Juli 2012

Am Ende des Canal du Loing legten wir am Ponton in Moret-sur-le-Loing an, am selben Ort, wie bereits im Juli 2010.
Das hübsche Städtchen hatte uns schon damals gefallen. Ganz besonders aber der 'Artisan Glacier', dessen Werke unvergesslichen Eindruck hinterlassen hatten. Zufälligerweise stand die Ladentüre erneut offen. Wir konnten natürlich wieder nicht widerstehen!

Während unserer Fahrt die Seine hinunter Richtung Paris regnete es fast pausenlos. Das Licht fand so immer neue Möglichkeiten, mit Regentropfen und Pfützen zu spielen. Auch das hat seinen Reiz. Die sonnigen Stunden nutzten wir dafür umso intensiver.

  

In Melun legten wir die Mizar an den langen Quai neben der Mediathek 'Astrolabe'. Die meisten kleineren Schiffe meiden diese Anlegestelle, die für uns recht attraktiv ist. Weil sie in einer Flussbiegung liegt, schaukelt der Wellenschlag der grossen Frachter kleinere Boote gar heftig durch. Und der Frachtverkehr ist dicht, Tag und Nacht!

Der Name Astrolabe erinnert übrigens an die Geschichte von Heloïse und Abélard, deren Statuen gleich hinter dem Gebäude stehen. Abélard war im Mittelalter einer der berühmtesten Denker und Lehrer seiner Zeit. Ein Pariser Kanoniker bat ihn, seine Nichte Heloïse zu unterrichten. Bald schon waren die beiden, trotz ihres Altersunterschieds (er war ja schon 37, sie erst 15), unzertrennlich. Als dann Heloïse schwanger wurde, war der Skandal perfekt. Sie flohen in die Bretagne, wo ihr Sohn Astrolabius geboren wurde. Als aber die Häscher des Pariser Onkels die beiden in ihrem Versteck aufspürten, entmannten sie Abélard umgehend und sperrten beide in zwei möglichst weit auseinanderliegende Klöster ein. Bis zu ihrem Tod blieben sie allerdings in einer intellektuellen und spirituellen Briefbeziehung ihrer Liebe treu und wurden gerade dadurch berühmt.

  

Wir erachteten es als vorteilhaft, im Laufe des Vormittags in Paris anzukommen und übernachteten darum nochmals beim Pont du Port à l'Anglais. Wegen der unmittelbar daneben gelegenen Schleuse fahren die Frachter sehr nahe vorbei und das machte den Aufenthalt auch für uns recht schauklig.
Die goldene Abendstimmung aber liess uns all dies vergessen!

Und dann wurde unsere Einfahrt in Paris Wirklichkeit!
Durch Industriegelände und unter verschiedensten Brücken hindurch näherten wir uns flussabwärts der Zufahrtsschleuse in den Port de l'Arsenal. Der auf der Karte eingezeichnete Warteponton auf der Seine ist aber offensichtlich entfernt worden.  Wir waren darum froh,  dass unsere Anfrage über Funk bestätigte, dass die Schleuse schon für uns bereit sei. Glück gehabt, denn das Warten mit der Strömung, neben der Berufsschifffahrt und den rabiaten Bateaux-Mouches, könnte doch etwas mühsam werden.

  

Im Port de l'Arsenal wurde uns ein Platz 'ganz hinten' neben einem ständig dort liegenden Luxmotor zugewiesen.

  

Nicht gerade Millimeterarbeit, aber sehr viel Raum blieb zwischen Pavillionmauer und nobler Holzjacht nicht übrig.
Trotzdem: ein gutes Plätzchen und fast im Zentrum von Paris!

  

Auf ging's, Paris zu erkunden!
Hôtel de Ville und Glacéstand, wichtige Dinge im Leben (nicht nur für Kinder!).

Am Quatorze Juillet, dem Nationalfeiertag der Franzosen, umgingen wir das Gedränge auf den Champs-Elysées und postierten uns auf dem Pont Marie, der sich als idealer Platz erwies, das Defilée der Luftwaffe zu sehen. Eindrücklich war es schon: erst die Patrouille de France mit den Landesfarben, dann zahlreiche Formationen von Flugzeugen, die in der Armée de l'Air und den anderen Truppengattungen ihren Dienst tun. Bis die Helikopter eintrafen, welche das Ende der Parade einläuteten (oder besser 'einbrummten'), schauten wir bei Kaffee und Kuchen in einem nahen Café ganz gemütlich Parade und Prominenz am Fernsehen an. Rechtzeitig kehrten wir wieder an unseren Platz auf der Brücke zurück, wo pünktlich der Schwarm der Hubschrauber über unsere Köpfe flog.

  

Gleich darauf ritt die Garde Nationale an unserem Standplatz vorbei. Nach der grossen Parade kehrte sie in ihre Stallungen am Quai Henri IV zurück. So sahen wir doch noch - ganz zufällig - glänzende Uniformen und stramme Männer und Frauen in Formation, ganz nah!

Am nächsten Tag kam Marlene, die Schwester von Hansruedi, für ein paar Tage zu Besuch.
Da sie noch nie in Paris gewesen war, zeigten wir ihr erst mal einige der grossen Sehenswürdigkeiten: Marais, Notre Dame, Quartier Latin, Saint Germain, Arc de Triomphe, Eiffelturm und Sacré Coeur.

  

     

Aber sie wollte auch Schifffahren erleben. Daher planten wir eine 'Rundfahrt' durch Paris in drei Tagen. Erst durch den Canal Saint Martin mit seinem fast 1km langen Tunnel und den 4 Doppelschleusen,...

  

...dann die Einfahrt in den Canal Saint Denis mit der eindrücklichen ersten Schleuse 'Pont de Flandre', die fast 10m Höhe überwindet. Der Rest dieses Kanals war dann allerdings nicht sehr attraktiv: Industriegebiet mit viel Berufsschifffahrt, eher öden Vororten und bedrückenden Slumsiedlungen, Unmengen von schwimmendem Abfall und Plastik im Wasser.

Nach 6 Stunden erreichten wir wieder die Seine, drehten flussaufwärts und suchten uns einen geeigneten Platz zum Übernachten. In Clichy richteten wir uns dann ein zweites Mal für eine Nacht ein und freuten uns auf den dritten Tag, der die Mizar mitten durch Paris führen würde.

Hier hat wohl einer den Ausdruck 'Wohnschiff' etwas anders ausgelegt. Auch eine Variante!

Am nächsten Morgen ging es los: la Défense (leider sieht man La Grande Arche vor lauter Neubauten schon nicht mehr)...

... der Eiffelturm ...

... die Freiheitsstatue (also die kleine Kopie der New Yorker Ausgabe)...

... scharf beobachtet, und knapp vorbei ...

  

... der Pont Alexandre III ...

... das Brückengewirr um die île de la Cité ...

  

... und als würdiger Abschluss noch die Notre Dame!
Kurz danach bogen wir wieder, diesmal von der anderen Seite, in die Schleuse zum Port de l'Arsenal ein und richteten uns am selben Platz, den wir vor drei Tagen verlassen hatten, für einen weiteren Aufenthalt ein.

Die gemeinsamen Tage mit Marlene waren damit schon vorbei. Der Gare de Lyon liegt aber ganz in der Nähe und so waren es nur ein paar Schritte bis zum TGV, der sie wieder in die Schweiz zurück brachte.
Wir aber genossen während der nächsten Tage den schlussendlich doch noch angekommenen Sommer an der 'Plage de Paris', stiegen auf den Triumphbogen und besuchten die 'Egouts de Paris', die Abwasserkanäle der Stadt. Diese folgen exakt allen Strassen an der Oberfläche und bilden so eine zweite Stadt unter der Stadt. Auch sehenswert, wenn auch, was es dort zu sehen und zu hören gibt, einen auf tiefsinnige Gedanken bringen kann.

  

Unsere Weiterreise führte uns dann erneut durch den Canal Saint Martin und den Canal Saint Denis. Diesmal ging dann allerdings alles etwas mühsamer. Geschlagene 8 Stunden waren wir unterwegs, bis wir nach der letzten Schleuse wieder in die Seine einfahren konnten. Irgendwie hatten wir an diesem Tag wohl den Lehrling der Verkehrssteuerung erwischt: keine Schleuse, bei der wir nicht mindestens 30 Minuten warten mussten. Während des 1Std15min Rekords für das Passieren einer Schleuse platzte Matz der Kragen. Sie tat ihren Unmut relativ klar am Funk kund. Aber wir sind ja in Frankreich. Der Lehrling hatte rasch gelernt, seine stoische Antwort war: das liesse sich nicht ändern, es sei der Computer, der alles steuere ...

Da wir ja auf dem Weg nach Belgien waren, drehten wir in Conflans-Ste-Honorine auf die Oise ein. Alles war wieder grüne Landschaft, ohne Industrie oder Grossüberbauungen.

Und plötzlich unterquerten wir eine knallrote Passerelle, die sich in einer schneeweissen 'Allee' den Berg hoch zu mehreren Säulen fortsetzte. Spätere Nachforschungen ergaben, dass es sich um die 'Axe Majeur de Cergy-Pontoise' handelt. Die Säulen führen ihrerseits wiederum zu einem 36 Meter hohen Turm, von dem aus ein Laserstrahl zum anderen Ende der Achse weist. Ein typisch französisches Mega-Kunstwerk, drei Kilometer lang und seit 1988 im Aufbau und noch lange nicht fertig. Den Künstler aus Tel Aviv freut's bestimmt.

Erst bei der Anfahrt nach Auvers-sur-Oise realisierten wir, dass Vincent Van Gogh die letzten 70 Tage seines Lebens in dieser kleinen Ortschaft gewohnt hatte. Während dieser Zeit schuf er unglaubliche 78 Kunstwerke. Vergeblich versuchte aber sein Bruder Theo, der in Paris als Kunsthändler wirkte, diese Bilder zu verkaufen. Erneut fiel Vincent in eine tiefe Depression, schoss sich mit einer Pistole in die Brust und starb ein paar Tage später im Beisein seines Bruders Theo.
In der Auberge Ravoux hatte Vincent ein Zimmer gemietet, in dem er auch seine letzten Stunden verbrachte.
Theo, der nur wenige Monate später in Holland starb, wurde nach Frankreich überführt, wo er auf dem Friedhof von Auvers neben seinem Bruder zur letzten Ruhe gebettet wurde.

  

Monat Juli:
- 52 h 35
- 49 Schleusen
- 266 km

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