Mai 2010  

Am ersten Mai bekamen wir nicht nur Besuch von verschiedenen Mädchen, die 'Muguets' als Glücksbringer verkaufen wollten, sondern auch eine Traube von jungen Männern näherte sich dem Ponton. Mit dabei ein blaues Schaf in einem Einkaufswagen!

     

Es stellte sich heraus, dass einer davon in zwei Wochen heiraten sollte und die Freundesschar ihm eine ganze Liste mit Aufgaben zum Abarbeiten gestellt hatten. Das Glas Wein auf einem Schiff mit dem Kapitän zu trinken, war sicherlich eine der Einfacheren. Wie er an diesem Feiertag allerdings die Kosmetikerin finden, die ihm die Achselhaare epiliert, oder einem Elefanten ein Sträusschen Maiglöckchen füttern sollte... Nun, sie zogen trotzdem fröhlich und zufrieden weiter.

     

Auch wir machten uns dann am Montag auf den Weg Richtung Norden.

       

Bei kaltem, bisweilen auch nassem Wetter waren wir fast die einzigen, die sich auf dem Kanal bewegten. Dank heissem Tee und warmen Jacken war es trotzdem ein Erlebnis, durch fast endlose Rapsfelder zu gleiten. Liegeplätze sind zu dieser Jahreszeit auch kein Problem.

         

Zwischendurch wurden wir beim Schleusen scharf beobachtet: hund weiss ja nie, was das für komische Leute sind, die bei diesem Wetter unterwegs sind!

     

Dun-sur-Meuse ist ein kleines Städtchen mit zahlreichen Häusern, die auch schon bessere Zeiten gesehen haben. Früher führte offenbar auch eine aktive Bahnlinie der Meuse entlang. Der Bahnhof von Dun steht heute ganz verlassen, die Geleise enden ein paar Hundert Meter vorher.

Ein weltbekannter Bürger von Dun wird mit einem Museum im Ort geehrt. Ipoustéguy ist ein zeitgenössischer Künstler (1920-2006) und mit Werken in allen grossen Museen der Welt präsent. Die äusserst umstrittene 4t schwere Skulptur 'la mort de l'évêque Neumann', welche die Stadt Philadelphia trotz Bestellung nach der ersten Besichtigung zurückgewiesen hatte, hat Ipoustéguy Dun-sur-Meuse geschenkt. Seither kann sie in der alten Kirche Notre-Dame-de-bonne-Garde hoch über dem Städtchen besichtigt werden.

Das wollten wir uns nicht entgehen lassen, und nach dem Holen des Schlüssels der Kirche im Office de Tourisme, kraxelten wir den Berg hoch. Dabei kreuzten wir den Schlafplatz einer Kreuzotter! Ein Jungtier, knapp 30cm lang, trotzdem eine Schönheit!

  

Erstaunlich, an welch abgelegenen Orten man weltbekannte Kunst finden kann! Trotzdem zeigen wir lieber die eindrückliche Aussicht vom Kirchberg, als das umstrittene Kunstwerk!

     

Ja, es war saukalt und es windete so stark, dass wir einen weiteren Ruhetag eingelegten. Den Schleusenhund scheint das allerdings nicht gross zu beeindrucken!

  

In Stenay legten wir aussen am 'Hafen' an, da dieser definitiv zu klein und zu verwinkelt für ein Schiff unserer Grösse ist. Das im Ort ansässige Biermuseum gehörte ebenso zum Pflichtprogramm, wie auch das Erstehen von schoggigen Pflastersteinen von Stenay und 'Sch...gageli vom Tüüfel'. Das Erstere ist weniger, das Zweite und Dritte sehr zu empfehlen!

      

 

        

Die nächste Stadt, Mouzon, besticht durch eine schöne Kirche, ein Filzmuseum und einen irgendwie schrägen Turm des Hôtel de Ville.

       

Am Abend gab es dann noch Musik, Tanz und Feuerwerk. Das Kriegsende von 1945 ist in Frankreich ein nationaler Feiertag (mussten wir hungrig feststellen).

      

(Früher standen wir für's Erinnerungsföteli noch in Flugzeugtriebwerke, heute tun's auch Traktorräder...! J)

       

In Sedan mussten wir den Reiseführer wechseln: aus der Lorraine sind wir in die Ardennen gefahren.

Da die Fingerpontons im Hafen noch nicht installiert waren, konnten wir bequem am Quai anlegen. Gleich danach erkundeten wir die Stadt, die durch ihre Burganlage berühmt ist. Wir schnappten uns einen Audioguide und erfuhren während des Rundgangs einiges über dieses wirklich imposante Bauwerk.

  

Mit 35'000m² Fläche ist es die grösste Burganlage in Europa. Verschiedene Generationen der Familie La Marck haben seit 1420 immer wieder die Schlossmauern erhöht, Wehrzinnen angebaut und die Mauern verstärkt, um der modernisierten Artillerie und ihren immer durchschlagkräftigeren Geschossen standhalten zu können. Dadurch sind die äusseren Mauern (im Bild dunkelgrau) bis zu 26m dick geworden! Wenn man davor steht, versteht man, warum diese Burg bis zum 2.Weltkrieg als uneinnehmbar galt.

Dieser Besuch lohnt sich sicherlich, die Stadt hingegen ist leider am verfallen, wie viele Siedlungen in dieser Gegend. Hier hat die Wirtschaftskrise deutlich sichtbare Spuren hinterlassen.

Da im Canal des Ardennes eine Sperrung bis Ende Monats publiziert war, steuerten wir die Hauptstadt der Ardennen, Charleville-Mézières an, um dort einige Tage liegenzubleiben und zu warten.

Die Stadt hat einen neuen Hafen gebaut und den alten Ponton für Schiffe über 12m reserviert... in der Theorie. Da es aber draussen auf dem Fluss viel schöner als im kahlen, hyperarchitekturierten Hafen ist, legen die meisten am Ponton an. Diskussionen sind vorprogrammiert... 

Es war immer noch saukalt und das zeigte sich auch auf dem menschenleeren Place Ducale, einem beeindruckenden Platz der 'neuen' Stadt Charleville. Charles de Gonzague hatte 1606 die Vision einer idealen Stadt. Diese sollte seiner Meinung nach durch ihre Schönheit auch ideale Bürger hervorbringen. Daher plante er auf der nächsten Flussschleife der Meuse, neben der alten Stadt Mézières, sein Grossprojekt. Rund um den grossartigen Mittelpunkt des Place Ducale liegen schachbrettartig Quartiere. Die Bürger wurden durch viele Vorteile in die neue Stadt gelockt, Mézières wurde dadurch fast zur Geisterstadt. Heute sieht es wieder anders aus, und seit dem Zusammenschluss der beiden Städte herrscht wieder Friede.

   

  

Eine kulinarische Spezialität von Charleville-Mézières sind die 'Macardennes', das sind die blauen Luxemburgerli-ähnlichen Dinger im Vordergrund. Die mussten natürlich gleich gekauft und dann auf dem Schiff mit einem guten Kafi zusammen probiert werden!
Nun ja, wir geben es zu, wir sind ein wenig verfressen..., aber nach Handschuhen und Faserpelzstirnband im Mai...!

    

Als es dann doch noch sonnig und etwas wärmer wurde, erkundeten wir die Voie Verte der Meuse entlang. Dieser super ausgebaute neue Veloweg führt 80 km bis nach Givet an der belgischen Grenze. Wir kehrten nach 10 km im nächsten Dort um. Übertreiben muss man es ja nicht.

  


Eine Restaurantpéniche vis-à-vis des Anlegepontons.

In Sachen Schiffsunterhalt ist dieses Jahr der 'Angriff' auf die Farbe geplant. Da die vorherigen Schichten völlig unsachgemäss aufgetragen wurden, blättern sie stückchenweise ab. Wir müssen nun herausfinden, wie und wie viel davon abzutragen ist und dann alles wieder neu streichen. Irgendein Teil der Mizar wird daher diese und die nächsten Saisons immer wie eine kleine Baustelle aussehen!
Ach ja, es wurde sogar richtig Sommer! Fast schon zu heiss zum Arbeiten!!

Und dann gab es wieder einen Anlass auf dem Place Ducale, diesmal allerdings mit ganz vielen Besuchern. Wetter und Thema war Dank! La fête de la bière!

Am 27sten Mai war es soweit, wir brachen wieder auf in Richtung Canal des Ardennes. Der Eingang desselben ist durch eine grosse Tanne gut sichtbar. In Pont-à-Bar waren alle für uns möglichen Anlegeplätze besetzt, daher fuhren wir weiter und legten ein paar Kilometer später kurz vor einer Schleuse an.

   

Die Landschaft änderte sich und war nicht mehr von endlosen Feldern, sonder ebenso endlosen Wäldern geprägt. An unserem Nachtplatz hörte man nur hunderte von Vögeln pfeifen, sonst kein anderes Geräusch. Wo in der Schweiz ist das noch möglich?

       

Am nächsten Morgen in der Schleuse der Schrei von Matz: "Es ist eine Maus an Bord!" Irgendwann in der Nacht musste sie neugierig an Bord gekommen sein und dann den Abgang nicht mehr gefunden haben. Auf alle Fälle sass sie reglos in der Mitte des seitlichen Gangs und harrte ihrem Schicksal. Mit einem beherzten Griff (Matz hatte zu Hause dank unserer Katze ja zur Genüge üben können) wurde der blinde Passagier wieder zurück an Land befördert.

Nach einem ruhigen Tag in Le Chesne stand uns dann die grosse Schleusentreppe bevor. Insgesamt reihen sich 27 Schleusen auf 8 km aneinander. Wir stoppten für die Übernachtung nach 6 Stunden bei Nummer 20!

   

Den Abschluss dieses Monats machten die 'weltberühmten Boudin blancs' von Rethel. Eine Art Bratwurst, die wir auf gut schweizerische Art mit einem frischen Salat und einem guten Tropfen Wein genossen.
Haben wir schon erwähnt, dass wir verfressen sind? J 

    

Monat Mai:
- 48 h 40'
- 64 Schleusen
- 202 km

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