August 2010 

Auch dieses Jahr feierten wir den ersten August echt schweizerisch. Irgendwie gehört das einfach dazu...

  

Nach Ravières hiess der nächste Stopp 'la grande Forge de Buffon'.

  

Gleich neben dem Kanal liegt die grosse Schmiede Buffons aus dem achtzehnten Jahrhundert. Der Comte de Buffon, ein geborener Leclerc aus dem nahegelegenen Städtchen Montbard, war ein Naturforscher und der Verwalter der Pariser Gärten des Königs. Auf dessen Geheiss machte er zahlreiche Versuche über den Schmelzvorgang und die Verarbeitung von Eisen. Diese Erkenntnisse wandte er in seinem 1768 - 1772 erbauten topmodernen Hochofen und der dazugehörenden Schmiede an. Ab 1769 erzeugte dieses Werk Eisen von höchster Qualität. Ab 1866 bis 1923 wurde hier nur noch Kalk gebrannt. Leider wurden die Gebäude Opfer mehrerer Hochwasser und Feuersbrünste, so dass ab 1925 alles stehen- und liegengelassen wurde. Heute gehört die ganze Anlage wieder der gleichen Familie Leclerc und diese versucht, die industriegeschichtlichen Zeugen als Museum zu erhalten.

Das Bild oben zeigt den Eingangsbereich zum Hochofen. Dieser befindet sich links hinter uns. Das wöchentliche Spektakel, wenn das flüssige Eisen feuerspeiend aus dem Ofen in die im Boden eingelassenen Rinnen floss, wurde von den Adligen der Region auf den beiden Galerien links und rechts der Treppe aus sicherer Entfernung interessiert verfolgt.

     

Danach gelangten die Eisenbarren in die eigentliche Schmiede, deren grosser Fortschritt ein wassergetriebener mechanischer Amboss war. So konnte 24 Stunden am Tag (in Sechsstundenschichten) gearbeitet werden. Das hiess für die Arbeiter ein Wechsel von 6 Stunden Arbeit und 6 Stunden Pause, rund um die Uhr. Die Knaben mussten ab dem Alter von 13 Jahren in der Schmiede arbeiten, während die Mädchen ab diesem Alter als Dienstmagd oder im Gemüsegarten ihre Pflicht erfüllten.

Der Blick von oben zeigt die Schiffsform der grossen Schmiede, welche mitten im Fluss Armaçon stand.

  

Es war zwar erst Anfangs August, aber an diesem Morgen kündigte sich unmissverständlich der Herbst an!

      

In Montbard lagen wir ein paar Tage, da unser nächster Besuch hier zusteigen wollte. Das Städtchen hat dank dem Comte de Buffon ein paar interessante Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel seinen früheren Privatpark, den Befestigungsturm, auf dem er Windexperimente machte und sein Arbeitszimmer.

Tags darauf fuhren wir mit dem Velo zur Abtei von Fontenay. Dies ist eines der ältesten Zisterzienserklöster, 1118 gegründet. Die Zisterzienser folgten den strengen Regeln des heiligen Benedikts von Nursia, der ein Leben in Armut und Einsamkeit gepredigt hatte. Im 12ten Jahrhundert erlebte die Abtei eine Zeit grossen Wohlstands und zählte mehr als 200 Mönche. Ab dem 16ten Jahrhundert verringerte sich diese Zahl kontinuierlich. 1790 wurde die Abtei aufgelöst und 1802 an Elie de Montgolfier verkauft. Dieser wandelte die Anlage in eine Papierfabrik um. 1902 kaufte Edouard Aynard, ein Bankier aus Lyon, die Abtei und unternahm enorme Renovationsarbeiten, um 'Fontenay von seinem industriellen Schuttberg wieder zu befreien'.
Noch heute ist Fontenay im Besitz der Familie Aynard, sie wohnen auch auf dem Gelände. 1981 wurde die Abtei von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

  

  

Im Eingangsbereich ist auf der rechten Seite ein Pförtnerzimmer mit einem Loch in der Wand, durch welches der Wachhund des Bruder Pförtners seinen Kopf strecken konnte um zu sehen, ob Freund oder Feind Einlass begehrte!

Tags darauf fuhren wir weiter, eine Treppe von über 40 Schleusen erwartete uns!

Jööö! Matz konnte sich fast nicht von diesem 'Schnügel' lösen, der während der Schleusung auf der Mauer hin und her strich und ständig aufs Schiff spähte.

Eine von vielen...

  

Zum guten Glück hatten wir Andrea mit dabei, die dem éclusier, der uns auf seinem Roller begleitete, beim Türen schliessen half und damit die Schleusenzeiten im einiges verkürzte!

  

  

Stummer Zeuge eines vorangegangenen Dramas... Murphy wollte, dass diese Leine beim Runterschleusen genau in den Spalt zwischen zwei Mauersteinen gezogen wurde, blockierte und darum das Schiff regelrecht aufhängte! Der Einsatz eines Messers wurde offensichtlich unausweichlich.
(Die schwarze Leine gehört übrigens uns!)

  

Trotz der ganzen Arbeit mit den Schleusen gefiel uns dieser Abschnitt des Kanals bis jetzt definitiv am Besten. Eine gesunde Landschaft, die sich sicherlich nicht über mangelnde Biodiversität beklagen kann! Hansruedi, der die Umgebung immer aus der Sicht eines frei herum hoppelnden Hasen beurteilt, war begeistert!

Da wir uns langsam aber sicher dem Scheitelpunkt des Kanals und damit auch dem immer 'bergigeren' Gegenden näherten, fuhren wir durch mehrere 'tranchées'. Das sind beeindruckende Einschnitte in den Hügeln, die statt eines viel arbeitsaufwendigeren Tunnels gegraben worden sind.   

Dies ist die 'Tranchée de Creusot', 1130 m lang und mit mehreren Ausweichstellen zum Kreuzen versehen. Links und rechts die Stufen, auf denen die Treidelwege verliefen.

In Pouilly-en-Auxois angekommen mussten wir einen Tag mit sicher schönem (oder stabilem) Wetter abwarten, da wir für die Tunneldurchfahrt unser Steuerhaus abbauen mussten. Zwar studierten wir vorher gewissenhaft die Profilangaben des Tunnels, informierten uns über den aktuellen Wasserstand im Kanal und massen nochmals unsere Höhe in allen Lagen, aber es nützte nichts. Wir waren ohne Abbau zu hoch!

An den folgenden zwei Tagen regnete es immer wieder, so dass wir auf unser Dach nicht verzichten konnten. Dafür stockten wir unsere Vorräte im nahegelegenen Supermarché auf und besuchten das 'Institut du Canal de Bourgogne'. Eine interessante Ausstellung mit vielen Infos über den Bau und andere Einzelheiten des Kanals.

Da wir uns auf unserer Reise ständig in der technischen Vergangenheit bewegen, möchten wir nun hier einen kleinen Exkurs in die Zeit um 1800 machen:

Zu dieser Zeit wurden die Arbeiten am Canal de Bourgogne begonnen. Nicht etwa mit Bagger und 40-Tönnern, sondern mit Schaufel und Manneskraft! Schlussendlich hatten diese Arbeiter etwa 250 km Kanal, über 10 km Tunnel, 5 Speicherseen (mit 30,5 Millionen Kubikmeter Gesamtvolumen) für das nötige Wasser und über 100 km Zulaufkanäle gegraben! Vom Bau der 190 Schleusen reden wir jetzt mal gar nicht!

Manchmal stimmt es nachdenklich, wenn man immer wieder feststellen muss, wie dieses grossartige Werk heute vernachlässigt wird!

Eine der grossen Herausforderungen war sicherlich der Tunnel auf der Scheitelstrecke des Kanals. Diese liegt auf 357 müM und ist damit die höchstgelegene in ganz Europa! Im 3,5 km langen Tunnel gibt es keinen Treidelweg. Die Schiffe wurden zuerst durchgestakt, später dann entlang einer an der Wand befestigten Kette von Hand durchgezogen. Da diese Methoden nicht sehr effizient und mit etwa 10 Stunden Durchfahrtsdauer vor allem zeitraubend waren, wurde 1867 ein Dampf-Zugschiff in Betrieb genommen. Dieses lief an einer im Kanalbett liegenden Kette, musste an beiden Streckenenden nicht wenden und war sehr leistungsstark. Damit wurde ein Konvoi von 5 bis 6 beladenen Schiffen in nur einer Stunde durch den Tunnel gezogen.

Allerdings war das Problem des Rauches nicht gelöst. Als ein Schiffer daran erstickte, wurden andere Lösungen gesucht.
1870 ersetzte man das Dampfschiff durch eine elektrische Version, die einem Trolleybus gleich mit einem Stromabnehmer der elektrischen Oberleitung entlang fuhr. Trotz der immer mehr aufkommenden motorisierten Lastkähne blieb dieser 'Toueur' bis 1987 in Betrieb!

  

   Dieses Gefährt kann man heute in einer futuristisch anmutenden Halle am Hafenbecken von Pouilly anschauen.

 

Nun aber wieder zurück in die heutige Zeit!

Am dritten Tag versprach die Wettervorhersage Sonne und kein Regen, darum bauten wir mit Hilfe zweier guter Seelen von anderen Schiffen unser Steuerhaus ab. Da wir das auch zum ersten Mal machten, mussten zuerst die geeigneten Stauplätze für die verschiedenen Seiten-, Dach- und andere Paneele gefunden werden.

Und hier liegt sie nun, unsere Mizar 'oben ohne'! Ein ungewohnter Anblick!

Hansruedi genoss die Wartezeit bis zum Durchfahrts-slot an der Sonne!

Und dann war es soweit: spezielles Funkgerät und Durchfahrtserlaubnispapier geholt, Schwimmwesten angezogen und in die Zufahrtsstrecke eingefädelt. Im Hinterkopf die alten Bilder der Schiffe, die vor 130 Jahren hier genauso durchkamen...

  

Bei der Einfahrt waren wir froh, unser Steuerhaus abgebaut zu haben! Viel Platz blieb nicht!

Und dann hatte man gegen eine Stunde lang im schnurgeraden Tunnel den Lichtpunkt des Ausgangs vor Augen und die Wände ganz nah! Klaustrophobisch durfte man hier nicht sein!

Geschafft! Ohne Touchierer, ohne Schaden durch!

In Escommes war dann der Wiederaufbau unserer guten Stube das erste Ziel.

 

  

Die Strecke nach Vandenesse-en-Auxois bei strahlendem Wetter war wieder ein reines Vergnügen.
Im dortigen Hafen mussten wir uns umständlich hinter ein Hotelschiff drücken, welches sehr grosszügig am Quai angelegt hatte.

Nun ein kleines 'Luftablassen' von Matz zu diesem heiklen Thema:
Da wir wegen unseres Tiefgangs die gleichen Anlegestellen wie die Hotelschiffe brauchen müssen, kam es schon an einigen Orten zu Spannungen. Falls die Stellen offiziell als reserviert angeschrieben sind, haben wir kein Problem damit. Aber wenn einfach ein Kartonschild am Quai steht und verkündet, dieser sei für das Hotelschiff xy reserviert, wir aber keine Möglichkeit haben, anderswo anzulegen, haben wir gelernt, dieses zu ignorieren. Komischerweise berufen sich die Hotelschiffkapitäne, wenn sie in der Klemme sind, an das 'droit marinier', bei fehlender Anlegemöglichkeit längsseits an ein anderes Schiff zu gehen. Uns jedoch wird in der gleichen Situation das Längsanlegen verweigert, mit der Begründung, man hätte Kunden an Bord! Mpff!!!

Die Attraktion von Vandenesse ist die Sicht auf Châteauneuf, einem malerisch auf dem gegenüberliegenden Berg gelegenen Städtchen. Dieses mussten wir auf jeden Fall besuchen! Etwas touristisch, aber hübsch zurechtgemacht!

  

Beim Aussichtspunkt erlebten wir ein fesselndes Drama, welches uns viel mehr in den Bann zog, als das eindrückliche Panorama:

     

  

Ach ja, die Aussicht auf den Hafen von Vandenesse...

 

Als wir in Pont d'Ouche eintrafen und etwas ratlos im gut besetzten Bassin nach einem Platz suchten, rief uns Bryony, die gute Seele des Hafens, zu, es habe vor der grossen grünen Péniche genügend Raum für ein 25 m Schiff. Wir bezweifelten diese Aussage ein wenig, weil sie aber sehr überzeugend vorgebracht wurde, versuchten wir es trotzdem. Die Bilder unten zeigen, dass sie recht hatte! Knapp, aber es passt!

  

In Velars-sur-Ouche gibt es den Luxus, dass gleich hinter dem Supermarché ein Quai zum anlegen ist! Das nutzten wir natürlich aus und fuhren mit dem Einkaufswägeli gleich zum Schiff...

Danach lockte am Horizont die 8m hohe Statue der Notre Dame de l'étang hoch auf dem Berg, die an eine wundertätige Marienstatue erinnert, welche dort im Mittelalter gefunden worden ist. Nach einer Stunde Aufstieg mussten wir feststellen, dass die ganze Kapelle eingezäunt und der Zugang zur rundumlaufenden Terrasse mit dem versprochenen Panoramablick nicht möglich ist!

Gleich daneben befindet sich allerdings ein Gleitschirm-Startplatz, der eine ebenso eindrückliche Aussicht bietet!

Dann fuhren wir nach Dijon hinein. Ein grosser Hafen mit vielen reservierten Liegeplätzen für Hotelschiffe, einer grossen Anzahl Pontons für maximal 10m lange Boote und einem schönen langen Quai gleich vis-à-vis. Leider hat dieses Schmuckstück keine Strom- oder Wasseranschlüsse. Es ist darum nicht geeignet, wenn man etwa eine Woche bleiben will. Wir haben trotzdem eine Lösung gefunden, auch wenn sie mit Abstandhaltern und Leinen hart erarbeitet werden musste!

  

Monat August:
- 53 h 45'
- 129 Schleusen
- 132 km

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