Juli 2016

  

Nach dem gut gefüllten letzten Monat wollten wir den neuen ganz bewusst etwas ruhiger angehen. Wir blieben darum zunächst für ein paar Tage in Töplitz. Der Liegeplatz war komfortabel, die Leute ausgesprochen nett und wir hatten keine Eile. So genossen wir die ruhige Zeit und das schöne Wetter, ordneten unsere Erlebnisse der vergangenen Tage und alles Liegengebliebene an Bord.
In einem solchen ruhigen Moment meldete sich am Funk plötzlich die Omega. Wir hatten das Schiff erst einmal im Teltowkanal gekreuzt, hatten allerdings mit den Besitzern Ulrike und Heinz vorher einige Male Kontakt per e-Mail. Diesmal war wenigstens genügend Zeit, Bilder auszutauschen, denn es ergibt sich nicht so oft die Gelegenheit, Fotos vom eigenen Schiff 'während der Fahrt' zu schiessen.  Das nächste Mal nehmen wir uns bestimmt mehr Zeit und dann wird es auch für etwas mehr reichen, als bloss Bilder auszutauschen.

  

Etwas später machten wir uns doch noch auf den Weg nach Köpenick, wo wir, wie geplant, einige Malerarbeiten erledigen wollten. Schon in Potsdam legten wir zunächst einen Halt ein, unsere Vorräte an Bord zu erneuern. Dabei stach uns sofort der Unterschied zu unserem letzten Besuch hier in die Augen: wo wir damals Platz in Hülle und Fülle hatten, mussten wir diesmal froh sein, uns gerade noch in eine (schmale) Lücke zwängen zu können. Die Sommerferien hatten angefangen!

Die fortschreitende Jahreszeit machte sich auch auf unserem Schiff bemerkbar. Die meisten Blumen in unserem Garten waren verblüht und das Gewürzbeet verwandelte sich zunehmend in eine Sommerwiese. Dafür wurden unsere Tomaten endlich rot und wir konnten während der nächsten Tage immer wieder frische, kräftig duftende Früchte ernten. Ob als Vorspeise oder Dessert, wir genossen sie immer mit ganz besonderer Andacht.
Selbst dem gehörnten Besucher schien das Leben bei uns zu gefallen, denn auch er hatte offensichtlich keine Eile.

     

Schon bei unserer ersten Fahrt durch den Teltowkanal hatten wir diese Warntafel am 'Wegrand' gesehen. Ein ganz besonderes Gefühl, wenn man bedenkt, dass dieser 'Weg' mitten durch die Grossstadt Berlin führt.

So ruft sich die Geschichte ganz unerwartet immer wieder in Erinnerung.
Es wurde uns aber erst jetzt so richtig bewusst, dass der Hinweis zwar eine etwas makabere, offensichtlich aber sehr effiziente Methode des Naturschutzes darstellt.

Nach drei Tagen kamen wir dann bei der mitschiffs Werft an, wo wir uns einen Platz für die kommenden zwei oder drei Wochen reserviert hatten.

Die Renovation unserer Terrasse stand auf dem Programm.
Nachdem wir das ganze Mobiliar mitsamt den schweren Pflanzentrögen auf die nebenan liegende Barkasse gezügelt hatten, entfernten wir den Lattenboden. Darunter stiessen wir auf eine Menge Dreck, der sich im Laufe der Zeit angesammelt hatte. Wir waren aber angenehm überrascht, dass das Stahlblech, das wir vor sechs Jahren in St. Jean de Losne von Grund auf neu gestrichen hatten, sich erstaunlich gut gehalten hatte. Offensichtlich war unsere Arbeit von damals die Mühe wert.

  

Zuerst reinigten wir alles gründlich, ...

  

... bevor wir erneut drei Schichten Farbe auftrugen. Jeden Morgen musterten wir zuvor sorgfältig den Himmel, denn wir wollten nicht, dass unsere Arbeit gleich verregnet würde.

  

Ein paar Tage später schien dann die untergehende Sonne auf ein glänzendes, 'fast neues' Schiff.

Danach kamen noch die Oberlichter an die Reihe, damit sie sich auf dem strahlenden Blech nicht zu schämen brauchten.

  

Schliesslich war die Arbeit fertig und wir mit der hier verbrachten Zeit ganz zufrieden.

  

Es klingt fast unglaublich, aber kaum hatten wir den Tisch und die letzten Stühle wieder auf das Schiff geschafft, legten Lucy und Peti mit ihrer La Vie (siehe Juni 2014) neben uns an und wir hatten eine willkommene Gelegenheit, unsere neue Terrasse (wenn auch etwas überstürzt und reichlich unvorbereitet!) einzuweihen. Es war ein netter Zufall, dass ihr Gast Dani vor Jahren einmal mit einem Segelschiff mit dem Namen Mizar den Atlantik überquert hatte.
Auch wenn die Tageszeit dazu noch nicht ganz die richtige war, gab das alles doch hinreichend Grund, mit einem kühlen Bier auf unser Schiffer-Leben anzustossen.

  

In den Arbeitspausen und während der schönen Abende hatten wir immer wieder über unser weiteres Sommerprogramm diskutiert. Es waren derart viele Leute auf dem Wasser unterwegs, dass wir uns fragten, ob es klug sei, wenn wir uns während der Hochsaison auch noch dazu gesellen würden. Eigentlich hatten wir geplant, auf der Dahme weiter gegen Süden zu fahren und den Sommer im Süden und Südosten von Berlin zu verbringen.
Schlussendlich haben wir uns entschlossen, nach Stettin in Polen zu fahren. Wir hatten das Gefühl, so vielleicht dem gröbsten Gedränge eher etwas ausweichen zu können. Gleichzeitig würden wir so in Gegenden gelangen, auf die wir zuvor kein Augenmerk gerichtet hatten.
So meldeten wir uns nach zwei Wochen bei der Werft ab und fuhren wieder an Köpenick vorbei, Richtung Berlin Zentrum und die Spree-Oder-Wasserstrasse. Zwei Tage später erhielten wir per e-Mail ein Bild , das von einem uns unbekannten Passanten am Ufer geschossen worden war. Als hätte er den ersten Abschnitt dieses Monatsberichtes bereits gelesen, schickte er uns ein Bild unseres Schiffes, das wir mit Vergnügen hier einfügen.
(Wir danken Herrn A. Nebrig für die Freundlichkeit und die Mühe, die es ihn gekostet haben muss, einfach so unsere Adresse zu eruieren.)

  

Dass wir nicht übertrieben haben mit der Bemerkung, dass offensichtlich ganz Deutschland auf dem Wasser unterwegs war, beweisen die folgenden Bilder wohl hinlänglich.

     

Auf der Spree fuhren wir nun in umgekehrter Richtung ins Zentrum der Stadt und entdeckten auch diesmal wieder Neues.

Da der Steg beim Bahnhof Friedrichstrasse ganz überraschend wiederum genügend Platz hatte, verbrachten wir einen weiteren Tag an dieser prominenten Stelle. Wir genossen so ganz bewusst das Privileg, derart in der Nähe eines der Brennpunkte der Weltpolitik zu weilen. Gleichzeitig aber zu Hause zu sein, im eigenen 'Haus mit Garten' zu leben und im eigenen Bett zu schlafen zu können.
Das ist Schifferleben!

Zeitig am nächsten Tag ging es weiter, erneut an Parlament und Kanzleramt vorbei und durch den Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal nach Spandau.

  

Über die Havel-Oder-Wasserstrasse fuhren wir dann in Richtung Oranienburg, steuerten diesmal aber kurz vor der Stadt Richtung Osten und fuhren so unserem neuen Ziel entgegen.
Vor der Schleuse Lehnitz mussten wir zusammen mit einer ganzen Anzahl Sportboote fast zwei Stunden warten, bis der Schleusenwärter die Tore für uns öffnete. Die etwas ungewöhnliche Anlegestelle, die entweder für kleine oder aber ganz grosse Schiffe ausgelegt ist, zwang uns zu einem etwas schiefen Anlegemanöver.
Einige Schrecksekunden erlebten wir, als wir beim Aufleuchten des grünen Einfahrtsignals unseren Motor starten wollten, dieser aber keinen Wank machte. Schon fürchteten wir, diese Gelegenheit zu verpassen und bis zur nächsten Schleusung erneut zwei Stunden warten zu müssen. Zum Glück gelang es uns, mit Hilfe unseres Generators, den wir sonst höchstens ein oder zwei Mal im Jahr brauchen, im letzten Moment unseren guten alten Gardner zu starten. Aus Dankbarkeit haben wir dem Generator für diesen Herbst einen Ölwechsel versprochen.

Die Havel-Oder-Wasserstrasse wird recht stark vom Berufsverkehr befahren, führt meist schnurgerade durch eine bewaldete Gegend, wirkt aber gerade wegen der üppig von Bäumen bewachsenen Ufern recht monoton. Dazu kommt, dass es für Schiffe unserer Grösse überhaupt keine Anlegemöglichkeiten gibt und so die ganze Strecke in einem Zug durchfahren werden muss.

  

Dieser Umstand hat uns dann bewogen, erneut den Finowkanal als Alternative zu prüfen, der etwas südlich, aber beinahe parallel zur Havel-Oder-Wasserstrasse verläuft. Wir hatten ihn zuvor verworfen, weil seine offizielle Wassertiefe mit lediglich 1.20 m angegeben wird. Mit unserem Tiefgang von 1.25 m hätte uns damit auf der ganzen Länge des Kanals die berühmte Handbreit Wasser unter dem Kiel gefehlt. Dies bewusst einzugehen, schien uns zuvor nicht geheuer und gilt überdies als nautisches Sakrileg. Nach zwei Telefonanrufen bei der verantwortlichen Amtsstelle und längeren Diskussionen zwischen der vorsichtigeren und der etwas experimentierfreudigeren Fraktion unserer Besatzung liess sich Matz schlussendlich 'überzeugen' und stimmte mit Bauchgrimmen der Routenänderung zu. Sie pflegt eben einen besonders sorgsamen Umgang mit dem Schiff und ist an dessen Aussenhaut mindestens so empfindsam, wie andere Leute an ihren Fusssohlen.

Die Abzweigung zum Finowkanal (vor der Brücke nach rechts) war sehr unspektakulär und die ersten paar hundert Meter waren das auch. Danach wurde der Kanal deutlich schmaler, war stellenweise stark mit See-und Teichrosen bewachsen und darum wunderschön anzuschauen. Die Bilder vermögen dem wohltuenden Wechsel zum vorhergehenden Gewässer kaum gerecht zu werden.

  

Die erste, ganz in französischer Manier von Hand betriebene Schleuse weckte Erinnerungen an unsere Zeit in Frankreich und liess uns rasch alle Bedenken vergessen.
Der Anblick dieses 1878 erbauten Werkes schloss dann würdig unser recht anstrengendes Tageprogramm nach fast 8 Stunden Fahrzeit ab. Wir legten darum unmittelbar nach der Schleuse an und genossen die verdiente Ruhezeit ausgiebig.

     

Der Finowkanal birgt über die nächsten 40 Kilometer bestimmt noch manche Überraschung und wir werden dieses für Deutschland einmalige Stück Wasserstrasse im nächsten Monatsbericht noch ausführlicher beschreiben.

Monat Juli 2016:
- 30 h 45'
- 11 Schleusen
- 1 Hebebrücke
- 151 km

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