Juni 2012

Die Fahrt auf dem Canal latéral à la Loire verlief unspektakulär. Anfangs hatte es immer noch fast keine anderen grossen Schiffe, nur kleine Mietboote. Wegen der angekündeten Schliessung des Canal du Centre hatten wohl viele ihre Reisepläne geändert und waren auf andere Routen ausgewichen. Wir genossen also die weite, abwechslungsreiche Landschaft, die uns, obschon auch landwirtschaftlich genutzt, immer wie Natur pur erschien: grosse, alte Bäume, vielfältige Hecken, Tümpel und Seen, unverbaute Bäche und blühende Wiesen.

  

Bei der Planung unserer Reise nach Paris hatten wir auch etwas Zeitreserve eingerechnet. Zum Glück, denn in Vanneaux fiel eine Pumpe des Heizkreislaufs für unser Warmwasser aus. Bestellung, Lieferung und Einbau benötigten eine ganze Woche.
Hier erlebten wie auch einen richtigen Sturm! Heftige Wind-Böen fegten den Regen horizontal über das Land und die Mizar war danach von Laub und von abgebrochenen Ästen der umstehenden Bäume übersät.

Vor le Guétin überquert der Kanal auf einem Pont Canal den Allier, einen Zufluss der Loire. Wieder so eine kleine Kanalbrücke hatten wir zunächst gemeint, bis uns bei der Einfahrt eindrücklich klar wurde, wie hoch und wie mächtig dieses Bauwerk ist. Die Doppelschleuse am Ende der Brücke hat zweimal einen Hub von etwa 5 m.

  

Gleich nach der Doppelschleuse liegt ein grosses Bassin, in dem man bequem anlegen kann. Von hier aus unternahmen wir eine kleine Velofahrt zur Rundschleuse von Lorrains und dann weiter zum Städtchen Apremont-sur-Allier.

Rundschleusen gibt es nicht viele. Diese hier diente zwei verschiedenen Zwecken. Erst mal als 'normale' Schleuse für die Lastkähne, die Sand vom 2km entfernten Zusammenfluss der Allier und der Loire zum grossen Umschlaghafen in le Guétin transportierten. Dabei mussten die beladenen Schiffe erst diesen Weg mühsam gegen die Strömung der Allier gezogen werden, dann in der Schleuse um fast 180 Grad gedreht (Einfahrt vom Fluss vom rechten Tor - Ausfahrt in den Kanal linkes Tor) und dann dieselbe Distanz fast parallel zum Fluss auf dem Kanal wieder retour getreidelt werden. So wurde die Höhendifferenz vom Fluss zum wichtigen Canal latéral à la Loire überwunden. Ein beachtlicher Aufwand, damit die offensichtlich wertvolle Fracht später in alle Richtungen weiter verschifft werden konnte.
Die zweite Aufgabe dieser Rundschleuse war die Zuleitung von Wasser zum Canal latéral à la Loire. Dazu dient sie auch heute noch.

Apremont-sur-Allier ist ein äusserst schmuckes Städtchen. Kein Wunder, dass es auch im Register der schönsten Orte Frankreich's aufgelistet ist. Die Einwohner sind sehr bemüht, dieses 'Rating' aufrechtzuhalten. Sehr gut renovierte Häuser, prächtig bepflanzte Gärten und viele kleine gepflegte Details zeugen davon.

     

     

Bei der Einfahrt von Ménétréol sieht man hoch oben auf dem Hügel das Weinbaustädtchen Sancerre.

Der 'Warrior', einem äusserst schönen englischen Schiff, begegneten wir am nächsten Tag an einer Schleuse. Früher wahrscheinlich mal Fahrgastschiff, ist sie heute ein elegantes Wohnboot geworden.

In Belleville steht nahe am Kanal eines der vier grössten Atomkraftwerke Frankreichs. Auch das gehört zum Leben, nicht nur Idylle und weite Landschaften.

Das einzige professionelle Frachtschiff auf dieser Route kreuzte uns gegen Abend in Beaulieu.
Für die professionelle Schifffahrt sind Aufträge äusserst rar geworden. 40 -Tönner LKW's transportieren heute die Fracht schneller und gezielter, auch wenn es für den Transport einer Schiffsladung rund 10 Lastwagen braucht.

Nun folgen Fotos, die wohl auf keiner Website von Kanalfahrern fehlen dürfen: die Überquerung der Loire auf dem Pont Canal de Briare.
1838 konnte das 600m lange Kunstwerk nach nur zwei Jahren Bauzeit eingeweiht und dadurch die zuvor notwendige und schwierige Traverse der Loire mit den beladenen Frachtschiffen umgangen werden. Man bedenke, dass diese Schiffe zu jener Zeit noch keinen Motor hatten und durch Menschen (meist die ganz Schifferfamilie), Tiere (Esel und Pferde) oder (ganz modern) Zugfahrzeuge vom Ufer aus getreidelt wurden. Daher brachte diese Kanalbrücke eine riesige Erleichterung für das Transportwesen und damit bedeutenden Fortschritt für die Wirtschaft.

  

Viele schöne Einzelheiten zeugen von der Bedeutung dieses Bauwerks. Offensichtlich stand nicht alleine die Funktionalität im Vordergrund, man hatte noch Zeit und Geld für die Detailpflege!

  

In Briare kamen Nina und Dani, die wieder mal ein paar Tage Kanalluft schnuppern wollten. Und Frankreich schenkte uns am folgenden Tag eine besonders schöne Gelegenheit, unser Kayak, das wir schon im letzten Jahr gekauft hatten, ein erstes Mal auszuprobieren. Gemeinsames Studieren der Anleitung, ein paar kräftige Luftpumpenstösse und schon ging es los für die Jungmannschaft. Als es am Abend etwas kühler geworden war, leisteten wir uns natürlich selber auch eine gemütliche Ausfahrt.

  

In Rogny-les-Sept-Ecluses entdeckten wir beim Ausfahren aus der Schleuse dieses Häufchen gelber Breitmäuler am Schleusentor! Eine ganz mutige Schwalbe zog hier ihre Jungen auf, beim Bau des Nestes wohl noch nicht wissend, wie stark der Verkehr (und damit das Auf und Zu des Tores) noch werden würde! Wir entschuldigen uns für das unscharfe Foto, aber es musste beim Vorbeifahren schnell gehen... dennoch ein sehenswerter Anblick auf Augenhöhe!

Jetzt aber die wirkliche Attraktion von Rogny: die siebenstufige Schleusentreppe. Nachdem mehrere Vergrösserungen der einzelnen Becken die geforderte Leistungssteigerung nicht wirklich gebracht hatten, wurde ein neuer Kanalabschnitt im Freycinet-Mass (39x5m) gegraben. Dabei wurden die Schleusen separiert und ihre Anzahl auf vier verringert. So konnten künftig die viel grösseren Schiffe gleichzeitig berg- und talwärts geschleust werden und nicht nur in einer Richtung wie im alten System.

Auf diesem Teil des Canal de Briare (auf dem wir uns seit Briare befanden) sind am Ende oder Anfang mancher Schleusen Zugbrücken, die angehoben werden müssen, wenn ein Schiff nicht unten durch passt. Offensichtlich hatte es bei dieser hier schon ein paar Fehleinschätzungen gegeben. Darum wohl ist gut sichtbar ein Schild angebracht worden, mit der Aufforderung auszukuppeln. So gleitet das Schiff sicher langsam zur Brücke und es bleibt genügend Zeit, sich die Situation nochmals anzuschauen ...

Montargis wird auch das Venedig von Frankreich genannt. Mehrere kleine Flüsschen und Wassergräben durchziehen die Altstadt und es besteht ein Rundgang, der über die verschiedenen Brücken führt. Die wohl eindrücklichste davon ist die Passerelle Victor Hugo, die 1891 vom Ingenieurbüro Eiffel von Paris entworfen wurde. Elegant schwingt sie sich in hohem Bogen über den Kanal.
Leider mussten hier Nina und Dani Abschied nehmen und in die Schweiz zurückfahren. Es waren wieder lässige Tage gewesen!

Der Canal de Briare ist auf weiten Teilen ein echtes Erlebnis. Man wähnt sich dann in einer immensen Parklandschaft, durch die man langsam und fast lautlos gleitet. Der Zeit etwas entrückt ...

  

Monat Juni:
- 64 h 20'
- 79 Schleusen
- 272 km

  zurück zur Reisetagebuchseite