Februar 2014

Für den neuen Monat waren wir weitergereist nach Sorong, in West-Papua, ganz im Osten von Indonesien. Die Inselgruppe nennt sich Raja Ampat. In Sorong wurde unser Gepäck auf ein kleines, aber gut motorisiertes Schiff verladen, das uns, zusammen mit den anderen Neuankömmlingen, in anderthalb Stunden recht holperiger Fahrt zur Insel Kri brachte.

  

Schon von weitem sahen wir das kleine Resort, das für die nächsten zwei Wochen unser Heim sein würde. Es fügte sich unauffällig in die Umgebung. Offensichtlich seit seiner Entstehung vor 20 Jahren verfolgten seine Begründer die Idee, mit massvollem und von der lokalen Bevölkerung mitgetragenem Tourismus zum Erhalt der einzigartigen Umwelt beizutragen. Ausreichend ökonomisches Geschick sorgte dafür, dass auch die Besitzer nicht zu Schaden kamen.

     

Wir wohnten in einem Haus, das den Hütten der Einheimischen nicht unähnlich ist und von der lokalen Bevölkerung mit ausschliesslich in der Gegend vorhandenen pflanzlichen Materialien erbaut worden war. Dass wir während unseres Aufenthaltes auf warmes Wasser verzichten mussten, war daher verständlich und in Anbetracht des tropischen Wetters auch ohne weiteres erträglich. Mit einer grossen Kelle schöpften wir das erfrischende Nass aus einem gemauerten Behältnis über unsere Köpfe.

  

Während hier höchstens 20 Gäste die Ferien verbringen können, bietet das Resort über hundert Einheimischen ein verlässliches Einkommen. Diese verstehen somit besser, dass fischen mit Dynamit und Cyanid tabu ist und der damit erzielte Gewinn bloss kurzfristig. Sie zeigen bereits Fortschritte in der Wahrnehmung und im Erhalt der Umwelt, die zu besuchen, die Touristen offensichtlich lange Reisen auf sich nehmen. Ein Umstand, der in diesem Teil der Welt sonst eher im Argen liegt.

Schon von der Terrasse unseres Hauses aus erhielten wir einen Vorgeschmack auf das, was uns während unseren Tauchgängen erwarten würde. Wem schwimmt schon ein kleiner Hai direkt unter dem Fenster vorbei, während sich daneben ein Stachelrochen in den Sand einbuddelt?

  

     

Natürlich liessen wir auch ausgiebig die Seele baumeln und genossen fast allabendlich den prächtigen Sonnenuntergang, bevor wir uns zu einem schmackhaften und äusserst abwechslungsreichen Nachtessen versammelten. Die Gespräche über Gott und die Welt, mit Leuten aus allen Ländern, waren so engagiert wie aufschlussreich.

  

Was bei der Zubereitung des Essens weggeschnitten worden war, das wurde von den prächtigen Echsen dankbar aufgenommen.

  

Touristen und Einheimische pflegten einen freundlichen und offenen Umgang, der von Vertrauen geprägt, immer wieder versuchte, zumindest die sprachlichen Barrieren zu überwinden.

Raja Ampat hatten wir uns als Höhepunkt unserer Reise zu den Tauchgründen in Südostasien aufgespart. Alle einschlägigen Zeitschriften und Foren rechnen dieses Tauchgebiet zu den besten der ganzen Welt.
Die ersten Tauchgänge waren dann auch schlicht überwältigend. Wir begegneten etwa allem, was die Unterwasserwelt zu bieten hat: bunte Korallen und Schwämme in allen denkbaren Formen und Farben, oft umschwärmt von unzähligen kleinen Fischen und Heimat für winzige Seepferdchen, bunte Nacktkiemenschnecken und Putzergarnelen. Wir begegneten Riffhaien, Stachelrochen und Riesenmantas, Barrakudas, Skorpion- und Krokodilfischen. Daneben auch alle jenen zahllosen Fischen, deren Namen lediglich eine knappe Beschreibung ihrer bunten Farben und auffälligsten Formen darstellen, damit die Taucher später austauschen können, was sie unter Wasser alles gesehen hatten.
Wir trafen eigenartige Wobbegong Haie, die aussahen wie ein achtlos weggeworfener Teppich und mit dem eingerollten Schwanz diskret ihre beeindruckende Länge von über zwei Metern kleinredeten, während die fransenartigen Fortsätze um das gewaltige Maul dieses zu verstecken versuchten, damit ahnungslose Fische, die ihm zu nahe kamen, leichte Beute wurden.

Es gab so viel zu sehen, dass wir einmal mehr unseren Entschluss bekräftigten, unter Wasser keine Bilder machen zu wollen und dies Leuten zu überlassen, die gewillt sind, viel mehr Zeit dafür zu investieren. Damit bleibt uns die Freiheit, dieses unglaubliche Leben in dieser fremdartigen Welt einfach zu bestaunen.
So gingen die Tage schnell vorbei und wir versuchten jeweils am Nachmittag in all den Büchern mit den vielen bunten Bildern jenes zu finden, das am ehesten dem entsprach, was uns beim letzten Tauchgang am meisten aufgefallen war.
Ganz erfüllt vom bisher Erlebten machten wir uns am Ende unseres Aufenthalts auf zu unserem
letzten Tauchausflug vor der Insel Kri
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Der fing auch an im gewohnten Rahmen für uns nunmehr etwas verwöhnte Taucher. Nachdem wir von ein paar Riffhaien begrüsst worden waren, begegneten wir einer Schildkröte und dann einem riesigen Stachelrochen, der es sich auf dem sandigen Boden gemütlich gemacht hatte und mit seinem Durchmesser von knapp zwei Metern sehr beeindruckend aussah, besonders, weil er auch etwas nervös mit seinem Stachel-Schwanz 'wedelte', um ein paar neugierige Fische zu verscheuchen, die ihm immer wieder zu nahe kamen.

Als wir dann langsam gegen den Riffrand wieder aufstiegen, gerieten wir in ein Szenario, das uns beinahe den Atem verschlagen hätte:
Zwischen ein paar mächtigen, wie Felsen aufragenden Korallenstöcken tummelte sich eine unüberschaubare Menge verschiedenster Fische aller denkbaren Grössen, Formen und Farben. Über uns, unter uns und um uns herum zogen hunderte, ja tausende von Tieren, teils in Schwärmen wohlgeordnet und perfekt uniformiert, teils schwirrten sie im Alleingang quer durch die Szene, ihre riesigen Mäuler mit den scharfen Zähnen diesmal freundlicherweise geschlossen haltend. Wieder andere verweilten gelassen in der Mitte, als wären sie sich ihrer Bedeutung bewusst, selber das ausserordentliche Spektakel betrachtend.
Es schien, als wären die Bewohner des ganzen Pazifiks gekommen, sich von uns zu verabschieden!
Die Lichtstrahlen der Sonne verwandelten das Ganze in ein überwältigendes und unwirkliches 'Fisch et Lumière', welches selbst das grösste IMAX-Theater hoffnungslos überfordert hätte. Ganz ergriffen suchten wir die Nähe unseres Buddies, blickten nach unten und oben, schauten den Schwärmen nach, die vorbeizogen, wurden selber immer wieder durch riesige, glotzende Fischaugen aus nächster Nähe betrachtet. Wir durchlebten so eine wahrlich psychedelische Zeit, die unsere Sinne in jeder Beziehung überforderte. Wir gaben uns die Hand, um ganz sicher zu gehen, dass dies alles kein Traum war!
Nach dem Auftauchen mussten unsere Augen am weiten Horizont erst einmal wieder festen Halt finden und unser Puls beruhigte sich nur allmählich. Genau wie wir, brauchten auch unsere drei weiteren Tauchkameraden einige Zeit, bevor wir einen ersten Kommentar hervorbrachten: WOW !!!
Unser letzter Tauchgang vor der Insel Kri in Raja Ampat und der Geburtstag von Matz!


Nach diesem Erlebnis würde es wohl jedes weitere Tauchgebiet schwer gehabt haben und wir beschlossen daher, erst einmal zu verschnaufen und eine kurze Pause einzulegen. Wir reisten weiter nach Bali und dort mit dem Auto an die Ostküste nach Amed. Dort fanden wir an der Strasse Richtung Amlapura, ausserhalb der letzten Häuser des Dorfes, eine Unterkunft, die sich vom Gewohnten etwas unterschied. Sieben Bungalows und ein Restaurant, die sicher einmal gehobeneren Ansprüchen entsprochen hatten und ein Besitzer, der wohl das Ende der einst weit verbreiteten Hippie-Kultur ahnungslos verhascht hatte, boten uns Bleibe für die zweite Hälfte des Monats. Alles andere war weit weg. Aber mehr brauchten wir eigentlich gar nicht, denn verschiedene Götter wachten über uns.
Die Umgebung war freundlich, der Empfang herzlich und das Essen einfach und gut.

     

Während der ganzen zweiten Nacht ertönte ununterbrochen Gamelanmusik bis in den frühen Morgen. Das veranlasste den äusserst freundlichen Kellner zur Erklärung, jemand im Haus nebenan sei gestorben und damit stünde uns eine weitere Nacht mit pausenlosem Singsang bevor und erst danach könne der Verstorbene dem Feuer übergeben werden. Offensichtlich nahm die ganze Bevölkerung mit lautem Wehklagen dann eine ganze Nacht lang Abschied, während der Priester den nächsten Tag für die Kremation als günstig befand.
Daraufhin wurden wir 'passend' eingekleidet, damit wir an der Verbrennungzeremonie teilnehmen könnten.

In einem Transportschrein wurde der Leichnam aus dem Haus zum Verbrennungsplatz getragen, in einer Prozession, die mit Gamelanmusik und den tanzenden Leuten so gar nicht traurig aussehen wollte.

  

Die Kremation fand am Strand statt, wo der Tote auf den Verbrennungsschrein umgebettet wurde. Nach kurzen Gebeten und monotonen Gesängen des Priesters sorgten zwei kräftige Gasbrenner dafür, dass eine gute Stunde später nur noch etwas Asche übrigblieb. Da nun Erde, Wasser, Feuer und Luft getrennt waren, war damit die Seele frei für den ihr bestimmten Weg.

  

Eine goldene Stele, deren Ausstattung genau dem Stand des Verstorbenen entsprechen muss, wurde mit etwas Asche versehen und im Meer ausgesetzt, wo sie mit der Strömung auf die Reise ging. Nachdem die Seele nun offensichtlich frei war, löste sich die Versammlung rasch auf und alle Leute gingen unbeschwert nach Hause.

  

Etwa drei Stunden später sichteten wir das Symbol für den Abschied direkt vor unserer Unterkunft (auf dem Foto rechts vom Baum, draussen im Meer). Hatte der Verstorbene seine Wohngegend zum letzten Mal besucht?

Das Dorf, langgezogen der Küste entlang, beherbergt fast ausschliesslich Fischer. Entsprechend lagern unzählige kleine Boote am Strand. Zwei mal am Tag fahren sie mit ihren bunten Segeln hinaus aufs Meer. Am frühen Morgen fangen die Fischer mit einem Netz und viel Glück etliche Makrelen. Am Nachmittag wird mit einer Schleppleine mit Angeln Jagd auf etwas grössere Thunfische gemacht.

   

Der Ertrag ist zumeist mager und reicht oft kaum für die Ausgaben für den Treibstoff. Wenn immer es die Bedingungen erlauben, fahren darum die Fischer unter Segel hinaus oder zurück. Sind die Netze bei der Rückfahrt schön eingerollt auf dem Schiff versorgt, gibt es offensichtlich nichts, was man daraus befreien müsste und die Mühe war wieder einmal vergeblich.
Eine rasche Rückfahrt mit lautem Motorengeheul deutet auf einen reichen Fang und die Frauen tragen die Plastikkübel nicht vergeblich zum Strand.

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