Juli 2013

Diesen Monat stand das Ziel unserer Reise von Anfang an fest: wir wollten ja mit unserer Mizar am Ende des Monats in Zelzate aufs Trockendock. Darum hatten wir recht viel Zeit zur Verfügung. Um etwas von den grossen Wasserstrassen weg zu kommen, haben wir kurzfristig beschlossen, über den 'kleinen' Kortrijk-Bossuit-Kanaal zu fahren. Für die ersten vier Schleusen muss ein Schleusenwärter bestellt werden, der das Schiff auf dieser Wegstrecke begleitet. In echt französischer Manier hatten wir es recht locker angegangen und fuhren mal zur ersten Schleuse. Es würde schon irgendwie klappen. Zu unserem Glück hatte sich eine kleine Segeltjalk rechtzeitig vorangemeldet. Sie war klein genug, dass wir miteinander in die klassische 40x5m Schleuse passten.
 Mit der 'Tchiki-Boum' wäre das bestimmt nicht aufgegangen, gefallen hat uns dieser Name trotzdem sehr.
Die Schleusen auf der Bossuit-Seite hatten dann schon wieder ganz andere Abmessungen.

     

In Oudenaarde hatten wir erst mal einige Mühe, uns so am Quai festzumachen, dass wir von den zügig fahrenden grossen Schiffen nicht zu sehr durchgeschaukelt wurden. Unsere Taue hätten dadurch auf die Dauer zu stark gelitten. Beeindruckend war unser Anlegeplatz trotzdem.
Beim Spaziergang durch die Stadtmitte fiel uns auf, dass Fabian Cancellara allgegenwärtig war: Poster, Kühlschrankmagnete und Fanclubfahnen in fast jedem Schaufenster und natürlich besonders im grossen 'Tour de Flandre'-Museum. Erst dort realisierten wir, dass auf dem Platz davor jeweils die spektakuläre Zieleinfahrt dieser berühmten historischen Velorundfahrt ist. Dabei ist offensichtlich Fabian Cancellara einer der ganz grossen Helden und respektierter Liebling der Nation.
(Dass wir dann auch einen der berüchtigten Pflastersteine entführt haben, der bei der Renovation des Quais vor der Kirche 'frei' geworden ist, bleibt unser Geheimnis. Cancellara hatte für den seinen sicher mehr geleistet)

  

Damit uns beim dichten Schiffsverkehr rund um die Uhr kein Frachter in die Seite fuhr, mussten wir unser Schiff nachts vorschriftsmässig beleuchten. Auch das war eine Première.
Dass wir dabei keinen Nachtlärm machten, das gehört zum guten Ton.

  

Am nächsten Tag sahen wir unzählige grössere Velogruppen der Bovenschelde entlang flitzen. 'Gümmele' scheint hier wirklich ein Nationalsport zu sein. Welchen besonderen Reiz allerdings dabei die grossen Pflastersteine haben, das bleibt wohl auf ewig das Geheimnis der Gümmeler.

Gent ist eine Grossstadt. Hätten wir das nicht schon gewusst, die enorme Bautätigkeit bei der Einfahrt in die 'Ringvaart' (Wasserstrassenumfahrung von Gent) hätte das endgültig klar gemacht.

Um der rastlosen Geschäftigkeit zu entfliehen, drehten wir dann -  von Gent weg - auf die Leie ein. Diese Strecke war uns als sehr schön empfohlen worden, allerdings sie sei eng und kurvenreich. Beide Aussagen stimmen!
Zeitweise stiegen leichte Zweifel auf, ob wir uns mit unserer Schiffslänge dabei nicht etwas übernommen hatten.
Aber es klappte!

  

 

Entlang der Leie hat sich offensichtlich 'das Geld' von Gent und der ganzen Region angesiedelt: Flandrische Goldküste! Grosse Villen mit noch grösseren Golfrasenflächen davor reihten sich aneinander. Gelegentlich fast ein bisschen viel des Zurschaustellens.

  

Zwischendurch gab es aber auch wieder viel Landschaft und zum Abschluss eine kleine Hebebrücke. Ein Hupsignal, gemäss der Hinweistafel, zauberte den Brückenwärter herbei.

  

Am anderen Ende der kleinen Flussreise konnten wir in Deinze an einem schönen neuen Quai mitten in der Stadt anlegen. Es gefiel uns hier so, dass wir gleich eine Woche blieben und den Sommer genossen, der jetzt endlich angebrochen war.
(Also eigentlich erledigten wir dabei unser Pensum an jährlicher Malarbeit an der Mizar, was uns allerdings bei so idealen Bedingungen leicht fiel.)

Mittwochs war Markttag und der hiesige Güggelibrater fuhr mit einem Wagen auf, da würde jeder Schweizer Konkurrent vor Neid erblassen.
Das Geschäft brummt ... und das Güggeli schmeckte ausgezeichnet!

Als wir unseren Liegeplatz an der Lindelei im Zentrum von Gent reserviert hatten, hatten wir nicht geahnt, dass genau in diesen Tagen das berühmte riesige Genter Fest stattfinden würde. Zehn Tage Ramba-Zamba, unzählige Musiktribünen, tausende durstige Besucher und eine Parade der belgischen Bierbrauer.
Dabei verschwanden die schönen Hausfassaden fast hinter den Aufbauten der Veranstalter.

Die berühmte Hauszeile am Graslei,

die Leie im Quartier Patershol, der Glockenturm mit Drachen, Burg Gravensteen,

     

Restaurant im Patershol, Haus der Steinmetzgilde (mit drehenden Moriskentänzern) gegenüber der St.Niklaaskirche,

  

Jan Breidelstraat und Blick über die Sint-Michielsbrug in Richtung St.Niklaaskirche.

  

Die Vorbereitungen für das Fest laufen auf Hochtouren (!)

  

Aber auch nachts ist Gent eine echte Augenweide. Bis um Mitternacht werden die Hauszeilen gekonnt beleuchtet.

  

Einige sms und mails waren schon nötig, aber dann war es soweit! Die Dagens 2 von Bernadette und Heinz kam unter der Verlorenkost-Brücke durchgefahren. Wir hatten sie schon mehrfach während der letzten Jahren besucht, uns aber noch nie per Schiff-Schiff getroffen. Da sie auch gerade in der Gegend waren, liess es sich richten, dass sie für eine Nacht neben uns zu liegen kamen.

Es wurde ein schöner Abend mit gutem Essen und langen Gesprächen...

Am nächsten Mittag ging's für sie schon wieder weiter. Schade, habt Ihr nicht länger bleiben können!

Zwei Tage später mussten dann auch wir aufbrechen, in Richtung Zelzate, an der belgisch-holländischen Grenze, wo das Trockendock für die Mizar reserviert war. Etwas Pflege braucht jeder, von Zeit zu Zeit.

Monat Juli '13:
- 27 h 50'
- 9 Schleusen
- 4 Hebe-/Dreh-Brücken
- 152 km

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