häufig erleben, bei starkem Wind oder im engen Hafen etwa, eine ganz andere Sprache. Oft werden dabei Ferien ganz unerwartet zu einer schweisstreibenden Angelegenheit.

An einem schönen Nachmittag klopfte Maren mit einem Kollegen an unsere Tür. Sie hatte im letzten Winter in Berlin bei einer der Strickgruppen mitgemacht, die Matz alle zwei Wochen mit Begeisterung besuchte. Offensichtlich hatte Maren damals ihren Schilderungen gut zugehört, hat sie doch auf Anhieb unser Schiff erkannt und schnell die richtigen Schlüsse gezogen. Ein unerwartetes, aber umso fröhlicheres Wiedersehen.

Am Sonntag darauf fuhren wir mit dem Fahrrad nach Klink, zum bekannten Schloss, das zwar erst in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Loire-Schlösser erbaut worden war, aber dennoch eine äusserst wechselvolle Geschichte erlebt hat. Durch die Veränderungen in der Folge von Wende und Wiedervereinigung war diese noch einmal gründlich umgekrempelt worden. Heute wird die stark erweiterte Anlage offensichtlich erfolgreich als Hotelkomplex betrieben. Eine kleine Perle ist das Schloss trotz allem geblieben.
Besonders motiviert worden waren wir zu unserem Besuch allerdings durch ein angekündigtes mittelalterliches Essen, das durch die Hotelküche unter freiem Himmel serviert würde.

Dass man zuerst Euros in Taler umwechseln musste, blieb dann allerdings das Einzige, was entfernt ans Mittelalter erinnerte, während etwa der Wechselkurs ganz modernem Geschäftsgebaren entsprach.
Das 'Pulled Pork', das während 12 Stunden im Smoker vorbereitet worden war, das schmeckte vorzüglich.

  

Vor der Veröffentlichung des nächsten Bildes hat die Hauszensur konsequent durchgegriffen. Aus aktuellem Anlass hatten wir unsere Schiffsbesatzung in grossem Umfang erweitert, müssen aber für weitere Erklärungen auf die Veröffentlichung eines Bulletins verweisen, die nicht vor Mitte Dezember 2017 zu erwarten ist. Darum ist das unten stehende Bild im vorläufig gesperrt. Es kann davon ausgegangen werden, dass zu diesem  Zeitpunkt auch das offizielle Bild freigegeben wird. Für den Moment müssen 'alternative Fakten' genügen.

Da die Tatsache, dass unsere direkte Familie im Dezember 2017 Zuwachs erhalten würde, schon zu dieser Zeit bekannt war, hatten wir eine unerwartete Gelegenheit beim Schopf gepackt und in Waren ein Geschenk erstanden, mit dem diesem erstmaligen Ereignis zu gegebener Zeit ein unvergessliches und verdientes Denkmal gesetzt werden soll. Selbstverständlich mussten wir zur Wahrung der Überraschung das folgende Bild bis zur Übergabe unseres Bäri an den neuen Besitzer sperren. Mit dem heutigen Datum (6. Dezember 2017) ist diese Sperrung aufgehoben und wir wünschen dem neuen Erdenbürger einen zuverlässigen, starken und treuen Begleiter auf seinem ganzen Lebensweg. (Siehe Dezember 17)

Schon für das folgende Wochenende hatte die Stadt selber wieder die Initiative ergriffen und das 64. Müritzfest ausgerichtet. Eröffnet wurde es durch einen Umzug, an dem sämtliche Vereine und Organisationen von Waren teilnahmen. Alles, was nur irgendwie mit der Stadt zu tun und Beine oder Räder hat, hat mitgemacht und es war kaum auszumachen, ob mehr Freude bei den Teilnehmern oder den Zuschauern herrschte.

Der örtliche Schützenverein ermittelt an diesem Fest jeweils einen Schützenkönig, der seinen Titel und Pokal dann bis zum nächsten Mal behalten kann.
(Die sollten einmal ein eidgenössisches Feldschiessen erleben! Da könnte sogar Steinbrücks Kavallerie noch das Fürchten lernen!)

  

Mit dabei waren auch die Feuerwehr und der Katastrophendienst, beide immer zusammen mit ihren Jugendorganisationen. Noch während des Festzuges wurden sie allerdings dringend abberufen, weil ganz in der Nähe eine Industriehalle in Flammen aufging und vollständig ausbrannte.
(Erinnerungen an Mani Matters Feuerwehrlied wurden unwillkürlich wach!)

Auf dem Festplatz beim Müritzeum wechselten Musikvorträge und Tanzaufführungen in dichter Folge und hielten die Leute bei guter Laune.

Mit einem Feuerwerk am Abend fand der erste Tag ein festliches Ende.


Der Sommer wurde in diesem Jahr nur tageweise abgehalten und auch dann gar nicht üppig. Mit Temperaturen während der Hundstage von 18 bis 19 Grad lässt sich nun wirklich kein Staat machen. Dafür gab es Wasser im Überfluss. Die reiche Seenlandschaft wurde grosszügig von oben nachgefüllt, was aber wiederum den Wassertemperaturen nicht besonders gut bekam. Es braucht offensichtlich die regelmässige Abhärtung in der Nordsee von Kindsbeinen an, dass man bei diesem Wetter den Sprung ins kühle Wasser wagt und das, was darauf folgt, auch noch geniessen kann. Wir nutzten diese Gelegenheit darum nur sehr wohldosiert und eigentlich bloss zur Kontrolle, ob wir noch schwimmen können. Das einzig Gute dabei ist, dass aus dem selben Grund unser Sonnenschirm auf der Terrasse wohl noch eine weitere Saison halten wird.
Der Regen hingegen hatte es in sich. Gleich an mehreren Tagen fiel an verschiedenen Orten der Region während 24 Stunden mehr Wasser vom Himmel als sonst während des ganzen Monats. Weil damit zumeist auch stürmische Winde einhergingen, fiel so mancher Urlaub buchstäblich ins Wasser. Aber auch die einheimische Bevölkerung traf es mancherorts hart. Damit hatten vor allem die Feuerwehren reichlich zu tun, mussten doch hunderte Keller ausgepumpt, blockierte Brücken befreit, Dämme erhöht, umgestürzte Bäume weggeräumt und an vielen Orten Leute evakuiert werden.
Wir selber hatten ein gutes Gefühl, wohl ähnlich wie Noah in seiner Arche.

Als wir im Hafen mal gemütlich auf unserer Terrasse sassen, gelegentlich etwas lesend, vor allem die Umgebung betrachtend, bemerkte Matz plötzlich, wie sich etwas Ungewöhnliches entlang unserem Schiff im Wasser schwimmend fortbewegte. Bald zeigte sich, dass es eine kleine Schlange war, die sich offenbar in den Hafen hinein verirrt hatte. Ihre Überlebenschancen in dieser Umgebung waren gleich null. Rasch hatten wir sie mit unserem Kescher an Bord geholt, gerade bevor sie den Fischern, die wie immer sehr zahlreich dem Kai entlang versammelt waren, in die Quere kam. Unvermittelt hatten wir eine etwa 45 cm lange Ringelnatter in den Händen, die einen reichlich erschöpften Eindruck machte. Vor lauter Aufregung haben wir leider vergessen, ein Foto zu machen. Wir packten sie schnell in ein Tüchlein ein und fuhren mit dem Fahrrad in eine abgelegene Gegend mit viel Gestrüpp und Unterholz, direkt am Seeufer, wo sie mit ungebrochener Chance in ein neues Leben starten konnte. Mit gutem Pfadi-Gefühl genossen wir danach die Rückfahrt.

Weil wir unsere Reise nach Schwerin schon längere Zeit geplant hatten, sind wir trotz des schlechten Wetters losgefahren. Unser Ziel lag etwa 90 km westlich von Waren. Wir hatten uns gewundert, dass man mit dem Zug zunächst beinahe Richtung Norden fahren muss, um in Rostock umzusteigen, wonach die Reise nach vierzig Minuten Wartezeit wieder nach Südwesten weitergeht, bis man nach drei Stunden endlich in Schwerin ankommt. Als Entschädigung fährt man auf beiden Wegen durch weite Ebenen, wo zwar intensiv Landwirtschaft betrieben wird, die riesigen Äcker aber stets um zahlreiche grosse Inseln von Wald, Gebüsch und Brachland herum angelegt sind, was der Landschaft einen abwechslungsreichen, gesunden Eindruck verleiht. Selbstverständlich gehören zur Vielfalt dazu auch hier zahlreiche Tümpel und kleinere Seen. Trotzdem leidet gemäss neuesten Untersuchungen auch hier die Natur sehr stark unter der intensiven Bewirtschaftung mit Monokulturen. Der Artenschwund nimmt erschreckende Ausmasse an. Beim Gedanken an die entsprechenden Zustände in unserem Land, wo alles wegen der beengten räumlichen Gegebenheiten noch viel schlimmer ist, überkam uns ein leises Grauen, das umso bedrückender wirkte, weil eine Besserung nicht in Sicht und auch nicht zu erwarten ist. Geld regiert eben noch immer die Welt.


In Schwerin haben wir bei einer Stadtführung erfahren, dass dies die kleinste Landeshauptstadt Deutschlands ist, aber weder über einen direkten Autobahnzubringer, noch ICE-Zugsverbindungen verfügt. Da auch weder Fachhochschulen noch eine Universität am Ort zu finden sind, haben nach der Öffnung - weil sie es jetzt konnten - sehr viele junge Menschen die Stadt verlassen, um anderswo ihr Glück zu versuchen. Wegen der besseren Arbeitsbedingungen im Westen sind ihnen viele Erwerbstätige gefolgt und damit fiel die Bevölkerung innert kurzer Zeit von etwa 130'000 unter die 90'000er Grenze, von wo sie sich bis heute noch nicht erholt hat. Schwerin ist also keine Grossstadt mehr, dafür eine Beamtenstadt, wo man zwar gut leben kann, aber die Zukunft liegt eher im Tourismus und in den Altersheimen. Diese heute in ausreichendem Mass zu bauen, fehlt aber das Geld.

Dass das nicht immer so war, zeigt die bewegte Geschichte der Stadt, die um 1100 n.Ch. gegründet worden war und bald danach Stadtrechte und Bischofssitz zugesprochen erhielt. Die alten Häuser, Fachwerkhäuser mit Strohdach, sind mehrfach abgebrannt, während der Dom, der aus Ziegelstein aufgebaut worden war, immer erhalten blieb. Das prächtige Schloss, heute Sitz der Landesregierung, war auf einer Insel gebaut worden und auf diese Weise vom Feuer geschützt.

   

Die Orangerie, in der die Schlossherren empfindliche Pflanzen, welche ihrer exklusiven Lebensweise zu noch mehr Pracht verhalfen, durch den strengen Winter bringen liessen, gibt heute einen stilvollen Rahmen für das Schlosscafé ab.

  

Der Dom überragt mächtig die Stadt und die Aussicht von der 55m hohen Turmterrasse geht in alle Richtungen weit über die flache Landschaft bis zum fernen Horizont. Die Markthalle mit der Säulenfassade hätte Ordnung in den Markt bringen und Schmutz und Gestank fernhalten sollen. Die Idee war offenbar gut, aber die Halle zu klein geraten.

  

Auch der Innenraum des Doms ist sehenswert und so weitläufig, dass ältere Besucher gelegentlich eher untypische Fortbewegungsmittel benutzen. Er beeindruckt ebenso durch eine gewaltige Orgel, die durch Friedrich Ladegast um 1870 gebaut worden war. Sie umfasst 4 Manuale, 84 Register und rund 5000 (!) Pfeifen.

   

Der Schein war schon damals oft weit wichtiger als das Sein, und so ist die Markt-'Halle', wie im linken Bild ersichtlich, nur gerade 8 m breit geraten und der Rest war Fassade. Auch die rote Fassade des städtischen Ratshauses deckt nur die eher bescheidenen Fachwerkhäuser dahinter ab, die das eigentliche Gebäude hergeben. Ihre Rückseite ist auf dem rechten Bild zu sehen. Das selbe Vorgehen verleiht der ganzen Stadt einen fast weltstädtischen Eindruck, der versucht, über die eher bescheidenen Ursprünge hinweg zu täuschen.

  

Trotzdem ist die Stadt, auf deren Gebiet zwölf Seen liegen, sehr wohnlich und reich an angenehmen Eigenschaften. Wohl die ansprechendste aller Städte, die wir in den letzten zwei Jahren angetroffen hatten.

Eine Besonderheit ist das Gebäude der alten Post. Ein riesiger Gebäudekomplex, der heute leer steht und zum Verkauf ausgeschrieben ist (5 Mio Euro). Nur fehlt bis heute ein Interessent, der das Geld hat und gleichzeitig mit einem guten Projekt aufwarten kann. Wie an anderen Orten auch, verlor die Post während der letzten Jahre stetig an Geschäftszweigen und Bedeutung und ist zu einem reinen Dienstleistungsbetrieb mit andauernd sinkendem Umsatz geworden, der keinerlei Bedarf für ein solches Gebäude mehr hat. Dabei hatte hier einst Heinrich von Stephan gewirkt, der Begründer des Weltpostvereins. Sein Ziel war es gewesen, jedes Haus der Stadt mit einem eigenen Telefonanschluss zu versehen. Die Leitungen dazu gingen von den unzähligen Isolatoren aus, die an der Aussenseite des Türmchens heute immer noch stehen. Von ihnen ist, bestimmt zur Freude der Schwalben im Herbst, ein direktes Kabel in jedes Haus gespannt worden. Es soll immer wieder vorkommen, dass Besucher die Isolatoren mit kleinen Glocken verwechseln und immer zur vollen Stunde auf das Erklingen eines Glockenspiels warten.

Die Stadt hat viel Energie und Selbstbewusstsein entwickelt und ist bemüht, sich als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen.
Das Bild, das für dieses Vorhaben wirbt, lässt kaum Zweifel aufkommen, dass diesen Bemühungen Erfolg beschieden sein wird.


Quelle: Weltkulturerbe Schwerin

Rechtzeitig für den 1. August sind wir nach Waren zurückgekommen. Wir werden unseren Nationalfeiertag zusammen mit der Baba Jaga bei gemütlichem Zusammensein begehen. Doch das gehört dann schon endgültig in den nächsten Monatsbericht.

Monat Juli 2017:
- 4 h 05'
- 20 km
400m

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