November 2015 

Gegen Ende des letzten Monats hatten wir unsere Mizar eingewintert und damit alles getan, dass sie den Winter ohne Schaden und ohne Probleme überstehen sollte. Schliesslich freuen wir uns schon jetzt auf die Fortsetzung unseres Schleusenschifferlebens im nächsten Jahr.

Aber auch für uns selber haben wir vorgesorgt.
Unzählige Stunden hatte Matz während der letzten Monate am Compi verbracht, Reiseführer gelesen, Flugpläne studiert, Tabellen entworfen und Preise verglichen. Unermüdlich hat sie gearbeitet und zahlreiche ausgefeilte Projekte wieder in den Papierkorb verschoben, weil sie doch irgendwie nicht passen wollten. Schlussendlich ist die Rechnung aber aufgegangen und unser Winterprogramm stand. Genau darauf hatten wir uns in so manchen schwierigen Stunden des letzten Winters immer wieder gefreut.

Hier ist der Anfang!

Zunächst mal reisten wir aber für einige Tage in die Schweiz, wo wir, neben dem Abhaken von unausweichlichen amtlichen und halbamtlichen Terminen, viele schöne Stunden mit Freunden, Bekannten und (leicht gealterten) Schulkameraden (siehe Bericht 3, Nov 2014) und (kaum gealterten) Schulkameradinnen verbrachten.

Ganz besonders wichtig waren uns aber die Besuche bei der engsten Familie, mit der wir ausgiebig zusammensassen. Alle diese Beziehungen sind es ja, die wegen unseres Zigeunerlebens gelegentlich arge Durststrecken durchstehen müssen.

Dabei galt ein Besuch auch der alten Heimatstadt von Hansruedi, weil hier doch einige besondere Erinnerungen heimatberechtigt sind. Vielleicht hat aber auch die letzte Strophe der Hymne dieser Stad ihre Berechtigung, welche sagt, dass die Glocken der Kathedrale die Macht hätten, jene, die zu leichtherzig weggegangen sind, später wieder nach Hause zu rufen.

  

Gemeinsam mit Nina schlenderten wir durch die vertrauten Gassen, entdeckten altes und neues, besuchten den Markt und die Kirche und machten es uns zwischendurch auch mal richtig gemütlich.

  

Der Himmel war blau und die Sonne schien warm und so zog es uns fürs Mittagessen fast von selbst an das Ufer des Flusses, der die alte und die 'neue' Stadt trennt. In nicht allzu ferner Vergangenheit wäre er beinahe zu einem Teil einer durchgehenden Schifffahrtsverbindung zwischen Holland und dem Mittelmeer geworden. Immerhin war ein solches Projekt von holländischen Unternehmern diskutiert worden und die entsprechende Planung war recht weit fortgeschritten, als offenbar die finanziellen Mittel Schwindsucht bekamen. Diese Tatsache ist selbst vielen Einheimischen nicht bewusst und kaum jemand kann sich heute konkret vorstellen, was das für die 'wunderhübsche kleine Stadt am blauen Strand' - so lässt sie sich liebevoll und augenzwinkernd im oben erwähnten Lied besingen - in Wahrheit bedeutet hätte.

Wir allerdings hätten dann immerhin die Möglichkeit gehabt, mit unserer Mizar fast direkt vor die Haustüre zu fahren!

  

Doch dann kam er schliesslich doch noch, der Tag unserer Abreise. Das Wetter war zwar konstant schön und warm und hätte uns damit fast zum Hierbleiben verführen können. Uns war aber klar, dass das alles nur ein kurzes Aufbäumen gegen den herannahenden Winter war und die letzten Zweifel diesbezüglich waren endgültig verflogen, als uns der Hauptbahnhof von Zürich in festtäglicher und (Swarovski-)winterlicher Stimmung für unsere lange Reise verabschiedete.

  

Die Zeit verging auch im Zug fast wie im Flug ...

... während sie, nach wir in dieses mächtige Ding eingestiegen waren (für uns beide eine Première!), ...

... nur noch tröpfchenweise verstrich und es damit lange dauerte, bis wir die erste Etappe hinter uns hatten. Trotzdem bringt das Fliegen immer wieder ganz erhebende Ein- und Aussichten. Dabei macht es nicht viel Sinn, das Heute mit dem Früher zu vergleichen, weil endgültig nur noch das eine zur Wahl steht.
Kenner erkennen bestimmt den Flughafen, den man bei den Fliegern von heute sogar während des ganzen Anfluges live auf der Rücklehne des Vordermannes bestaunen kann (Sony und Samsung machen's möglich!).

  

Die zweite und die dritte Etappe dauerten noch länger, bis es auch für Hardcore-Flieger fast zu viel wurde.
Nach vielen langen Stunden (die genaue Anzahl verschweigt des Sängers Höflichkeit!) erschien uns die erste Unterkunft mit einem richtigen Bett ganz märchenhaft komfortabel und wir fühlten uns als Gäste beim schweizerischen Konsul in Tahiti so richtig zu Hause.
Schon auf dem letzten Teilstück waren wir mit Frangipaniblüten empfangen worden, denn diese Blume steht für die Gastfreundschaft und Offenheit des Landes.

Die Stadt Papeete, Ausgangspunkt so mancher Südseeträume, besuchten wir erst einmal nur kurz und sparten uns weiteres für einen späteren Zeitpunkt auf, wenn wir dann besser ausgeschlafen sein würden. Wir planten ja, noch einige Zeit in Französisch Polynesien zu bleiben.
Wie gross diese ehemalige französische Kolonie wirklich ist, zeigt die Karte des Streckennetzes von Air Tahiti, projiziert auf die Europakarte.

 Ganz besonders beeindruckten uns der überall gegenwärtige französische Charme und die Tatsache, dass der Staat heute zwar weitgehend unabhängig ist, während das einstige Mutterland aber immer noch mit der eigenen Polizei und der eigenen Armee präsent ist.
Beeindruckend auf eine ganz andere Art war aber auch das Denkmal für die Atombombenversuche, die das selbe Mutterland (oder besser: Vaterland?) ganz selbstverständlich in dieser Gegend unternommen hatte. Das Denkmal stellt eine Bruderschaft aller jener Orte dar, die unter technischen oder kriegerischen Kernwaffeneinsätzen zu leiden hatten.

  

Im Kontrast zu den Flügen an den Tagen zuvor erschien uns der letzte Sprung zu unserem ersten Ziel als echtes Sahnehäubchen.

Die Aussicht uneingeschränkt verlockend, die Ankunft auf dem Flugplatz von Fakarava ein Traum.

  

Nach knapp zweistündiger Bootsfahrt erreichten wir dann unser kleines Häuschen, das zwar sehr bescheiden ist, sich aber dennoch nicht so sehr hinter den Palmen zu verstecken bräuchte. Der Blick aufs Meer ist überwältigend ...

  

... und das erste Bad ein Muss, dem man sich gerne ergibt.

Fakarava ist etwa 60 km lang und 25 km breit und damit eines der grössten Atolle der Gegend. Gewachsen auf einem Korallenriff, bildet es einen schmalen, beinahe rechteckigen Ring aus Korallensand und Muschelkalk, der sich stellenweise zu mit Palmen und tropischen Sträuchern bewachsenen Flächen verbreitert. Die Farbe wechselt von weiss über rosa zu dunkelgrau, wo der Fels mit Flechten bewachsen ist. Eine abwechslungsreiche Umgebung.
Während es auf seiner Aussenseite ständig den ungestümen Wellen und damit der ganzen Gewalt des Pazifischen Ozeans ausgesetzt ist, bleibt es auf seiner Innenseite immer ruhig. Das Wasser ist kristallklar und wetteifert mit dem Himmel um das tiefere Blau. Auf seiner Nord- und Südseite hat das Atoll je eine natürliche Öffnung, durch die, den Gezeiten folgend, das Wasser mit einer Strömung von oft mehr als 10 Knoten hinein resp hinaus fliesst. Damit wird das Innere auf die natürlichste Weise jeden Tag zwei Mal gespült. Das Wasser ist entsprechend nährstoffarm und sauber.

     

Als kleines Beispiel hier einer der wohl ursprünglichsten Einwohner, der sich aber öffentlichkeitsscheu zeigt und der Kamera immer wieder entflieht.
Ein Star wider Willen.

Natürlich sind wir nicht nur wegen der schönen Aussicht hergekommen. Schon bei der Planung waren die Möglichkeiten für Tauchgourmets ganz wichtige Entscheidungsfaktoren. Hier bieten die beiden Öffnungen im Riff mit den wechselnden Strömungen ganz besondere Voraussetzungen. Während das pazifische Wasser in das Atoll hinein fliesst, ist es von einer ganz aussergewöhnlichen Klarheit und erlaubt Sichtweiten unter Wasser, von denen man an anderen Orten nur träumen kann. Wenn das Wasser dagegen hinaus fliesst, dann warten buchstäblich unzählbare Haifische im Durchgang auf die Nahrung in der Form von dümmeren Fischen, die sich bequemerweise durch die Strömung mittreiben lassen. Die ungewöhnliche Ansammlung dieser Raubfische wird hier 'wall of sharks' genannt. So sieht man hunderte von Grauhaien und Weissflossenhaien so dicht bei dicht stehend, dass sie sich einem ständig bis auf Armlänge nähern. Dabei ist das Gefühl, mitten in einem Schwarm von Haien zu schwimmen, Auge in Auge mit ihnen, ein ganz aussergewöhnliches. Erst die Nähe und die Dauer dieser Begegnungen ermöglicht die tiefe Erkenntnis: diese Tiere sind von unbeschreiblicher Schönheit und Eleganz!

  

(Fotos der 'wall of sharks' von Fakarava von anderen Tauchern)

Wen wundert es, wenn wir nach solchen Erlebnissen (und weil es im Häuschen keinen Strom, kein Internet und als einzige Lichtquelle zwei Öllampen gibt), kurz nach dem Nachtessen in die Heja gehen?

Gute Nacht! Auch wenn jetzt zu Hause kaum Mittag, aber ein Tag später ist,
und kaum eine Stunde weiter westlich die Kinder gerade jetzt zu Bett gehen, auch einen Tag später!

(Stimmt alles, selbst wenn das Nachrechnen schwieriger ist als Schäfchenzählen. Es hat jedoch genau den selben Effekt.)


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