September '09  




Unsere Mizar ist ein fast 100-jähriges Schiff. Das merkt man auch beim Fahren. Wir haben einen schönen runden Geschwindigkeitshebel à la Titanic und eine Getriebestange, die manchmal mit viel Körpereinsatz eingekuppelt werden muss...

 

Ganz schnell trifft ganz langsam...

Schon bei der Hinfahrt nach Verdun ist uns die neue TGV Strecke aufgefallen. Sie ist schnurgerade gebaut und wie ein Hochsicherheitsgefängnis eingezäunt. Bei der Rückfahrt bemerkte Matz, dass das schon noch ein gutes Foto wäre, unsere Mizar mit einem TGV. Ein kurzer Blick nach links - da ist wirklich einer im Anflug! Hektisches Suchen nach der Kamera, abgedrückt, aber schon zu spät! Nur die Mitte des Zuges ist auf dem Bild.
Nun ja, frau könne ja den von der anderen Seite aufnehmen, erklärte Matz nun als Witz. Aber da kommt ja wirklich einer! Diesmal ganz konzentriert -- aber in der Aufregung zu früh abgedrückt! Man sieht nur ein kleines Stück Nase ganz rechts...
Darum hier das erste, doch bessere, Foto.

 

 

Nur ein einziges Mal während des Sommers hatten wir Ärger mit einem 'Mitschiffer'. Eine eher mühsame halbstündige Geschichte mit dem Besitzer einer englischen Tjalk. Er erntete am Ponton in St.Mihiel viele verständnislose Blicke der zuschauenden Leute, wir dann trotz Dauerregen hilfreiche Hände beim Anlegen! Immerhin, wir lernten während dieser Episode ein paar ganz laute neue englische Schimpfwörter dazu. 
Wahrscheinlich hatte Petrus Bedauern mit uns, denn er schenkte uns kurz danach diese zwei schönen Regenbogen!

 

       

St.Mihiel ist ein kleines Städtchen, in dem wir uns schon bei der Hinfahrt recht wohl gefühlt hatten. Diesmal aber war für das Wochenende eine Braderie, ein Volksfest mit Essständen, Verkäufern mit allerlei Waren und sogar einem Zirkus angekündigt. Ein guter Grund etwas länger zu bleiben!

  

Dabei erlebten wir wieder einmal, warum uns unser neues Leben in der Provinz abseits der Touristenpfade so gefällt. In der Schweiz müssen alle Veranstaltungen und sogar das normale Leben durchorganisiert, protzig und auf einem hohen Niveau stattfinden. Kein Fest, bei dem nicht ein halbstündiges Feuerwerk für zig-zehntausend Franken losgelassen wird, kein Anlass, bei dem nicht alles vom Feinsten und Überbordensten ist. Das Publikum fordert dies, sonst ist es nur 'naja' gewesen!

Hier ist alles noch im normalen Bereich. Handgestrickt und lebenswert. Kein 'noch grösser - noch besser', einfach sympathisch. So wie der lange im Voraus mit einem klapprigen Lautsprecherwagen angekündigte Zirkus ('nur 5 Euro der Eintritt'). Es gab wilde Tiere: Pedro, das Lama aus Südamerika, zwei Emus und ein paar Geissen. Die spartanischen Sitzreihen waren gut genug und die Artisten zeigten ihre Künste auch auf dem Markt, zwischen Wurst- und Kleiderständen. Die Stimmung war einfach super!

 

  

Jeden Morgen kam unsere persönliche Security-Katze vorbei, patrouillierte über das Schiff und wärmte sich dann in der Sonne etwas auf.

 

Aber es musste auch noch etwas weitergearbeitet werden. Für diesen Sommer stand ja das Abschleifen und Neulasieren des gesamten Holzwerks auf dem Plan. Da der Vorbesitzer alles seit 10 Jahren vernachlässigt hatte, war nun Grossputz angesagt.
Unten im Bild ein Teil des Steuerhauses mit Vorher-Nachher-Effekt, und daneben das Endresultat. Die Lasur muss zwar noch einziehen, das sieht man an den angehobenen Dachpanelen, aber es macht schon eine andere 'Falle'.

  

Das Pièce-de-Résistance aber war die Bilge unter der Küche. Wir ersparen Euch das Bild 'Vorher', man führe sich einfach vor Augen, dass in diesem Stück etwa 100 nicht sehr angenehme Arbeitsstunden stecken...

 

   

Langsam kündet sich der Herbst an.

 

  

Eines Abends stellte sich eine umgebaute Freycinet (39,5m) neben uns zum Übernachten hin. Wir waren diesem Schiff während des Sommers schon ein paar Mal begegnet. Das deutsche Eignerpaar sind frühere Berufsschiffer und daher sehr interessante Gesprächspartner.
Am nächsten Morgen waren wir mit der Kaffeetasse in der Hand von Schiff zu Schiff am Plaudern, als Hansruedi bemerkte, das Schiffchen sei dummerweise etwas zu gross und käme nicht ganz auf ein Foto. "Dann fahre ich eben mal auf die andere Flussseite, damit es ein schönes Bild gibt" war die kurzentschlossene Antwort des Mannes. Gesagt getan, hier ist das Resultat. Danach wurde Seite an Seite natürlich weitergequasselt.

(Eine Woche später wurden wir vom gleichen Schiff nach dem Tunnel de Foug nochmals ins Sandwich genommen. Diesmal noch ein bisschen näher dran. Auf den Einwand von Matz, und sie müsse morgen die Mizar da rausquetschen, kam mit einem Grinsen die Antwort, er schaue dann zu, beim Kaffeetrinken. Und so war es auch.) 

 

 

An dieser Schleuse nach St.Mihiel entdeckten wir bei einem Abendspaziergang eigenartige Einkerbungen an den Seitenpfeilern der Brücke. Nach etwas Studieren und logischem Kombinieren hatten wir den Grund herausgefunden.
Früher wurden die Frachtschiffe auf den Kanälen getreidelt, also von Menschen oder Pferden auf einem Treidelpfad gezogen. Manchmal erforderte es einen Seitenwechsel, aus welchem Grund auch immer. An dieser Schleuse musste von links nach rechts über die Brücke gewechselt werden.

 

Dabei schnitten sich die Seile an den Kanten der Pfeiler mit den Jahren tief ein. Auf der anderen Seite der Brücke fanden sich dieselben Spuren am gegenüberliegenden Pfeiler.

     

Da aber die Zugrichtung dabei immer uneffizienter wurde und schlussendlich 90° zur Fahrtrichtung stand, mussten die Seile am Schluss über diese Umlenkrollen an der Brücke (obere rechte Ecke der Einfahrt) gelegt werden und so konnte dann das Schiff von den Leuten an Bord in die Schleuse gezogen werden. 

 

Schilderwald auch auf dem Wasser! 
Es heisst der Reihe nach: Hupen, Achtung, kein Kreuzen, kein Überholen, Engpass

 

  

Am Wochenende sitzen die Fischer wie aufgereiht an den Ufern. Und sie ziehen wirklich grosse Fische heraus!

 

Schloss Commercy; hier wurde das Gebäck 'Madleine' erfunden, sagt man. Dem Chefkoch der Wochenendresidenz von Herzog Stanislas (dem von Nancy) misslang einmal das Dessert. In der Not buck ihm eine Küchenangestellte die kleinen Küchlein, die sie zu Hause immer machten. Es wurde ein durchschlagender Erfolg. 
Sie hiess übrigens Madleine.

 

  

Wir beschlossen dann doch noch per Schiff nach Nancy zu fahren. Bei der Einmündung des Canal de la Marne au Rhin in die Mosel schlossen wir uns einem Berufslastschiff an. Diese haben hier normalerweise etwa 140m Länge und 11m Breite. Bei jeder Schleuse meldeten wir uns per Funk frühzeitig an, damit wir zusammen schleusen konnten. Wir fühlten uns wie ein Floh neben einem Elefanten.  

  

 

  

Diese Schleuse am Anfang der Abzweigung nach Nancy war wirklich bedrückend. Voller Abfall, düster, eng und hoch. Dann schlossen sich die Tore auch noch nicht richtig und blieben während einer gefühlten Ewigkeit so stehen. "Hoffentlich haben sie uns hier drin nicht vergessen", war der Gedanke dabei. 

 

Was uns immer wieder erstaunt und jedesmal Bewunderung auslöst, ist der Blumenschmuck in den französischen Ortschaften. Ob farblich wild durcheinander, wie in diesem Beispiel von Champigneulles, oder aufeinander abgestimmt, er ist immer üppig und wunderschön.

 

Nun waren wir wieder mitten in Nancy, aber diesmal mit dem eigenen Schiff! Da der reguläre Hafen keine Schiffe unserer Grösse aufnehmen kann, legten wir im Becken für die Berufsschiffahrt gleich neben einer Freycinet an.  

Place Stanislas, da sind wir wieder!

 

  

Falls Ihr mal nach Nancy kommt, legen wir Euch das Son-et-Lumière Spektaktel 'Rendez-Vous Place Stanislas' ans Herz. Eine eindrucksvolle Vorführung!

 

  

Eigentlich wollten wir an den Quai wechseln, sobald dort ein Platz frei würde, aber sehr schnell war uns klar, dass der Liegeplatz neben der 'Kiev' einfach ideal war. Vom Quai aus waren wir sozusagen nicht zu sehen und der Schiffer der 'Kiev' zog um 11 Uhr nachts die Leiter hoch. Mit der über zwei Meter hohen Bordwand waren ungebetene Gäste abgewehrt. Darum bleiben wir die ganze Woche so liegen und lernten in dieser Zeit den Schiffer und seine Katze, mit der er seit seit 15 Jahren alleine unterwegs ist, besser kennen. Ein Unikum, aber nicht minder sympathisch.

 

Und hier noch ein kleiner Wettbewerb: was ist dieses Ding, das auf dem Fussweg am gegenüberliegenden Rand des Hafenbeckens zu sehen ist? Wir haben es so fotographiert, wie es beim Blick links aus dem Steuerhaus sichtbar war. Kein Photoshop oder ähnliches!
 Dem Ersten, der uns die Lösung schreibt, winkt ein Wochenende als Gast auf der Mizar!

  Gratulation! Jürg Forrer hat uns geschrieben:

Ich hab noch meine Frau und Tochter zu Rate gezogen, und wir sind der
Meinung, dass es ein
rotes Ampelmännchen sein müsste, welches sich in eurem Rücken befindet und
sich eben in der anderen Scheibe spiegelt.
So - jetzt hoffe ich natürlich, dass ich mit der Antwort
den Sack zugemacht habe, und dann mal bei euch auf der Mizar ein Wochenende
verbringen darf ...

Wir freuen uns, ihn und seine Frau nächsten Sommer an Bord begrüssen zu dürfen! 
Und damit alle Zweifel ausgeräumt sind, alle 60s wechselte das Ding Form und Farbe:

 

  

Auf der Rückfahrt nach Toul stoppten wir in Liverdun, einem interessanten Städtchen hoch auf einer Felsnase über der Mosel thronend.

 

Nein, diese Freycinet ist nicht am absaufen, sondern 'nur' voll beladen. Warum schwimmt das noch?

 

Wir sind an unserem Winterliegeplatz in Toul angekommen. Die aufziehenden Wetterfronten künden das Ende der Saison an. Nun müssen wir die Mizar winterfest machen und fahren dann in die Schweiz zurück, um dort bis zum nächsten April unsere Zelte abzubrechen. 
In der Zwischenzeit träumt Mizar von all den Abenteuern, die wir 2010 zusammen erleben werden.

>  Monat September:
- 28 h
- 36 Schleusen
- 160 km

Jahrestotal:
- 130 h 30'
- 188 Schleusen
- 565 km

 

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