Mai 2015 

Gemäss unseren Reiseplänen hätten wir am Anfang dieses Monats schon längst wieder unterwegs sein müssen. Trotzdem wurden wir, wenn vielleicht auch nicht ganz unerwartet, noch den ganzen Monat hier in Nauerna festgehalten. Als ob der Himmel bei diesem Spiel mitmachen wollte, besorgte er uns über Wochen echtes April-Wetter. Nach ein paar frühlingshaften Tagen verdüsterte er sich im Westen immer wieder und schickte eine Reihe kleinerer Frühjahrsstürme übers Land. Das grosse Pizzaschiff im Hintergrund, das während des ganzen Winters unsere feste Anlegestelle gewesen war, hatte - trotz des neuen Farbanstriches - wegen betrieblichen Gründen seine Tore schliessen müssen. Darum sahen die italienischen Fahnen, welche den seltenen Gästen hätten den Weg weisen sollen, auch nicht mehr so recht ein, wen sie jetzt eigentlich herbeiwinken sollten. Eine nach der anderen hielten auch sie dem rauen Wind nicht mehr stand. Auch wenn so keine Partystimmung mehr aufkommen wollte, konnten wir uns über mangelnde Bewegung im Hafen nicht beklagen. Vom Wind aufgepeitschte Wellen liessen die leichteren Schiffe tanzen, während die Segler ihrem Element gehorchten und sich einvernehmlich zur Seite neigten. Allerdings liessen sich nur wenige unserer Probleme durch blosses Festzurren der Leinen beheben. Denn nicht nur der Wind wirbelte so manches durcheinander.

     

Gerade als sich das Durcheinander in unserer Schiffswohnung nach und nach zu lichten begann und wir angefangen hatten, wieder ein einigermassen normales Leben zu führen, verweigerte das neue System, welches das Abwasser von Dusche und Lavabo aus dem Schiff befördern soll (Grauwasserpumpe), unvermittelt den Dienst. Zwei Mal ersetzte und richtete Tim eine Rückschlagklappe und damit glaubten wir, diese Klippe glücklich umschifft zu haben. Unmittelbar danach aber zeigte auch unsere frisch eingebaute Duschkabine, gerade mit Freude eingeweiht und kaum gebraucht, erste, aber deutliche Verschleisserscheinungen. Ihre Wände lösten sich grossflächig ab, wohl, weil der Klebstoff der Wärme nicht gewachsen war. Nach den Handwerkern mussten wir zum Glück weit suchen. Ohne grosse Begeisterung schickten sie sich an, die eben erst eingeklebten Wände wieder herauszureissen. Dabei bestätigte sich einmal mehr die alte Erfahrung, dass, wenn Geklebtes an einer Stelle partout nicht halten will, es an den anderen umso fester seinen Platz behauptet.

  

Die Arbeit der letzten Woche, heute ein klägliches Häufchen Abfall.

Die neue Beschichtung war mit 6 mm Dicke deutlich stabiler als die alte und hat versprochen, nun eine kleine Ewigkeit zu halten. Zusätzlich wurde dem neuen Kleber ausreichend Zeit gelassen, gründlich abzubinden.

In der Zwischenzeit hatten wir alle Umzugskartons geleert und unsere zahlreichen kleinen Habseligkeiten hatten alle wieder ihr angestammtes Plätzchen gefunden. Allzu viel hatte sich im Inneren des Schiffes ja auch nicht verändert.
In der Sonne, und aus einer gewissen Distanz betrachtet, sah unsere Mizar wieder ganz gefällig aus. Bei genauerer Betrachtung allerdings konnte man sehen, dass auch ihr der Winter etwas zugesetzt hat.
Genügend Arbeit für den Sommer also.

Auch innen war wieder Leben eingekehrt und wir richteten uns nach und nach gemütlich ein.

  

Alle Räume sind viel heller und damit freundlicher geworden, die wirklich wichtigen Fortschritte aber, die verstecken sich unter dem neuen Innenausbau.

  

Zu schön und fast zu einfach, wenn nun alles so weiter gegangen wäre. Nachdem wir voller Elan den Ölstand, die Filter und alle Leitungen am Motor kontrolliert hatten, wollten wir nicht wegfahren, ohne zuvor mit einem gründlichen Probelauf unseren bewährten, alten GARDNER zu prüfen. Doch oha lätz! Statt in den Motor spritzte die Dieselpumpe fast mehr Treibstoff seitwärts heraus. Das war ein schlechtes Omen.

Die Demontage der Pumpe zeigte schnell das Problem auf: die alte Pumpmembran, die während Jahrzehnten ihren Dienst ohne Klage geleistet hatte, war nun offenbar am Ende ihrer Lebensdauer angekommen, spröde und brüchig geworden. Soweit verständlich. Allerdings schlugen die hiesigen Mechaniker die Hände über dem Kopf zusammen und schickten uns mit unserem Problem ins Motoren-Museum in Amsterdam. Darum mussten wir uns selber um die Ersatzteile kümmern. Die richtigen Adressen dazu liegen in England, wo unser Motor herkommt.

  

Einmal mehr hat die vielgerühmte EU ihre Fähigkeit bewiesen, alles kompliziert zu machen. Es brauchte ein paar Mails und zwei Telefonanrufe auf die andere Seite des Ärmelkanals bis die Lieferanten endlich bereit waren, das notwendige Diaphragma einzupacken und per Post nach Holland zu schicken. Schade nur, dass inzwischen das Pfingstwochenende vor der Türe stand und damit die Postlieferung verzögerte. Hatten wir zuvor rechtzeitig und erfolgreich unser Problem mit dem Treibstoff gelöst, durchkreuzten jetzt neue Schwierigkeiten unsere Pläne.

Wir hatten uns auf den Besuch von Dani und Nina für die Pfingstwoche gefreut und geplant, mit ihnen durch Noord-Holland zu fahren. Ihre Reise zu uns musste nun aber verschoben werden. Dass die neuen Unannehmlichkeiten nicht auf irgendeine Nachlässigkeit zurückzuführen waren, sondern einfach eines der zahlreichen Hindernisse darstellten, die aus dem Weg geräumt werden wollen, das tröstete uns zunächst.

So warteten wir geduldig auf die Lieferung der Ersatzteile und hofften, die kryptische Bestellnummer sei die richtige gewesen.

Ausgerechnet am Tag als die Post die Sendung aus England endlich bringen sollte, quittierte die Grauwasserpumpe erneut ihren Dienst. Tim suchte und werkelte wiederum geduldig, musste zum Schluss aber kapitulieren und eine neue Duschbox mit Pumpe bestellen. Nun begann das neue Warten, bis die Firma mit dem führenden Namen in der Branche einen Ersatz liefern konnte.

Eine Woche später ergab eine Nachfrage in England, dass unsere Sendung aus unerfindlichen Gründen liegengeblieben sei (Sorry!), nun aber gewiss als very urgent verschickt würde, was aber gleichwohl etwa sieben Tage beanspruchen könne!

Mit unseren Sorgen waren wir nicht alleine. Alejandro und Coco, zwei mutige Männer aus dem Süden von Patagonien, hatten in Holland ein kleines Segelschiff gekauft und es mit viel Hingabe zurecht gemacht. Nachdem sie lange gegen eine undichte Tankanlage gekämpft hatten, warteten sie jetzt nur noch auf einige Ersatzteile für ihr Radio und auf ein Liferaft (Rettungsinsel), das ganz bestimmt in den nächsten Tagen geliefert werden würde.
(Auch sie hatten jetzt seit mindestens drei Wochen ihr Auslaufen verschoben!)

Gemeinsame Probleme fördern das Verständnis über Sprachgrenzen hinweg und so tranken wir etwa mal gemeinsam ein Glas Wein auf der Mizar, während sie uns auf ihrem Schiff mit dem sinnigen Namen VERTIGO, in das richtige Mate-Trinken einweihten. Ohne diesen Brauch kann sich offenbar ein richtiger Argentinier zwischen Aufstehen und Zubettgehen nicht auf den Beinen halten. In dem kleinen Schiff, wo, wenn zwei Leute sitzen, die anderen stehen müssen (sofern sie das aufrecht können!), werden sie sich auf ihre grosse Fahrt machen. Zunächst auf die Kapverdischen Inseln und dann nach Brasilien, von wo dann die Reise weiter nach Ushuaia führt, der südlichsten Stadt in Patagonien. Wir fühlten die Enge im Schiff, wunderten uns über die Grosszügigkeit der beiden Männer und bewunderten ihren Mut, ihre unbändige Fröhlichkeit und ihr Gottvertrauen.
Man kann übrigens bei Alejandro auch sehr komfortabel Ferien machen: 
www.cabanasdelbeagle.com

  

So ging,
Stück für Stück,
der Wonnemonat Mai,
fast unbemerkt,
vorbei.

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